Das Prinzip der Wahrscheinlichkeit

1 0 0
                                    

Auf das dritte Schuljahr in Hogwarts freute ich mich schon seit meinem ersten Tag hier. Denn im dritten Schuljahr dürfen ja bekanntlich erstmals auch Wahlfächer zu den Grundfächern hinzugewählt werden und in den letzten Sommerferien hatte ich Aidan und Ophelia natürlich gründlich ausgequetscht, über die Fächer, die die beiden gewählt hatten. Lange haben wir uns unterhalten und bei vielen Fächern wusste ich sofort, dass ich sie wählen würde, doch bei anderen fiel die Entscheidung nicht so leicht. 

Wahrsagen hat zum Beispiel keinen besonders guten Ruf. Doch nachdem nun Professor Trelawney schon so viele Jahre nicht mehr unterrichtet und sich die Zentauren wieder in den Wald zurückgezogen haben, war ich neugierig, wie dieses Fach wohl heute unterrichtet würde...

Und nach meiner ersten Stunde heute kann ich nur sagen: ich bin positiv überrascht und sehr froh, Wahrsagen doch noch mit hinzu gewählt zu haben.
Unsere Lehrerin ist keinesfalls eine teilentrückte Esoterikerin, die durch den Raum schwebt und Botschaften und Warnungen aus dem Jenseits überbringt. Nein, Professor Bishojo steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen und versteht ihr Fach ausgesprochen gut. So weiß sie zum Beispiel, dass viel von der Stimmung des Einzelnen abhängt, sowohl was das Lesen an sich, als auch die Deutung des Gelesenen betrifft. Es gibt kein 100%iges Vorhersehen der Zukunft, jedoch kann man Tendenzen Wahrnehmen und Wahrscheinlichkeiten erspüren.

Um dafür ein Gefühl zu bekommen, hat sie uns gebeten, uns vorzustellen, heute wäre der Tag, an dem Harry Potter an die Schule kam. Und nun sollten wir von der hohen Wahrscheinlichkeit ausgehen, Draco Malfoy würde nach Gryffindor gesteckt werden.

Zuerst empfand ich diesen Gedanken als geradezu lächerlich. Weiß Gott, ich liebe mein Haus über alles- aber Draco Malfoy war Zeit seiner Kindheit und Jugend ein Feigling, ein Mitläufer und ein arroganter Schnösel, wie es sonst keinen zweiten gab. Doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass der Sprechende Hut gar nicht so viel anders funktioniert, wie Wahrsagerei: es ist zum Teil das Erspüren vorhandener Tendenzen, zum Teil die Fähigkeit, Wünsche zu erkennen und zu einem gewissen Teil auch sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Draco Malfoys Familie war durchweg in Slytherin. Daher fühlte er sich dem zugehörig, wurde in eine bestimmte Richtung erzogen und wollte sicherlich auch nirgendwo anders hin. Doch was wäre gewesen, wenn seine ganze Familie in Gryffindor gewesen wäre? Sein Naturell war in diesem Punkt dem von Ron Weasley zum Beispiel gar nicht so unähnlich, denn auch Ron wünschte sich ja, in das Haus zu kommen, in dem auch all seine Geschwister gewesen waren. Nichts wünschen sich Kinder mehr, denn Stolz und Anerkennung ihrer Eltern. Und wenn die Malfoys Gryffindors gewesen wären, hätten sie sicher ihren Sohn dahingehend beeinflusst, sich eben jene Verhaltensweisen und Denkmuster anzueignen, die in diesem Haus eben hoch geschätzt werden. Draco wäre also von klein auf eingebleut worden, dass Tapferkeit und Mut ganz besonders wichtige Eigenschaften wären. Seine Eltern hätten Geschichten von ihren Freunden in Gryffindor erzählt und welche Abenteuer sie mit diesen erlebten. Dracos Wunsch, seinen Eltern nachzueifern, wäre immer weiter gewachsen und der Hut hätte wohl genauso schnell "Gryffindor!" gerufen, wie er "Slytherin!" rief, wenn Draco dahingehend geprägt gewesen wäre. Einerseits die Tendenz- durch Erziehung, andererseits der Wusch- durch emotionale Bindung. Und dann, letztendlich, die sich selbst erfüllende Prophezeiung: hätte der Hut Draco nach Gryffindor geschickt, wäre aus Draco im selben Moment ein Gryffindor geworden. Innerhalb der Schule ist das Haus eines Schülers vergleichbar mit einer Familie und Draco wäre automatisch zu einem Gryffindor-Familienmitglied geworden. Er wäre willkommen geheißen worden, von dem Moment an, in dem der tosende Jubel am Gryffindor-Tisch ausgebrochen wäre, beim Ausrufen eben jenen Hauses durch den Sprechenden Hut. Niemand hätte je infrage gestellt, ob Draco dort hingehört, denn in dem Moment, in dem der Hut das Haus verkündet, wird die Zugehörigkeit zur schlichten Wahrheit.

Was wäre aus diesem verzogenen Einzelkind geworden, wenn er sich einen Schlafraum mit Ron, Harry und Neville geteilt hätte? Draco war nicht gern allein, in Slytherin hatte er somit immer Crabb und Goyle um sich. Ich denke, es ist nicht so unwahrscheinlich, anzunehmen, dass er sich mit den Jungs angefreundet hätte. Womöglich hätte er es auch hier zum Teil mit materiellen Gütern versucht- es kann ja nicht schaden, reiche Eltern zu haben, und Ron hätte in seiner unbekümmerten Art bestimmt Bauklötze gestaunt, wenn Malfoy Senior nun dem Gryffindor-Team sieben nagelneue Rennbesen gesponsored hätte und er hätte sicherlich auch zu etlichen Süßigkeiten und Scherzartikeln nicht nein gesagt.

Ich weiß nicht mit Bestimmtheit, ob er und Harry wohl gute Freunde geworden wären. Denkbar wäre es durchaus, denn letztlich war für Harry die gesamte Zaubergemeinschaft noch völlig neu und vieles nahm er einfach als gegeben hin, wie zum Beispiel die hauseigenen Schüler zu mögen. Mag sein, dass die beiden sich angefreundet hätten. Vielleicht auch nicht. Aber zu dieser offenen gegenseitigen Feindseligkeit wäre es sicher nicht gekommen.
Doch ich bin mir fast sicher, dass Ron einen Freund wie Draco unheimlich cool gefunden hätte, wäre dieser ein Gryffindor gewesen. Vielleicht wäre dann Neville der dritte Part im HP Trio gewesen. Vielleicht wäre Neville mit Hermine und Harry losgezogen und hätte mit den beiden etliche Abenteuer erlebt und Draco und Ron wären so unzertrennliche Freunde geworden wie Dean und Seamus.

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Sep 17, 2017 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Sieben Jahre in Slytherin - Adamanthas SchulzeitWhere stories live. Discover now