Kapitel 4- Kreaturen der Hölle

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P.O.V: Stegi

Naiv wie ich war machte ich die Tür auf. 
Dahinter stand ein Mädchen.
"Bin ich hier nicht richtig? Ist hier nicht das Zimmer 412?"
Ich musterte sie. Sie wirkte etwa so alt wie ich, war blond und hatte unordentliche Haare.
Was anderes kannst du aber um fünf Uhr morgens nicht erwarten.
Sie hatte eine lockere Jogginghose, ziemlich alte Nikes und ein T-Shirt, welches ihr eindeutig zu groß war, an. In ihren Walnussbraunen Augen sah man nichts, nichts außer Trauer und Tod, als wäre sie Satan höchstpersönlich, und als würde sie mir gleich meine Seele abkaufen wollen. 
"Nein, hier ist das Zimmer 512." antwortete ich kalt und machte die Tür wieder zu. Anscheinend hatte auch sie sich so verlaufen. 
Bei dem ganzem Lärm musste wohl auch Tobi wach geworden sein, welcher jetzt aufstand und sich an den Tisch setzte. Er schaute auf die Uhr.
"Was zum Fick macht die Hure um diese Uhrzeit in unserem Zimmer?"
So beleidigend hatte ich ihn noch gar nicht erlebt. Aber ich konnte ihn verstehen. Ich konnte verdammt nochmal verstehen warum er jeden Tag heulte, wieso er sauer auf die Welt war und gleichzeitig durchgehend traurig war. 
"Sie war glaube ich das erste mal hier und wollte in ihr Zimmer, war aber ein Stockwerk zu hoch."
"Wie dumm kann man sein? Die Zimmernummern stehen doch auf der Tür..."
Wieso war mir das nicht aufgefallen? War sie einfach so müde oder wollte sie bewusst jemanden aufwecken? Oder vielleicht war auch nur irgendwas wegen ihrer psychischen Störung...
"Was machst du eigentlich schon so früh?"
Und wie konnte er so früh schon so wach sein?
"Konnte nicht schlafen."
"Essen gibts erst in 2 Stunden. Viel Spaß beim warten."
Essen? Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Wann gab es Essen? Hatte das die Frau, die mich durch das Gebäude führte überhaupt gesagt? Ich hätte aufpassen sollen als sie geredet hat...
"Wann und wo gibts nochmal Essen? Hab nicht aufgepasst."
"Unten im großen Essenssaal. Aber für Neue wirds ins Zimmer gebracht. Das Essen schmeckt übrigens Scheiße, aber man gewohnt sich dran. Hast du eigentlich deine Pyjamas schon bekommen?"
Pyjamas? Was denn für Pyjamas? Achso. Jetzt erst verstand er warum Tobi und alle die ihm über den Weg gelaufen sind, Pyjamas getragen haben. 
Die waren hier Pflicht.
"Nein."
"Ja, das dauert immer ein paar Tage bis man die bekommt. Aber komm, legen wir uns hin, wir müssen noch so lange warten, und hier kann man nichts machen."
Schlafen? Nein, das war jetzt nicht mehr möglich. Gab es hier nicht auch sowas wie Gesellschaftsräume? Wo man Spiele spielen konnte? Oder eine Bibliothek?
"Gibt es nicht auch andere Möglichkeiten sich hier zu beschäftigen?"
"Klar, wir können in einen Gesellschaftsraum oder so gehen."
"Okay... gehen wir?"

Natürlich gingen wir. Auf dem Weg in den Gesellschaftsraum sahen wir auch einen Mitarbeiter, welcher uns dann auch nachging, damit wir auch wirklich in den Gesellschaftsraum gingen, und nicht flohen. 
Man hat hier in niemanden ein Vertrauen.

Im Gesellschaftsraum angekommen, sahen wir auch schon zwei weitere Leute, außer den drei Mitarbeiter, welche drinnen aufpassten, sich aber auch Vergnügten. Einen Mann, der ca. 30 war und das Mädchen von vorhin. Das Mädchen saß einfach nur da und schaute ins Nichts und der Mann spielte mit einem der Mitarbeiter Schach. Tobi las ein Buch, welches er mitgenommen hatte. Und ich stand da. Alleine. Ich wusste nichtmal welche Krankheit ich hatte, und warum ich hier war. Ein Mitarbeiter bewegte sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht auf mich zu. 
"Hey, wie ist dein Name? Ich hab dich hier noch nie gesehen!"
Er versuchte mit mir ins Gespräch zu kommen, wollte eine kleine emotionale Bindung zu mir aufbauen, und wollte vielleicht mit mir etwas spielen. 
"Ich... Ich heiße Stegi." Ich sah auf seinen Oberkörper. Kein Namensschild, wie man es von normalen Krankenhäusern kennt. Er sah zudem verdammt Muskulös aus und verdammt hübsch, aber irgendwie nicht mein Typ. 
"Und wie ist dein Name?" fragte ich mit einem kalten Unterton in der Stimme.
"Ich heiße Rafael, aber nenn mich bitte Rafi."
Ich und Rafi kamen ins Gespräch, und irgendwann fragte er mich die Frage, vor der ich mich die ganze Zeit gefürchtet hatte.
"Was halten deine Eltern eigentlich davon, dass du hier her musst?"
Ouch. Er hatte schon gesagt, dass er neu hier ist und gerade erst aus der Ausbildung kommt. Aber sowas sollte man nicht fragen, wenn man nicht sicher ist, dass die andere Person nicht verletzt weden würde.
"Meine Eltern sind beide gestorben."
Es tat so weh es auszusprechen. So verdammt weh. Denn ich liebte meine Eltern. Auch meinen Vater. Es gibt einfach Menschen, die hassen einen, und du hasst sie, aber wenn sie weg sind, spürst du trotzdem diese Leere in deinem Herzen, und ein weiterer Teil deiner Persönlichkeit verfällt in Chaos.
"Das tut mir leid, falls ich Salz in die Wunden gestreut habe..."
"Es ist okay. Du konntest es ja nicht wissen."
Nichts war okay. Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte jemanden weh tun. Ich wollte mir weh tun. Denn es war meine Schuld gewesen, dass meine Mutter gestorben ist. 
Mittlerweile wusste ich, dass sich Tobi als höhere Macht sah. 
Und ich?

Ich sah mich als Kreatur der Hölle.

 


Eine kleine Liebesgeschichte [#Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt