Prolog

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Es geschah an einem warmen Sommertag. Die Sonne schien strahlend hell und die Vögelchen zwitscherten eine fröhliche Melodie. Der Tag war wunderschön...für Leute, die den Sommer liebten. Es dauerte nicht lange, als ich schließlich mit der Gesangseinlage mit einstimmte. Mein Geschrei war im ganzen Haus zu hören. Hektisch drückte ich die einzigen drei Tasten, die auf dem kleinen Gerät in meinen Händen zu finden waren. Nein, nein, bitte nicht!

„Was zum Teufel ist denn los?", brüllte meine Mutter aus der Küche. Nach nur wenigen Sekunden stand sie schwer atmend in der Wohnzimmertür.

„Was....?", fragte sie erneut und sah mich besorgt an. Ich hob meine rechte Hand hoch.

„Billy...er...", fing ich an, wurde jedoch von dem Geschrei meines Bruders unterbrochen.

„Mom, wir sind da!", rief er laut und schloss die Eingangstür hinter sich. Er zog sich die Schuhe aus und kam mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu uns ins Wohnzimmer.

„Was ist los?", fragte er besorgt und ließ seinen Rucksack auf den Boden fallen, während er Mom fragend ansah. Es dauerte nicht lange, als hinter ihm eine andere Person den Raum betrat. Der Junge hatte dunkle Haare und trug ein schwarzes T-Shirt. Er hatte ein paar Löcher in seinen Jeans...das sah merkwürdig aus. Und wer war der Junge? Meine Aufmerksamkeit war ganz auf die fremde Person hinter meinem Bruder gelenkt. Mein Bruder kniete sich zu mir.

„Ist Billy wieder abgekratzt?", fragte er mich direkt, ohne um den heißen Brei herum zu reden. Das war mein Bruder. Völlig perplex starrte ich ihn an. So-Sowas sagt man nicht! Ich fing noch lauter an zu weinen. Seufzend nahm er mir das kleine Gerät aus der Hand und drückte ein paar Mal die Knöpfe, bevor er es mir wieder reichte.

„Hier. Aber gib ihm diesmal bitte einen anderen Namen...Billy der Fünfzehnte. war nicht besonders kreativ...", sagte er lächelnd. Als ich auf dem kleinen Bildschirm beobachtete, wie eine neue Figur aus dem Ei schlüpfte, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.

„Danke...", murmelte ich lächelnd. Ich hatte den fremden Jungen schon fast vergessen, als Mom und mein zwei Jahre älterer Bruder plötzlich den Raum verließen und nur er und ich zurück blieben.

„Ich hab' dir doch gesagt, dass sie noch nicht bereit ist für ein Haustier...", hörte ich meinen Bruder auf dem Weg aus dem Raum meiner Mutter zuflüstern.

„Hey!", brüllte ich, ehe sie endgültig den Raum verließen. Mein größter Traum war es, einen kleinen Welpen zu bekommen. Einen besten Freund. Aber ich durfte keinen haben, weil ich mich laut meiner Familie nicht um Haustiere kümmern konnte. Deshalb hatte ich Billy, mein virtuelles Haustier. Völlig in meinen Gedanken versunken, schrak ich leicht auf, als ich bemerkte, wie sich der fremde Junge zu mir kniete.

„Wer bist du?", fragte ich ihn direkt. Man merkte, dass mein Bruder und ich wirklich verwandt waren. Etwas schien mir merkwürdig an diesen Jungen zu sein...er hatte die ganze Zeit über nur ernst geschaut und nicht ein einziges Mal gelächelt.

„Michael.", antwortete er wie aus der Pistole geschossen. Wir standen eine Weile so da, ohne dass einer von uns was sagte. Nach einer Weile fühlte ich mich unwohl.

„Ist was?", fragte ich deshalb. Mit dem gleichen Gesichtsausdruck drehte er den Kopf nach links und rechts.

„Warum gehst du nicht etwas nach draußen? Wird dir sicher gut tun, nach deinem Verlust.", sagte er, sein Blick war jedoch unverändert. Warum sollte ich nach draußen gehen? Billy war doch wieder am Leben. Zweifelnd sah ich ihn an. Warum musste mein Bruder auch immer mit so merkwürdigen Menschen befreundet sein?

„Warum sollte ich rausgehen? Die Sonne scheint zu stark und die Luft ist stickig. Außerdem würde ich schwitzen und das ist ekelig. Ich hasse den Sommer.", stellte ich harsch fest. Allein schon der Gedanke daran, raus zu gehen, sorgte bei mir für eine Gänsehaut. Der fremde Junge blinzelte ein paar Mal, ehe er lächelte. Unsicher darüber, ob ich es mir vielleicht nur vorgestellt haben könnte, schüttelte ich meinen Kopf.

„Welche Jahreszeit magst du dann?", fragte er weiter. Ich brauchte gar nicht lange überlegen.

„Herbst.", antwortete ich. Er nickte langsam.

„Wieso?", Er lächelte erneut. Ich zuckte mit den Schultern.

„Die Blätter...Sie sind viel bunter. Das gefällt mir.", erklärte ich und sah konzentriert mein virtuelles Haustier an. Es war nun vollkommen geschlüpft und wartete auf seinen Namen.

„Wie soll ich ihn nennen?", fragte ich den Jungen, ohne groß darüber nachzudenken. Es dauerte einige Sekunden, ehe er antwortete.

„Billy der Sechzehnte.", sagt er lächelnd. Ich überlegte kurz und hob den Kopf, um ihn anzuschauen.

„Dachte ich mir schon...", sagte ich stolz und drückte die Knöpfe, um den Namen einzutippen. Es dauerte eine Weile, ehe ich mit dem Namen fertig war, obwohl ich ihn etwas kürzen musste, da er zu lang war. Die ganze Zeit über hatte ich jedoch immer wieder mal einen Blick in seine Richtung geworfen und bemerkt, wie er mich beobachtete. Diesmal jedoch mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Irgendwie freute mich das. Mit dem Lächeln sah er viel freundlicher aus. Und hübscher.

„Mike, komm du?", fragte mein Bruder aus dem Gang und tauchte nach ein paar Sekunden im Wohnzimmer auf.

„Was ist los?", fragte er den Jungen und mich.

„Nichts", antworteten wir beide gemeinsam und ich freute mich ein wenig darüber. Billy der Sechzehnte war unser Geheimnis. Der Junge drehte sich ein letztes Mal zu mir um.

„Bis dann, Maria", verabschiedete er sich und legte seine Hand kurz auf meinen Kopf ab. Er war genauso groß wie Danny, mein Bruder, also ein Stück größer als ich. Wann habe ich ihm meinen Namen genannt?

„Mach's gut", verabschiedete ich mich und winkte ihm zum Schluss kurz zu. Ich denke auch heute ab und zu an diesen Tag zurück. Wer hätte damals gedacht, dass sich unsere Leben so entwickelnd würden? Dass wir so viel erleben würden...?

Close to youWhere stories live. Discover now