Prolog

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Ich sah in Logans moosgrüne Augen, vor schreck geweitet. Der Schweiß tropfte ihm über das Gesicht, das dunkle Haar klebte an seiner Stirn und sein Oberteil war mit Schweiß und Blut durchtränkt.

Meine Augen zusammen gekniffen, musterte ich ihn ohne eine Spur von Emotionen. Als hätte ich ihn niemals gekannt.

Immer wieder diese Bilder. In ständiger wiederholung. Sie machten mich wahnsinnig.

Ein greller angsterfüllter Schrei durchbrach die Stille. Grausam. Ihr Schrei drang durch Mark und Bein. Nie könnte ich diesen schmerzerfüllten Schreie vergessen.

Das kleine Mädchen kauerte zusammen gekrümmt in einer dunklen Ecke. Ihr atmen war schwach und ein leises wimmern war zu hören.

Alleine der Vollmond drang durch das kleine, vergitterte Fenster und erhellte den leblosen Raum.

Ein häufchen Elend lag da. Das Gesicht in ihren Armen verborgen. Sie war so verschmutzt, dass ihre Haut grau erschien. Ihr dunkles, langes Haar stand in alle richtungen ab. In ihrer Haut flackerten roten Striemen, das Blut tropfte auf den Steinboden und floss durch die Rinnen in den Schacht.

Mein Blut kochte hoch und schien in meinem Kopf zu explodieren. Ich sah nur noch rot!

Ich ballte meine Hände zu Fäusten, dabei schnitten meine Nägel frische Wunden in meine Handflächen. Ich atmete schwer. Die Wunden an meinem Körper brannten und warmes Blut Tropfte auf den hellen hochglanz Boden.

Doch Logans Zustand war um einiges schlimmer als meiner. Sein linkes Auge war vom Blut verdeckt. Seine Klamotten hingen in Fetzten an ihm und seine Arme zitterten.

Da nahm ich eine Gestalt neben mir wahr. Ich drehte mich um, bereit anzugreifen und sah direkt in Damian's Augen. Die bekannte Wärme, die normalerweise in ihnen lag, war verschwunden. Schock, Trauer und Enttäuschung stand stattdessen in ihnen.

Sein Gesicht war eingefallen und sah um einige Jahre älter aus. In all den Jahren, die ich ihn schon kannte und lieb gewonnen hatte, habe ich ihn noch nie so gesehen.

Da erst erkannte ich was ich getan hatte.

Ich blickte an mir herunter und schreckte vor mir selbst zurück.

"Was hatte ich getan!?", schallte es durch meinen Kopf. Mein Schwert war überzogen mit Blut und glitt mir vor Schock aus der Hand.

Das Geklapper des Metalls auf dem Steinboden schallte laut durch die stille Halle.

Ich taumelte zurück. ,,Was hatte ich getan?!", murmelte ich.

,,Damian", es war kaum mehr als ein Hauchen, das aus meinem Mund drang. Ich fing an zu zittern und stand den Tränen nahe. ,,Das wollte ich nicht", sagte ich so leise, dass es mehr für mich selbst bestimmt war.

Erschöpft schloss Damian die Augen für einen kurzen Augenblick und holte tief Luft. Als er sie wieder öffnete, sah ich nur Entschlossenheit in ihnen. Er streckte mir seine offene Hand entgegen, mit der Handfläche nach oben.

Ohne ein Wort zu wechseln wusste ich was er wollte. Ich wandte meinen Blick ab, aus Scham, hinab zu meiner silbernen, zarten Kette. Der ovale Anhänger sah so einfach aus. Doch bei genauerem Betrachten konnte man die verschnörkelten Linien und Zeichen um den kleinen purpurnen Stein erkennen.

Wie in trance zog ich mir die Kette die unser Band und unsere Stärke symbolisierte über den Kopf.

Es schien so unwirklich.

Schmerz durchzog meinen ganzen Körper und bohrte sich in mein Inneres. Meine Lunge schien vor Last erdrückt zu werden und eine tiefe Trauer durchdrang mich. Ich versuchte mich noch irgendwie auf meinen Beinen zu halten.

Erst jetzt sah ich um mich. Schüler und Lehrer standen wie Säulen regungslos da. Hunderte hasserfühlte Augenpaare starrten mich an. Manche waren auch vor schreck geweitet. Sie bildeten einen Kreis um mich herum.

Ich drückte die Kette in meiner Hand so fest zusammen, als ob mein Leben daran hinge.

Damit werden meine Kräfte entzogen. Verdient! Zieste eine wütende vor Abschaum triefende Stimme in mir.

Ich öffnete meine Hand. Die Kette hatte sich auf meiner Haut rot abgezeichnet. Ein leises Raunen und Geflüster kam von meinen Genossenen.

Ich stand mit hängenden Schultern vor Damian und legte meine Kette in seine Hand ohne ihn zu berühren.

Alles geschah wie in Zeitlupe.
Mein Kopf unfähig zu denken, wie in Watte gepackt und meine Gefühle verstummt.

Ich blickte zu Logan. Wie konnte ich ihm sowas nur antun?!

In seinen Augen standen die Tränen. Ich hatte Logan noch nie weinen sehen. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und im nächsten Augenblick klappte er auf dem Boden zusammen. Instinktiv wollte ich zu ihm, aber da eilten bereits einige Krankenschwestern herbei.

Damian hielt mich an der Schulter zurück.

Ich sah ihn an und er nahm mich in den Arm: ,,Verschwinde und halte dich im Verborgenen. Die Krähen werden nach dir suchen", flüsterte er mir ins Ohr.

Dann trat er einen Schritt zurück. Ich drehte mich um und konnte es immer noch nicht realisieren was gerade passierte.

Meine Beine waren so schwer wie Blei. Still liefen mir die Tränen übers Gesicht.

Ich hörte wie manche schrien und wütende Beschimpfungen nach mir warfen. Wie sie ausriefen doch alles prallte an mir ab.

Zwei meiner Gesellen begleiteten mich hinaus. Ich lief weiter, ohne darauf zu achten was hinter mir geschah. Erst als sich die schweren Türen hinter mir mit einem dumpfen Stoßen schlossen drehte ich mich um und sah zurück.

Ich starrte das große, alte, massige Haus an, welches mehr einem Schloss als einem Haus glich. An einigen Stellen war es bereits eingerissen, an anderen kletterte Efeu hinauf und bedeckte große Flächen. Rechts und links von der Tür zierten lange Schwerter das Haus.

Es vergingen ein paar Sekunden in denen ich nur hier stand und das große Haus anstarrte.

Dann verschwand es und blieb vor meinen Augen verborgen. Jetzt lagen da nur noch die Blätter auf dem Boden welche der Wind leicht aufwehte und tanzen ließ. Gelbe und grüne Bäume streckten sich in die Höhe und ganz schwach stachen die Sonnenstrahlen durch die Wolkendichte hindurch.

Was hatte ich getan?!
Rasende Wut auf mich selber, packte mich und ohne eine Sekunde zu verlieren rannte ich los.

In den Düsteren Wald. Ich rannte so schnell das ich meine Beine nicht mehr fühlen konnte. Vor meinen Augen verschwamm alles von den Tränen. Äste schnitten Wunden in meine unbedekte Haut. Ich stolperte nur so über den unebenen Boden.

Alles in mir Schrie vor Schmerz. Es zeriss mich innerlich. Doch meine Beine trugen mich weiter und weiter.

Mein Herz presste sich gegen die Brust und mein Atem kam nicht mehr hinter her. Zwischen den Bäumen stolperte ich und viel voller Wucht auf den Laub bedeckten Boden.

In diesem Moment realisierte ich erst richtig was ich alles verloren hatte.

Mein Team, meine Krieger, mein Zuhause und... meine Familie.

Eine Leere nahm mich vollkommen ein. Mir schnürt es den Atem zu. Ich krallte mich mit den Nägel in den Boden. Nach Luft ringend versuchte ich einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich drückte mein Gesicht in meine Arme und Atmete den Laub geruch ein.

Ich bin ein Monster!

Es brach alles aus mir aus. Ich fing jämmerlich an zu weinen und zwischendurch durchbrachen meine schmerzerfüllten Schreie das schluchzen.

Ich hatte alles verloren!

SeelenkriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt