Der Moderator

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Dann begann er, so ernst wie nur möglich: „Ich denke, du brauchst mehr Ausgleich und mehr positives in deinem Leben. Und wie erreichst du das? DU verbringst mehr Zeit mit mir! Und ich bin mir sicher, dass auch du die Kunst liebst."

Sie lachte wieder, und legte ihre andere Hand auf seine. Ihre Hände waren rau von der vielen Arbeit.

„Eine gute Handcreme kann ich dir zusätzlich empfehlen, sowie Arbeitshandschuhe."

Sie zwickte ihn, verzog die Mundwinkel. „Mit dir verbringe ich mehr Zeit, wenn ich mal beleidigt werden will."

Er wollte sich schon entrüsten, ließ es aber lieber doch sein. Er nahm sich vor, ihr eine Handcreme zu kaufen, für den Fall, dass sie ihn noch einmal berühren würde. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Frauen solche Hände hatten. Sie hatten weich und zart zu sein, weich und zart. Aber ein wenig Kraft darin war auch nicht schlecht. Ein kleines, kurzes Lachen entwich ihm. Jackie sah ihm in die Augen und schnaubte.

„Ich will nicht wissen was du gerade gedacht hast."

Seine Mundwinkel zuckten, als er ihren Blick erwiderte, aber er sagte nichts. Jedenfalls für einen Moment.

„Ein Gentleman schweigt und genießt."

Sie stöhnte und warf den Kopf zurück, während sie begann seinen Teller abzuräumen. Mit beiläufigen Bewegungen wischte sie den Tresen ab und nickte zu seiner mittlerweile leeren Kaffeetasse. Er schüttelte den Kopf, musste bald los. Er hatte nur nicht besonders viel Lust. Es lief nicht alles so, wie er wollte. Und das machte ihn unleidlich. Jackie wusste das, und machte sich ab und an darüber lustig. Also, eigentlich immer wenn sich die Gelegenheit bot. Das war doch recht häufig der Fall. Er könnte sich auch natürlich weniger über Dinge empören, aber das fand er noch unzumutbarer als Jackys Kommentare.

Er sah auf die Uhr, und entschloss, ein wenig zu früh einzutreffen. Er rief hinter den Tresen, dass er wie immer automatisch abbuchen lassen hatte, und sich auf den Weg machen würde. Sie rief einen Gruß zum Abschied zurück, und er ging los. Sein Büro war ganz in der Nähe seiner Wohnung, also konnte er entspannt laufen und ein wenig frische Luft genießen. Die Straßen waren noch nicht besonders voll, teilweise sah er gehetzte Menschen durch die Gegend laufen, wie aufgescheuchte Schmetterlinge schienen sie planlos herumzuirren. Eine Frau vor ihm an der Kreuzung lief erst ein paar Schritte nach rechts, dann wieder einige nach links. Dann entschied sie, doch geradeaus zu laufen. Belustigt sah er ihr zu, er musste selbst auch weiter geradeaus und sie lief vor ihm her. Sie trug schwarze Stiefel mit dickem Plateau, eine schwarze Strumpfhose und ein schwarzes Kleid. Darüber eine schwarze Jacke. Die Schwarztöne passten nicht zusammen. Er musterte sie, sie strahlte unendlich viel Nervosität aus. Es machte sie für ihn weniger attraktiv wie gehetzt sie in den Mörderschuhen lief. Eigentlich könnte sie ganz hübsch sein, aber dieses ruhelose...

Als er darüber nachdachte, drehte sie sich zu ihm um. Zu große Augen starrten ihn an. Vielleicht waren sie aber auch nicht zu groß, sondern zu sehr aufgerissen. Ihre Nase war schmal aber gewölbt, eine Hakennase. Die Wangenknochen sehr hoch. Das Gesicht spitz, die Lippen wirkten groß, aber spröde und nicht voll. Ihre Haare waren lila, die Augen ebenso. Er fragte sich, warum sie nichts an ihrem Gesicht hatte machen lassen. Wenn sie schon ihre Augenfarbe geändert hatte, hätte sie ja eigentlich auch noch einen Schritt weiter machen können.

„Hallo, ehm, entschuldigen Sie, also ich, ich..", begann sie mit einer hohen, brechenden Stimme zu stammeln. Er wartete ab, unterbrach sie nicht, auch wenn es ihm schwer fiel. „Ich möchte, also ich muss, also ich sollte weil ich gern würde, wenn Sie verstehen!" Dann begann sie zu lachen, machte ein paar Schritte zurück.

„Ich finde den Weg nicht."

Er zog eine Augenbraue hoch. „Benutzen Sie Alea nicht? Das ist doch ganz einfach..."

„Ja, ja!", unterbrach sie ihn und wedelte mit knochigen Händen sehr dicht vor seinem Gesicht herum. „Ich mag das nicht. Ich mag die ganze Technik nicht."

„Aber Sie haben doch ihre Augenfarbe ändern lassen." Er musste es einfach sagen, es war ihm von den Lippen gewichen bevor er denken konnte.

Sie lachte wieder. „Ne, das sind Kontaktlinsen."

„Was??"

„Kontaktlinsen. Ich stelle sie selbst her, sie legt man aufs Auge wenn man nicht richtig sehen kann und sie können es aussehen lassen, als wäre die Augenfarbe anders. Es ist etwas veraltet, aber mir lieber als eine Laseroperation."

Er starrte sie ungläubig an, und fing sich wieder. Er fragte forsch: „Wo wollen Sie denn überhaupt hin?"

Sie holte einen Block aus ihrer Tasche und starrte drauf. Dann hielt sie ihm das Geschreibsel hin - es war das selbe Büro in das auch er musste. Er seufzte. 

Cannibal PartyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt