8. Türchen

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Little Stone

Ungeduldig stehe ich in der Eingangshalle. Wieso kann die Zeit nicht schneller vergehen? Wieso muss sie so kriechen. Es kommt mir vor, als würde mich mein Leben gerade ärgern wollen, als säße es neben mir, würde mir zusehen und sich kaputtlachen.

Ich trete die ganze Zeit auf der Stelle. Ruhig stehen bleiben scheint für mich gerade ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Ungeduldig sehe ich auf die große Uhr, die über den beiden Türen hängt, doch wieder sind nur einige wenige Minuten vergangen. Ich verstehe es einfach nicht. Wieso dauert das nur so lange?

Mein Blick gleitet zu dem Monitor und endlich steht dort, dass die Maschine gelandet ist. Ich seufze und sehe mich um. Hier wird es langsam etwas voller, doch bis die Türen endlich aufgehen, kann es noch dauern.

Ich erwarte jemand besonderen. Natürlich erwarte ich jemand besonderen, sonst würde ich wohl kaum hier so nervös stehen und nicht abwarten können, bis ich ihn endlich wieder sehe. Es sind Semesterferien und mein Freund kommt zu mir. Ich wohne in London, er in Los Angeles. Das Problem liegt also auf der Hand. Wir sehen uns nicht allzu oft. Ich studiere hier und er hat dort bereits angefangen zu arbeiten, doch wenn mein Studium abgeschlossen ist, werde ich schauen, ob ich dann zu ihm ziehe. Wir sind jetzt ein Jahr zusammen und ich habe ihn seit vier Monaten nicht mehr gesehen. Also natürlich haben wir uns über Facetime unterhalten und telefoniert, aber das ist einfach nicht das selbe. So ganz und gar nicht. Ich vermisse seit vier Monaten seine Lippen auf meinen, das Gefühl, das meinen Körper durchströmt, wenn er mich umarmt, mich berührt, mich küsst und flüstert, dass er mich liebt, dass er mich so sehr liebt. Es ist einfach nicht vergleichbar, in seinem Arm liegen zu können und ihn ganz nah bei mir zu spüren.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und starre die Tür an, doch dass sie davon aufgeht und Louis heraustritt, ist eher unwahrscheinlich. Es dauert einige Zeit und dann kommen endlich die ersten Passagiere in die Halle des Ankunftsbereichs. Ich starre weiterhin auf die Tür, doch ich kann weiterhin keinen kleinen, brünetten, jungen Mann erkennen.

Ich werde wahnsinnig. Wirklich!

Dann öffnet sich die Tür erneut und endlich, endlich sehe ich meinen Freund!

Er tritt einen Schritt weiter nach vorne und Blick durch die Eingangshalle. Es ist mir egal, dass mich vermutlich gerade ansehen. Ich winke wild und grinse über das ganze Gesicht. Dabei kann ich seinen Namen nur leise flüstern, ich habe keine Luft zum Atmen mehr.

Er rennt auf mich zu, lässt dann plötzlich einfach seinen Koffer stehen. Er kippt um, aber das interessiert und beide gerade herzlich wenig. Stattdessen laufe ich nun auch auf ihn zu. Kaum bin ich bei ihm, springe ich ihm in die Arme. Naja ich springe direkt in seine Arme!

Ich lache nur und drücke mich an ihn. Endlich wieder diesen Louis-Duft einatmen, endlich wieder durch seine Haare fahren.

Dann lässt er mich wieder auf die Füße. Ich will ihn küssen, aber er hält mich zaghaft davon ab. Ich will erst fragen, wieso er mir diesen Kuss verweigert. Ich will ihn jetzt küssen! Endlich wieder seine Lippen auf meinen spüren! Verdammt und das jetzt sofort!

Dann merke ich etwas kaltes an meinem Nacken und meinem Hals. Ich lege meine Hand auf Louis und merke, dass er mir eine Kette umgelegt hat. Er lächelt nur, sagt nichts und ich fahre mit meinen Fingern zu dem Anhänger. Als ich die raue Oberfläche spüre, sehe ich etwas verwirrt zu der Kette und meine Augen werden groß, als ich es verstehe.

Ich blicke Louis perplex an, aber dieser lächelt weiterhin nur. „Ich liebe dich." sagt er, als wäre es absolut selbstverständlich. Ich fahre vorsichtig über den Anhänger und merke, wie sehr ich doch gerade emotional überfordert bin, als mir Tränen in die Augen steigen. Louis nimmt mich direkt in den Arm, hält mich fest und sagt immer wieder, wie sehr er mich vermisst hat, wie sehr er mich liebt, was ich nur zu gerne erwidere.

Es war letztes Jahr im Sommer. Ich lag am Strand und hatte die Augen geschlossen. Ich habe fast schon geschlafen. Jedenfalls hat mich dann plötzlich etwas am Kopf getroffen. Natürlich tat es weh und natürlich habe ich mich aufgesetzt, um zu sehen, was gerade passiert ist.

Louis ist zu diesem Zeitpunkt die Fußgängerpromenade entlang gelaufen. 5Was soll man groß drum herum reden: er hat einen kleinen Stein vor sich her gekickt und den habe ich nun einmal an die Stirn bekommen.

Er ist direkt zu mir gekommen, hat sich entschuldigt und dann, naja dann haben wir ein Eis gegessen. Er meint nun, dass er mich nicht eingeladen hat, um sich zu entschuldigen, sondern, weil er mich heißt fand, meine Art süß fand und mich kennenlernen wollte.

Erst habe ich ihn dafür etwas verflucht, dass er mich mit einem Stein abgeschossen hat, als ich fast schlief, aber jetzt bin ich der Meinung, dass es sich definitiv gelohnt hat.

Ich bin unendlich froh, dass wir uns kennengelernt haben, dass ich mich in ihn verliebt habe, es jeden Tag aufs neue tue und dass er diese Gefühle erwidert.

„Ich habe so lange gesucht, bis ich einen Juwelier gefunden habe, der mir das machen kann. Ich hoffe es gefällt dir." sagt Louis leise und ich drücke mich näher an ihn.

Er hat den Stein, wirklich diesen einen Stein in eine Kette umwandeln lassen! Ich weiß, dass er ihn damals in die Hosentasche gesteckt hat, damit er ihn nicht weiter vor sich hin schießt, aber mir war nie klar, dass er ihn wirklich behalten hat. Es ist das schönste Geschenk, das er mir hätte zu unserem ersten Jahrestag hätte machen können!

Dann küsst er mich endlich und ich habe das Gefühl, als könnte ich endlich wieder atmen. Schon komisch, denn gerade atme ich ja genau nicht! Es ist das Gefühl, als wäre man eine Ewigkeit unter Wasser gewesen und hätte nun endlich einen tiefen Atemzug gemacht.

„Ich liebe dich!" erwidere ich nun endlich und mein Freund fängt an glücklich zu lächeln. „ich dich auch Harry! Und jetzt lass uns endlich zu dir gehen!" er grinst. Ich kann nicht anders, als es ihm gleich zu tun und wir gehen zum Auto. In diesem Moment könnte ich nicht glücklicher sein.

für mein steinchen.

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