Chapter 6 - Er

550 32 9
                                    

»Verdammt!«, erklang es wieder aus dem Funkgerät.
Dann ein Jubelschrei: »Verdammt, Mann! Ich gewinne!«

Ich sah zu Ian, der sich ein Lachen verkneifen musste. Entschuldigend sah er mich an: »Er steht auf das Dramatische.« verteidigte er seinen Bruder.

»Manchmal hasse ich euch beide!« Trotzdem atmete ich erleichtert aus.
In diesem Moment schoss ein roter Flitzer um die Kurve, gefolgt von einem orange leuchtenden Wagen. Gekonnt driftete Aiden, überholte innen und zog an seinem Gegner vorbei. Aiden fuhr als Erster über die Ziellinie. Sein Zwilling reckte begeistert eine Hand in die Luft. »Woohoo!«, brüllte er halb ins Funkgerät, halb zu mir.

Wir sprinteten die Stufen hinunter zu unserem Wagen, aus dem ein schelmisch grinsender Aiden ausstieg. Er sah mich an, lachte über beide Ohren und warf die Arme in die Luft: »Da hab ich dich aber gekriegt, Prinzessin! Hast du dir Sorgen gemacht, ich könnte draufgehen?«

»Ja, verdammt!«, fuhr ich ihn gleichzeitig wütend und erleichtert an. Zwinkernd zog Aiden mich an seinen großen, warmen Körper. Ich umarmte ihn glücklich.

»Bekomme ich jetzt meine Belohnung?«, fragte er und tat, als wolle er seine Hose öffnen. Mit einem genervten Stöhnen warf ich die Hände in die Luft: »Ihr zwei treibt einen wirklich in den Wahsinn! Ich bin doch keine Crack-Nutte!« Beide Brüder verfielen in ein tiefes Lachen. »Jaja, sehr witzig!«, gab ich nur zurück, »Jetzt lasst uns die Kohle holen.«

»Aye-aye, Sir... ähm Madame!« Aiden und Ian salutierten synchron und folgten mir mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Widerwillig zahlte der Mann am Schalter uns bar 30 Riesen aus. Ian sog scharf die Luft ein: »Holà!« Zur Belustigung der Jungs steckte ich die Scheine augenzwinkernd in meinen Ausschnitt

Gerade als wir uns an unserem Wagen angekommen waren, wurde die Luft von einem ohrenbetäubenden Knall durchschnitten. Erschrocken zuckte ich zusammen, unfähig mich zu bewegen. Aiden riss mich auf den Boden und auch Ian duckte sich hastig hinter das schützende Metall unseres Autos.

Mit einem panischem Blick sah ich mich nach der Ursache um. Ein korrupt aussehender Mann im weißen Abzug hielt eine Waffe in der Hand und richtete diese auf einen am Boden liegenden Körper. »Das passiert, wenn man nicht zahlen kann!«, brüllte er und drückte erneut ab.

Entsetzt schlug ich die Hände vor den Mund. »Kann noch irgendjemand seine Schulden nicht begleichen?«, fragte der Mann mit einem gehässigen Grinsen auf den schmalen Lippen und sah sich suchend um.  An seinem Jackett prangte eine silberne Brosche in Raubkatzenform. Er gehörte also zu den Black Panthern. Der Junge, der vor seinen Füßen lag, war höchstenso alt gewesen wie ich. Ich hätte dort jetzt liegen können. Oder noch schlimmer Aiden, wenn er dieses verdammte Rennen nicht gewonnen hätte! Mein Herz schlug mir bis zum Hals, während Aiden schützend einen Arm über mich legte.

Verächtlich schnaubend stieg das Black Panther-Mitglied über die Leiche, die den staubigen Boden mit rotem Blut tränkte. Ein erschrockenes Raunen ging durch die Menge.

»Komm!« Aiden zog mich wieder auf die Füße und in den Wagen.


Als wir gemeinsam unser Loft betraten, hatten die Zwillinge mich auf ihre Schultern gesetzt und trugen mich königlich auf die Couch, wo ich weniger vornehm abgeladen wurde. Von der beklemmenden Stimmung von der Autofahrt war keine Spur mehr. Draußen war es bereits hell.

Jon kam sofort aus seinem Zimmer, um sich die vorgefallenden Geschehnisse schildern zu lassen. Auch Vic ließ sich dazu herab, sich zu uns zu setzten. Nur Daniel und Toni fehlten wie üblicherweise.

»Ihr hättet mal Jamies Blick sehen sollen, als sie dachte, Aiden stirb gleich, weil das Auto explodiert oder so!« Ian ließ natürlich die unspektakulären Aspekte in seiner Erzählung nicht aus.

»Ich habe das Geld hier.«" Ich deutete ernst auf meinen Ausschnitt, »Und bevor ich es nicht will, kommt da niemand ran.« Sofort verstummte das Gelächter. Ich schnaubte nur verächtlich. Richtig taffe Kerle.

»Eins will ich noch klarstellen«, Ian tippte sich mit dem Finger auf die Brust, »Ich hatte keine Angst, als der Schuss fiel.«
Aiden und ich sahen uns an und fingen dann gleichzeitig an zu lachen. Er war ein so verdammt schlechter Lügner. Victor unterbrach uns mit ruhiger Stimme: »Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie.«, murmelte er und strich durch seine blonden Haare, die er heute offen trag.

Himmel, was sollte das jetzt schon wieder heißen?

Ich erwiderte seinen durchdringenden Blick. Der Junge war viel zu ernst für sein Alter!
Victor hatte zwar mit Abstand mehr durchmachen müssen, als wie alle zusammen, aber dieser ausdruckslose Gesichtsausdruck machte mich irre! Ich schaute weg und atmete hörbar aus. Im Loft war es kalt und der Wind pfiff unangenehm durch die Risse in der Mauer. Also verzog ich mich in mein Zimmer und schnappte mir einen von Jons Pullis, die ich mir bei Zeiten... sagen wir mal... ausgeliehen hatte.

Noch während ich mich umzog, wurde die Tür aufgestoßen. Erschrocken wanderte mein Blick zu der Person, die ungebeten in mein Zimmer platzte. »Du schon wieder! Du darfst hier verdammt nochmal nicht rein.«, stöhnte ich, als Daniel den Raum betrat. Hemmungslos ließ er sich auf mein Bett fallen und grinste. »Es gehört sich nicht, sich an eine Lady heranzuschleichen!«, behauptete ich und verschränkte die Arme.

»Gut, dass du es erwähnst«, Dan sah sich spöttisch im Zimmer um und ließ seinen Blick höhnisch über die verstreuten Klamotten schweifen, die überall auf dem Boden lagen, »Siehst du hier irgendwo eine?«

Entschlossen zog ich ihn von meinem Bett hoch und schob ihn genervt zur Tür.

»Hey, ist das nicht Jonathans Pullover, den du da gerade trägst?«
Ich rollte mit den Augen, »Dir entgeht ja auch wirklich nichts!«

»Von Trieben gelenkt.«, säuselte Dan nur und hielt mich fest. Er ließ seine Stirn gegen meine sinken: »Ich fürchte, ich muss den Pulli konfiszieren. Zeihst du ihn für mich aus?« Er fuhr mit seiner Hand an meiner Seite entlang und versuchte, sie unter den Pullover zu schieben.

Entrüstet schlug ich ihm gegen die Brust und schob ihn von mir.
»Dan, wir hatten das geklärt!«, zischte ich ihn an.

Daraufhin lachte er leise: »Du meinst, als du mich stundenlang angeschrien hast, nur weil ich die küssen wollte? Das nennst du klären?« Es war aussichtslos! Der Junge würde es nie verstehen. Oder vielleicht wollte er es auch einfach nicht kapieren.

»Was willst du eigentlich?!« Verärgert sah ich ihn an.

»Oh, das weißt du ganz genau, Prinzessin.«, antwortete er flüsternd und ließ seinen Blick an meinem Körper herunter wandern.

»Was willst du jetzt von mir?«, verbesserte ich meine Frage. So langsam verlor ich die Geduld!

»Dir jemanden vorstellen«, schnurrte Daniel.

»Ne danke, dein Mädchen für eine Nacht will ich gar nicht kennenlernen!« Spöttisch zog ich eine Augenbraue nach oben.

»Doch, doch, komm! Ihn wirst du mögen.« Mit diesen Worten zog er mich einfach hinter sich aus dem Zimmer.

Ihn?


...

Crash Girl - Die Vergangenheit holt Dich einWo Geschichten leben. Entdecke jetzt