Kapitel 2: Löcher

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Mit einer Tüte voller Männerklamotten, begab ich mich zurück in die Wohnung.

Inzwischen war ein Tag vergangen, mein Besucher schlief netterweise auf der Couch. Als ich heute morgen beschloss ihm Ersatzkleidung zu besorgen, da sein originales Outfit vollkommen durchlöchert war, befand er sich im Tiefschlaf.
Bauch flach auf dem Sofa und rechter Flügel so weit ausgestreckt, dass er den Couchtisch bedeckte.
Den gebrochenen Flügel hatten wir am vergangenen Abend, mit Hilfe von GuteFragen.net und viel Verband, sogut wie möglich verarztet. Er schien einwenig beleidigt zu sein, dass ich die passend hilfsbereite Anleitung bei der Frage 'Was tun, wenn mein dummer Storch seinen Flügel gebrochen hat?' gefunden hatte.

Ich lies die Tür hinter mir in's Schloss fallen, zog Jacke und Schuhe aus, und ging mit der Tüte zum Wohnzimmer. Der Stum war zwar vorrüber, doch Regnen tat es immernoch.

Er saß auf dem Sofa, sein Zustand hatte sich über Nacht deutlich verbessert. Keine einzige Wunde war zu erkennen, bloß ein gebrochener Flügel. 

Was mich jedoch dreist aus der Bahn warf, war, was genau der Engel in den Händen hatte und mit begeistertem Ausdruck las. Es war eine meiner handgeschriebenen Geschichten.
Ich besaß eine große Liebe für Literatur, deswegen führte ich auch meine geliebte Buchhandlung mit Schweiß und Blut.
Seid jungen Jahren aber schrieb ich selbst, was auch immer mir durch den Kopf ging.

"Was tust du da?", fragte ich etwas perplex.
Natürlich wusste ich was er tat, doch ich konnte es immernoch nicht fassen. Noch nie hatte irgendjemand meine Geschichten gelesen.
Es war mein kleines Geheimniss.

Der Besucher schaute mit glänzenden Augen auf: "Hast du das hier geschrieben?"

Mir stieg die Hitze in die Wangen. Gefiel es ihm etwa?

"Ja, habe ich, aber es ist unhöflich in fremden Sachen herum zu schnüffeln!", brummend warf ich ihm die Tüte vor die Füße und setzte mich neben ihm.

"Du hast enormes Talent, Freya!", in sekundenschnelle wand er sich zu mir, sein gesunder Flügel platzierte sich auf meine Schultern, "Ich liebe deine Art zu schreiben, du bringst Gefühle echt gut über die Bühne, oder eher über's Papier. Und deine Figuren sind unglaublich toll!"

Mit so vielen Komplimenten auf ein Mal hatte ich nicht gerechnet, ich starrte auf meinen Schoß und bedankte mich kleinlaut.

Prompto tauchte miauend auf. Mit schiefem Kopf und seinem funktionstüchtigen Auge, musterte er die Tüte.

"Oh, was ist eigentlich hier drin?", ordentlich legte er die Zettel auf den Tisch, um nach der Tüte zu greifen.

"Klamotten für dich. Ich würde ungern wollen, dass du dich mit gelochten Sachen rumschlagen musst.", erklärte ich etwas selbstbewusster.

Mit einem Ruck, zog mich sein Flügel in seine Arme, für eine feste Umarmung.

"Danke dir, Frey, das wäre doch nicht nötig gewesen!", lachte er ohne mich loszulassen. Sein Lachen gleichte einer wunderbaren Melodie.

Ich war nicht unbedingt eine einsame Person, doch neben meinem Vater, Promto und meiner besten Freundin, war ich Niemandem so nah.
Also entfernte ich mich wortlos von dem Engel und stand auf.

"Natürlich ist es nötig gewesen.", meinte ich dann, "Du kannst dich im Bad umziehen. Ich, uh, bin in der Küche falls du mich brauchst."

Und dort kümmerte ich mich um das Mittagessen, nicht ohne vorher noch ein kaltes Glas Wasser zu trinken.
Mag er wohl gebratene Nudeln? Nehmen Engel eigentlich Nahrung zu sich?

Ehe ich den Herd anspringen lassen konnte, räusperte sich ein gewisser Jemand hinter mir.

Nach einem tiefen Atemzug drehte ich mich zu ihm, er stand etwas nervös am Türrahmen.
Die neue schwarze Hose hatte er bereits angezogen, doch sein Oberkörper war frei.
Verflucht sei der Himmel, er hatte einen atemberaubenden Körper.

"Die Hose passt aber das Shirt hat keine Löcher für meine Flügel.", er hielt mir den weißen Stoff hin, dabei fiel mir ein Dolch-Tattoo an seinem Unterarm auf, "Außerdem brauche ich Hilfe beim Anziehen, wegen meinem verbundenen Flügel."

Mein Kopf nickte und ich entnahm ihm das Oberteil.

"Nettes Tattoo.", kommentierte ich, als ich die Schublade öffnete, in der sich eine Schere befand.

Er bedankte sich schmunzelnd und setzte sich an den kleinen Essenstisch.
Seid wann durften sich Engel stechen lassen?
Mit diesen Flügeln würde ihn doch kein menschliches Studio ernstnehmen.

Sorgfältig schnitt ich zwei große Löcher in das Kleidungsstück, danach warf ich es in sein Gesicht.

"Warum ein Dolch?", ich versuchte gleichgültig und nicht all zu neugierig zu klingen.

Er stand auf, durchbohrte mich dabei mit seinem Blick: "Ich habe es mir nicht ausgesucht, Freya."

Dies lies mich verstummten.
Ich sah schweigend zu, wie er erstmal den Kopf durchschlüpfte, seine hellbraunen Haare waren anschließen ein Chaos, dann waren die Arme dran und schlussendlich sein gesunder, rechter Flügel.

"Jetzt müsstest du zur Hand gehen, meine Liebe.", bat er mit großen blauen Augen.

Mein Herz setzte für einen Moment aus. Wie kann ein Wesen bloß so attraktiv sein?

Mit ruhigen Händen führte ich den verletzten Flügel durch das neue Loch.

"Danke nochmal, für Alles.", sprach der Engel und ich wusste, dass nicht nur die Klamotten gemeint waren.

"Keine große Sache.", gab ich leicht lächelnd zurück und kratzte meine letzten Stücke Selbstbewusstsein zusammen, "Dürfte ich dir ein paar kleine Fragen stellen?"

"Schieß los.", seine Stimme war fest, jedoch spiegelten seine Augen das Gegenteil wieder.
Dieses Mal hatte er Angst und ich wünschte mir tief im Inneren, dass mein Blick ihn so magisch beruhigen könnte, wie seiner es immer bei mir tat.

"Hast du einen Namen?"

Er baß sich auf die pinke Unterlippe: "Mein Name mag etwas kompliziert für euch Menschen sein."

Diese Aussage verletzte mich.
Ich wollte nicht, dass er mich bloß als sterbliches, dummes Etwas sah.

"Aber mich würde es freuen, wenn du mich Dustin oder Dust nennen würdest!", kündigte er nun fröhlich an.

Meine Augenbrauen erhoben sich überrascht: "Sowie der Charakter in meiner Geschichte?"

Der Engel nickte heftig: "Dusty ist heldenhaft und unglaublich stark, ich wäre gerne so toll wie er!"

Ich konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen: "Na gut, Dustin."

Sein ganzes Dasein schien daraufhin zu leuchten, wortwörtlich.

"Würdest du mir denn anvertrauen warum du hier bist? Auf der Erde?", sprach ich sanft.
Es klang wahrscheinlich so, als würde ich mit einem Kleinkind reden.

Seine Antwort war simpel: "Um meinen Job zu erledigen."

FederleichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt