Kapitel 33

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(Lyschko&Tonda)

Es war ein kalter Tag. Lyschko saß mit Michal und Merten und ein paar anderen Burschen um den Kamin herum. Hanzo erzählte ein Märchen, aber Lyschko hatte schon lange den Faden der Handlung verloren. Das Herumhocken in der mollig warmen Stube machte ihn müde. Schläfrig fragte er sich, wo Tonda wohl war. Plötzlich ging die Tür auf und brachte Eiseskälte herein. Lobosch hatte ein paar Schneeflocken im Haar, und bis auf die vor Kälte gerötete Nase war sein Gesicht so weiß wie ein Bettlaken. Er schaute verstört in die Runde und setzte  sich dann etwas abseits ans Feuer.  Seine Augen waren merkwürdig trüb. Lyschko runzelte die Stirn und ging langsam auf den Burschen zu. Seit er und Tonda wieder glücklich vereint waren, hatte er sich Mühe gegeben etwas netter zu sein. Es war also eine gute Gelegenheit, seine Neugier zu stillen und etwas Gutes zu tun. Der junge Bursche sah so blass aus, dass Lyscko ihm besorgt die Hand auf die Schulter legte. Hoffentlich kippte er nicht auch noch um oder so.
"Lobosch, ist irgendwas?", fragte Lyscko unbeholfen. Trösten war noch nie seine Stärke gewesen. "Nee.", schiefte Lobosch und wich seinem prüfenden Blick aus. "Nur. Erschöpft." Er war ein erbärmlicher Lügner. Jeder konnte sehen , dass ihn etwas beschäftigte. Und zwar nichts Gutes. "Lobosch, du kannst mir vertrauen." Lobosch sah ihn misstrauisch an. Oh. Mist. Das war aus dem Munde eines jahrelangen Verräters nicht besonders glaubwürdig. "Mittlerweile bin ich ganz gut im Geheimhalten.", fügte Lyschko hinzu.
Lobosch starrte ins Feuer und sagte nichts. "Lobosch. Du musst nicht traurig sein. Was immer es ist, gemeinsam kriegen wir's schon wieder hin!" Den Spruch hatte er sich von Tonda abgeguckt. Zu seinem Entsetzen brach Lobosch in Tränen aus. "Ich soll nicht traurig sein? Wo ich.... Wo du...". Lobosch schluchzte vor sich hin und versuchte verzweifelt, den undefinierbaren Wortbrei zu einem vernünftigen Satz zu formen. Lyschko räusperte sich.
"Spuck's aus, Lobosch. Danach wird's dir besser gehen. Bestimmt." Mit einem weiteren verzweifelten Seufzer gab Lobosch nach. "Tonda...Wird sterben.", sagte er leise. Lyschko war sich sicher, dass er der Einzige war, der Lobosch zuhörte. "Wie kommst du denn darauf?",  fragte er entsetzt. Sein Herz hämmerte. "Shhhh", machte Lobosch und schaute sich schnell um. Lyschko hatte  gar nicht gemerkt wie laut er geworden war. Schnell senkte er die Stimme, die nun vielmehr ein Krächzen geworden war. "Was hast du gesehen, Lobosch? Du musst es mir sagen." "Er war am Wüsten Plan....mit einer Schaufel....Ich glaube, er hat sich sein eigenes Grab geschaufelt, Lyschko!"
Lyschko brauchte einen Moment, um wieder sprechen zu können. "Danke, dass du mit das gesagt hast. Er ist mir sehr wichtig, das weißt du." Lobosch nickte unter Tränen. Plötzlich stand Lyschko auf. "Wohin willst du?" "Tonda", sagte Lyschko nur und Lobosch nickte wissend. Die Tränen liefen noch immer in Strömen seine Wangen hinunter.
Fröstelnd rannte Lyschko hinaus aus der Stube. Der Kloß in seinem Hals war so groß, dass er kaum Luft bekam. Er war zu traurig um zu weinen. Und zu entschlossen.
Er fand Tonda zusammengekauert unter einem Baum sitzen. Schon von weitem merkte man, dass er fror. Er war bis zur Hüfte im Schnee versunken. Lyschko kam schnell auf ihn zu und ließ sich neben ihn fallen. Er war so erschöpft.
Tonda drehte den Kopf und sah ihn an. Sein Blick war unergründlich. "Du solltest reingehen, Lyschko. Dir ist kalt.", sagte Tonda ruhig. Fassungslos sah Lyschko ihn an. Dann fiel ihm ein, dass er ja eigentlich keine Ahnung haben sollte. "Nur wenn du mitkommst. Dir ist auch kalt." Tonda schüttelte den Kopf. "Ich muss meine Ruhe haben." "Soll ich gehen?" Tonda lächelte sein kleines, strahlendes Lächeln. "Nein,du bist die einzige Ausnahme." Irgendwas an seinem Lächeln sah falsch aus, verzweifelt. Kein Wunder.
Lyschko lächelte nicht zurück.
"Warum hast du es mir nicht gesagt, Tonda?"
"Was gesagt?", sein verwirrtes Gesicht hätte jeden ausgetrickst außer Lyschko.
 "Ich hätte dir schaufeln helfen können. Mein eigenes Grab direkt neben deinem, wie wär das?"
 Jetzt sah Tonda verärgert aus. "Falls du das meinst, was ich denke, kannst du dir das ganz schnell abschminken." Lyschko seufzte. "Mir war klar, dass du das sagst.  Aber wenn du nicht mehr bist, will ich auch nicht mehr leben. Du kannst nicht ohne mich gehen. Sterben tun wir zusammen. Und zusammen gehen wir in Himmel, Hölle, oder was auch immer."
Tonda strich ihm zärtlich über die Wange. "Das würdest du für mich tun? Dich einfach selbst umbringen?"
Lyschko zuckte mit den Schultern. "Warum sollte ich noch leben wollen,  wenn mein Lebensinhalt tot ist?"
Tonda sah ihn an und schüttelte langsam den Kopf. "Du hast noch dein ganzes Leben vor dir, Lyschko. Du kannst dich neu verlieben...." Lyschko schnaubte. "Auf einer Mühle, wo der Meister jedes Jahr einen umbringt und uns dazu zwingt seine Knochen zu mahlen!" "Lyschko! Hör auf damit, bist du denn komplett lebensmüde?" "Wieso? Das ist doch jetzt vollkommen egal. Du stirbst sowieso, also sterbe ich auch!" Tonda seufzte, aber er sagte nichts. "War das ein ja?" Tonda seufzte erneut. "Verlangst du wirklich, dass ich jemals zusagen würde, wenn du vorhast dich umzubringen?" Gegen seinen Willen kamen Lyschko die Tränen. "Nein", flüsterte er, "ich will nur nicht schon wieder von dir getrennt sein."
Tonda zog ihn in eine Umarmung. Er schien mit sich zu kämpfen.  "Das wirst du nicht. Ich will nicht dass du auch  stirbst, aber wenn es dein Wille ist, dann soll es so sein. Ich werde dich zu nichts mehr zwingen. Aber falls du dich umentscheiden solltest, werde ich da immer weiterleben." Er legte eine Hand auf Lyschkos Herz. "Ich werde mich nicht umentscheiden. Du bist mein Leben, und wenn dein Leben endet, so endet meines auch."

Verbote Liebe am KoselbruchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt