Nennt mich Sammy

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Sammy's Sicht:

„Samantha!"

Das warme Wasser der Dusche prasselte auf mich herab, als mein Vater erneut anfing zu brüllen. Normalerweise nannte er mich Sammy, wie alle anderen auch.
Doch wenn es richtig Ärger gab....
„SAMANTHA!"
Oh oh...

In Sekundenschnelle war ich aus der Dusche raus, angezogen, mit nassen, zerstrubbelten und herabhängenden Haaren und stand vor meinem aufgebrachten Vater.
„Meintest du nicht, es würde ganz schnell gehen?", blaffte er mich an.
Verdutzt schaute ich auf meine Armbanduhr.
„Aber Dad! Ich habe doch nur eine Stunde gebraucht!"
Bevor er etwas erwidern konnte, war mir Toby schon zur Hilfe geeilt.
„Kein Problem Mr. Hawthrone! Ich hätte auch noch weiter auf sie gewartet...", sagte Toby, mein bester Freund seit meiner Kindheit, und schaute mich einen kurzen irritierenden Moment etwas zu lange an. Eigentlich heißt er Tobias Verlac. Wir kennen uns seit dem wir geboren sind, denn unsere Eltern sind ganz gut befreundet und er begleitet mich nun schon mein ganzes Leben lang.
„Ich würde immer auf dich warten...", murmelte er leise vor sich hin, doch ich bekam davon nichts mit, da ich mich wieder meinem Dad zugewandt hatte.
„Danke Dad... Du kannst jetzt gehen“, sagte ich und bedachte ihn dabei mit einem Blick, der deutlich machte, dass ich jetzt gerne in Ruhe gelassen werden wollte. Stirnrunzelnd schaute er mich einen Moment lang an und verschwand dann gleich wieder in seinem Arbeitszimmer.

Amüsiert fing Toby an, mit einer meiner nassen Haarsträhnen zu spielen.
Toby ist ein richtiger Mädchenschwarm.
18 Jahre alt, groß gebaut, kräftig aber nicht zu kräftig, hat von Natur aus zerstrubbelte blonde Haare und große braune Rehaugen. Aber das allerwichtigste dabei ist:
Er ist ein Gentleman.
Solche gibt es in meinem Alter nicht mehr wirklich...
Man könnte meinen, es sei eine ausgestorbene Rasse.
Ich dagegen bin 17 Jahre alt, klein (1,52 groß um genau zu sein!), von der Statur her eher schmächtig, habe kinnlanges braunes Haar, ganz viele Sommersprossen und, laut Toby, goldene Augen.
Also genau das Gegenteil von ihm...

Man könnte meinen, Toby wäre einer Modelzeitschrift entsprungen und hätte sich zufälligerweise (wahrscheinlich auch noch aus Mitleid) mit mir angefreundet.
Er hatte schon mehrere Freundinnen gehabt, jedoch waren die Meisten nur oberflächliche Zicken gewesen, bei denen die Eifersucht immer von ihnen Besitz ergriff, sobald ich in der Nähe war.
Etwas warmes an meiner Wange holte mich wieder in die Realität zurück. Dieses warme Etwas war Toby's Hand, welche an meiner Wange lag. Er hatte sich leicht vorgebeugt und blickte mir fest in die Augen. Ich erschrak und riss die Augen auf. Wärme kroch langsam meine Wangen hoch und ich wurde rot.
Toby gluckste leise und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ich frage mich, wo du nur immer mit deinen Gedanken bist... Hast du gehört, was ich gesagt habe?"
Träge schüttelte ich den Kopf.
„Ich hab dich gefragt, ob du Lust hättest, jetzt etwas zu unternehmen?"
Langsam breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. „Aber erst muss ich noch...", sagte ich und deutete auf meine nassen Haare. Dann verschwand ich sofort im Bad, und kam ein paar Sekunden später fertig wieder heraus. Ich hakte mich bei Toby unter und brüllte über die Schulter hinweg noch meinem Dad zu: „Bin weg!"
Ohne hinzusehen ging ich, eingehakt bei Toby, weiter und knallte geradewegs gegen die Tür.
Toby verkniff sich ein Lachen, sein Glück aber auch!, und ich rieb mir die schmerzende Stelle am Kopf.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich sehr tollpatschig bin?

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Toby's Sicht:

Sammy und ich, wir wohnen in Littlehampton in den UK. Wir sind Nachbarn und unsere gemütlichen Reihenhäuser grenzen an den anliegenden Strand.

Wir haben uns als Kinder immer verkleidet. Einmal waren wir zwei Piraten gewesen und versuchten, uns die Insel auf der wir gestrandet waren (Littlehampton), genauer anzuschauen, damit wir nachts nicht zufälligerweise von einem Tiger angegriffen würden.
Jaah... Kinder und ihre blühende Fantasie.

Und dadurch, dass wir damals immer auf Entdeckungsreisen waren, kennen wir die schönsten Plätze hier.
Aber mein absoluter Favorit ist ein Platz auf einem kleinen Hügel am Wasser. Diese Ecke des Strandes ist meistens unbesucht und man hat einen einfach unglaublichen Ausblick auf's Wasser.

Sammy und ich hatten uns ein Eis geholt, waren ein wenig durch Littlehampton geschlendert und schließlich hierher gekommen, um uns den Sonnenuntergang anzuschauen. Wir wollten die letzten Tage der Sommerferien nochmal in vollen Zügen genießen, bevor die Schule wieder los ging. Es wird unser letztes Jahr.
Gemeinsam saßen wir hier auf dem Hügel und warteten, bis das Licht der Sonne, die Welt in eine unfassbar schöne, rot-goldene Kulisse tauchen würde.
Sie saß neben mir, hatte ihren Kopf an meine Schulter gelehnt und ihren Arm um mich geschlungen. Die Sonne leuchtete immer intensiver und schien aufzulodern. Es war einfach atemberaubend schön, jedoch konnte ich meine Augen nicht von Sammy abwenden.
Sie hatte sich schon wieder von mir gelöst, ihre Knie angezogen, die Beine mit den Armen umschlungen, den Kopf auf ihre Knie gelegt und beobachtete fasziniert die untergehende Sonne. Ihre Augen schimmerten strahlend, wie flüssiges Gold.
Sie war so wunderschön...
Schon seit geraumer Zeit war ich in sie verliebt. Sie bemerkte es nur nicht und deshalb wollte ich heute all meinen Mut zusammenkratzen und es ihr sagen. Ich hatte schon einige Freundinnen gehabt, doch keine war so wie Sammy. Immer wenn sie mich geküsst hatten, waren meine Gedanken nur bei ihr. Und dann versuchte ich, sie mit den Freundinnen eifersüchtig zu machen. Ich weiß, eine dämliche Idee. Ich schäme mich wirklich dafür..
In meinem Bauch flatterten schon Schmetterlinge, aber es waren welche, die ein ungutes Gefühl hinterließen.

Wenn ich es ihr sagen würde, was wäre, wenn sie nicht so fühlt? Würde ich damit unsere Freundschaft verlieren?

Ich holte ganz tief Luft und sagte, bevor ich es mir anders überlegen konnte: „Sammy? Wir müssen mal reden...“
Sie riss sich vom Anblick der letzten Sonnenstrahlen los und sah mich beunruhigt an.
„Schieß los, Buddy!“
Aus dem Haar, welches ihr Gesicht umgab, wie ein dunkler Heiligenschein, fiel ihr eine lose Strähne ins Gesicht.
Ehe ich mich's versah, strich ihr meine Hand zärtlich die Strähne hinter's Ohr.
Die Berührung verursachte in meinen Fingern ein angenehmes Prickeln.
Überrascht blickte sie mich an, wich jedoch nicht zurück, als ich mich vorbeugte und sie sanft an mich zog. Vorsichtig hob ich ihr Kinn an, den Blick auf ihren Mund gerichtet und beugte mich noch weiter vor, bis wir nur noch einen Zentimeter voneinander entfernt waren.
Plötzlich lag ein erschrockener Blick auf ihrem Gesicht und als sie merkte, was ich vorhatte, legte sie mir die Hände auf die Brust, schob mich sanft von sich und schaute betreten zur Seite. Mein Mund fühlte sich bitter an und ich hatte das Gefühl, mein Herz würde in zwei Hälften brechen.

„OMG, TOBY SCHÄTZCHEN!“
Oh nein...
Ich kannte diese Stimme nur allzu gut. Aber wenn ich ehrlich bin, war ich froh, dass sie diese unangenehme Stille zwischen Sammy und mir unterbrach.
Eine heftig winkende Blondine kam auf mich zugerannt. Sie hielt einen kleinen Chiuaua in ihren Armen.
Ich rang mir ein kleines Lächeln ab.
„Hallo Megan.“
Megan war eine meiner Ex. Auch wenn ich mit ihr Schluss gemacht habe, tat sie immer noch so, als wären wir ein Paar und wie üblich würdigte sie Sammy keines Blickes.
„Oh mein Gott, wir haben uns so lange nicht gesehen, mein Süßer!“
Bevor ich antworten konnte, stand Sammy auf und ging. Sie sah so aus, als müsste sie sich übergeben.
Wehmütig blickte ich hinter ihr her und beachtete Megan nicht weiter.

Hatte ich jetzt alles ruiniert?
Würde sie mir verzeihen?
Wird unsere Freundschaft noch genau so sein, wie sie mal war?

Megan setzte sich neben mich und blickte mich erwartungsvoll an.
„Und?“
„Was denn?“, erwiderte ich lahm.
Meine Gedanken waren immer noch bei Samantha.
Ungeduldig betrachtete sie ihre neonpinken, langen Fingernägel.
„Willst du mit mir auf den Abschlussball gehen?“
„Aber der ist doch erst im nächsten Jahr, oder nicht? Bis wir die Klasse beendet haben, dauert das ja noch eine Weile.“
Sie blickte mich an, als wäre ich von einem anderen Planeten.
„All meine Freundinnen haben jetzt schon eine Begleitung!“, sagte sie, als würde das alles erklären. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Also deutete sie mein Schweigen wohl als ja.
Strahlend blickte sie mich an, gab mir einen fetten Schmatzer auf die Wange und stand auf.
Bevor sie ging, sagte sie noch: „Wir müssen dann deinen Anzug meinem Kleid anpassen! Ich sag's dir, wir werden die Schönsten sein!
In diesem Jahr muss ich es unbedingt schaffen, die Ballkönigin zu werden!!!
Sharpay kann sich auf etwas gefasst machen, denn wir werden alle anderen überstrahlen!“
Megan zwinkerte mir noch einmal schelmisch zu und verschwand mit ihrem bellenden Hund, der in ein pinkes Kleidchen gezwängt wurde.
Innerlich hoffte ich, dass der Hund genügend Luft zum Atmen bekam. Denn so wie er aussah, mit einem aufgeblasenen Gesicht und riesigen Kulleraugen, scheint es so, als würde er jeden Moment platzen.

After the battle of Hogwarts ∞ When my life is upside downWo Geschichten leben. Entdecke jetzt