Es ist ein wunderschöner Sommertag. Wir schreiben den 18. Mai 2014. Ein Donnerstag. Die Sonne scheint durch das Fenster und erleuchtet das ordentliche, nicht allzu große, Jungenzimmer. Obgleich es erst kurz vor sechs Uhr morgens ist, ist es bereits taghell. Die Sonne beleuchtet den weißen Schrank, sowie die blaue Bettwäsche. Links von der Tür steht ein schwarzes Regal. Es ist mit blauen LED-Leuchten versehen und sieht schon ziemlich cool aus. So zumindest sagen es viele, die dieses Zimmer betreten. Rechts an den weiß gestrichenen Wänden hängen Poster von verschiedenen Bands. Darunter Led Zeppelin, the Beatles, the Cab und Volbeat. Auf dem Fenstersims neben dem Bett steht ein bereits beinahe verwelkter Kaktus. Offenbar wurde er nicht genug gepflegt. Ist er noch zu retten? Niemand wusste es so recht.
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"EVERYBODY' S GONE TO THE PARTY HAVE A REAL GOOD TIME. DANCING IN THE DES-", schrillte es plötzlich ohrenbetäubend laut von dem kleinen beigen Nachttisch rechts neben dem schwarzen Bett. Ein Junge im Jugendalter schlug entnervt auf den kleinen grauen Radiowecker ein, bis dieser endlich Ruhe gab, und drehte sich entnervt in Richtung der Wand entgegengesetzt des Nachttisches. Den Körper bis zum Hals in die Decke eingerollt und das Gesicht in dem schwarzen Kissen vergraben schloss er nochmal seine Augen. Aufstehen? Nein danke. Nicht für die Schule. Wozu auch? Brachte doch ohnehin nichts. "Bjarne! Du musst aufstehen sonst kommst du zu spät!", rief eine raue Frauenstimme von unten. Sie klang genervt und gestresst. Vermutlich war sie bereits eine halbe Stunde früher aufgestanden, um ihren drei Söhnen die Pausenbrote zu schmieren. Zu allem Überfluss waren die Zwillinge, neunjährig, bereits hellwach und gönnten ihrer Mutter an diesem Morgen keine ruhige Minute. Erneut rief sie nach ihrem ältesten Sohn. Als wieder keine Antwort seinerseits kam, ging sie entnervt die Treppen hoch. Könnte man die Pubertät nicht einfach mal überspringen?! dachte sie sich. Leider nicht. Bjarne machte ihr seit über einem Jahr nur Ärger. Er schwänzte die Schule ohne, dass sie es mitbekam. Er ging einfach aus dem Haus, jedoch nicht zur Schule, sondern lieber mit seinen komischen Freunde wo auch immer hin. Sie wusste es nicht, hatte das Schwänzen ihres Sohnes an sich erst erfahren, als sein Klassenlehrer eines Tages anrief. Natürlich hatte sie mit ihrem Sohn gesprochen, ihm natürlich eine Predigt gehalten und ihn bestraft. Nichts brachte etwas. Nicht einmal Hausarrest. Sie wusste nicht, was sie noch tun sollte, hatte Sorge das Jugendamt würde eines Tages vor ihrer Tür stehen, da ihr Sohn so oft die Schule verweigerte.
"Bjarne!", sie zog ihrem Sohn die warme blaue Decke weg. Sofort zuckte er zusammen, wollte sich wieder zudecken, doch seine Mutter hatte die Decke fest im Griff und bedachte ihren Sohn mit einem strengen Blick. Er sollte endlich aufstehen. "Mama!", meckerte der braunhaarige Junge und zog seine Gliedmaßen an seinen Körper, da ihn die Kälte regelrecht quälte. "Nichts Mama. Du stehst jetzt auf sonst kommst du zu spät zur Schule! Und heute gehst du, sonst wirst du Sanktionen spüren, die du bisher noch nicht kennst, junger Mann!" "Mama, lass mich!" "Nein!" "Doch!", schrie er und war augeblicklich aufgestanden, ins Badezimmer gelaufen und hatte sich dort verbarrikadiert. "Bjarne! Junger Mann, du kommst sofort raus und ziehst dich an!" Natürlich kam keine Antwort. Sie verstand ihren Sohn einfach nicht. Er hatte viele Freunde in der Schule, hatte sogar mit so manchem Mädchen dort bereits verkehrt. Was hinderte ihn? Natürlich, und das wusste sie genau, war die Schule in der Pubertät sicherlich nicht der schönste Ort. Und dennoch gingen andere Kinder doch auch hin, trotz Pubertät. Was machte sie bei ihrem Sohn bloß falsch? Die Zeit drängte. Sie musste die Zwillinge zur Schule fahren und auf die Arbeit. Es half nichts. "Ich muss jetzt los. Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder beeilst du dich jetzt und ich nehme dich mit oder du fährst gleich mit dem Bus. Ich werde mich bei deinem Lehrer erkundigen und wenn du nicht in der Schule warst, wird das ernste Konsequenzen haben, junger Mann!", sprach sie fest und warnend. Aus dem Bad kam nur ein brummendes: "Bus.", zurück, weshalb die Mutter sich mit den Zwillingen auf den Weg machte.
Bjarne saß währenddessen auf dem Boden des Badezimmers und stand langsam auf. Dieser Morgen war mal wieder total nervig. Er hatte keine Lust mehr auf diesen ganzen Stress. Sollte das Leben nicht mehr bieten? Wieso tat sich seine Mutter das überhaupt an? Sie hätte doch auch einen einfacheren Weg wählen können. Einen schöneren. Einen eigenen. Aber gut, ihre Schuld. Dann musste sie jetzt damit leben. Genervt öffnete er seine Nachttischschublade und holte seinen Flachmann gefüllt mit Vodka heraus und nahm einen tiefen Schluck. Er hatte gehört, dass es helfen würde, also hatte er es seit ein paar Tagen zu einem Ritual gemacht jeden Morgen eine gewisse Menge zu trinken, so wie jetzt auch. Nachdem er genug getrunken hatte, um leicht angetrunken zu sein, steckte er den Flachmann ein und zog sich an. Dann machte er sich auf den Weg zum Bus. Musik in den Ohren, Zigarette in der linken Hand und Hass im Kopf. Hass auf alles. Hass auf die Welt. Hass auf seine Geschwister. Hass auf seine Mutter. Hass auf seine Mitschüler. Hass auf seine Lehrer. Hass auf seinen nicht vorhandenen Vater. Hass auf die Vögel, die so fröhlich sangen. Hass auf sich selbst.

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"Morgen.", sagte er fröhlich, als er seine Freunde erblickte. Sie erwiderten seinen Gruß und die vier Jungen klatschten sich ab. Einmal schlug Bjarne versehentlich neben die Hand seines besten Freundes Lasse ins Leere. "Alter, hast du wieder gesoffen oder was?", lachte dieser und schlug erneut bei seinem besten Freund ein. Dieses Mal traf er. "Ja, Mann. Miese Zeiten und so. Kennst das ja.", lachte Bjarne und die Jungen machten sich auf den Weg ins Schulgebäude. "Junge, mach kein' Miesen. Morgens schon dicht oder was?" "Dicht nicht." "Wenn du meinst. Lass dich nicht erwischen, Bruder." "Du kennst mich." "Stimmt." Und so betraten die Jungen das Schulgebäude. Lasse und Bjarne waren Freunde seit Stunde Null. Ihre Mütter waren seit ihrer eigenen Schulzeit befreundet gewesen, weshalb die Jungen von Geburt an unzertrennlich waren. Lasse wusste nicht, was er von dem Verhalten seines besten Freundes halten sollte. Es ging bereits eine ganze Woche so. Doch er tat es damit ab, dass das ja jetzt sowieso cool war und Bjarne nicht der einzige des Jahrgangs war, der sich so verhielt. Darum machte er sich keine weiteren Gedanken über dieses Verhalten seines Freundes.
"Voll kein Bock jetzt auf Mathe. Der Hurensohn fuckt ab.", warf Bjarne ein, als sie sich auf ihre Plätze setzten. "Da versteht man nichts, oder?", mischte Paula sich in das Gespräch der Jungen ein. Sie saß vor Bjarne und Lasse, der ein Auge auf das rothaarige Mädchen geworfen hatte. "Ist echt so. Keine Ahnung, was der labert. Braucht eh kein Mensch.", antwortete Lasse ihr und sofort waren die beiden in ein Gespräch über ihren Hass auf den Mathematiklehrer verwickelt. Bjarne hatte sich zu Tom und Paul umgedreht und unterhielt sich mit ihnen über Gott und die Welt bis der Lehrer den Klassenraum betrat. In seiner Tasche die korrigierten Mathearbeiten.

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