"Leute!", begann Herr Slovak streng und ohne jegliche Begrüßung oder etwaige andere Formalität, "Ich bin erschüttert über eure Arbeiten! Ein Schnitt 5,1 ist inakzeptabel! Habt ihr nur Watte im Hirn?!" wütend packte er die Arbeiten aus und klatschte den Notenspiegel mit quitschenden Kreidebewegungen an die Wandtafel. Er war geladen. Deutlich geladen. Totenstille in der Klasse. Ein paar Streber begannen zu weinen, als die beste Note eine drei war. "Flennt nicht ihr Opfer.", lachte Bjarne und wurde sofort von Seiten des Mathelehrers ermahnt. Interessieren tat es den lässig auf seinem Stuhl sitzenden Jungen äußerst wenig. Auch als seine Arbeit vor ihm lag lachte er nur über die sechs. "Bjarne! Du gehst nach der Stunde unverzüglich zum Direktor! Eine solche Unverschämtheit lasse ich mir von dir nicht bieten. Deine Eltern werden informiert und vorgeladen. Dann werden wir weitere Sanktionen verhängen. Solltest du dir eine solche Frechheit wiederholt erlauben, sehe ich mich gezwungen dir einen Verweis zu erteilen!", spuckte der Lehrer plötzlich wutentbrannt die Worte vor Bjarnes Arbeit und schmiss sie auf seinen Tisch. Natürlich eine sechs. Doch statt die Aufgaben zu lösen, stand lediglich ein Gedicht in seinem Heft:
Schule ist scheiße,
Der Slovac ist ein Hurensohn!
Die Schiller hat 'ne Meise,
Mathe ist ein purer Hohn!Slovac, du willst mich verarschen,
keine ist verdient von deinen Gagen.
Bei der nächsten sechs,
hau ich dich weg!Ficken Sie sich alle ins Knie.
Wann lern ich hier was? Nie!
Die Scheiße brauch ich eh nicht,
Sie gefickter Wicht!Lasse, Tom und Paul lachten, nachdem sie dieses Gedicht gelesen hatten. Bjarne ebenfalls. Er entgegnete: "Jetzt müssen Sie nur noch Menschen finden, die ihr Gelaber interessiert. Haben Sie 'nen Schwanz im Mund oder wieso nuscheln Sie so einen Bullshit zusammen?" Mit solch einem frechen Verhalten seitens der Schülerschaft hatte der Lehrer nicht gerechnet. Die Klasse lachte während Herr Slovac seine runde braune Nickelbrille zurechtrückte und sich etwas verlegen räusperte. Bjarne sah ihn herausfordernd an. Er hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und wusste wie man einen Lehrer vernünftig provozieren konnte. In seinem Blick lag eine eindeutige Herausforderung an den Lehrer, was Krieg bedeutete. "Zum Direktor!", bellte Herr Slovac schließlich, als er sich endlich gefangen hatte. Noch niemals zuvor hatte er einen Schüler derart angeschrien. Diese Lautstärke und dieser Ton waren keinesfalls Gang und Gebe bei dem sonst so ruhigen, etwas tollpatschigen, doch sehr liebenswerten Mathematiklehrer. Mehr hat der nicht drauf? Dachte sich Bjarne und stand grinsend auf. "Aber gerne doch.", lächelte er den Lehrer an, nahm seine Sachen und verließ den Klassenraum. Jedoch ging er nicht zum Direktor, sondern geradewegs in den Park. Sein Ziel hier war es sich mit Timo zur treffen, einem Sandkastenfreund und neuerdings Dealer. Ein Blunt war nun der perfekte Weg zur Entspannung. Was vorher mit dem Lehrer passiert war, war dem Jungen total egal. Sollte er doch reden. Sie hatten ihn doch sowieso alle aufgegeben, wollten sich ohnehin nicht weiter mit ihm beschäftigen. Immerhin war er heute fast eine ganze Schulstunde in der Schule gewesen. Mehr als die letzten zwei Wochen zusammen.
„Timo, was geht?", Bjarne begrüßte seinen Sandkastenfreund mit einem Handschlag, die Schultern der Jungen berührten sich zur Begrüßung und als sie sich nahe waren raunte Bjarne in Timos Ohr die alles entscheidende Frage: „Hast du den Stoff?" „Wenn du das Geld hast." Die Jungen grinsten sich wissend an und Timo packte in einer dunkeln und abgeschirmten Ecke ein Tütchen mit weißem Pulver aus. „Mal was anderes.", grinste er schelmisch und baute zwei Straßen. Auch Bjarne grinste. „Geile Idee. Wie viel?" „20. Bekommst die eine Straße zum Probierpreis.", antwortete der Dealer und reichte ihm einen 5€ Schein zum ziehen. Bjarne übergab seinem Freund das Geld bevor sich die beiden Jungen das weiße Gold durch die Nase zogen.
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„Was ist nur mit dir los?! Ständige Anrufe aus der Schule! Beleidigung der Lehrkräfte! Schwänzen des Unterrichtes! Hast du eine Ahnung in was für Probleme du uns reinreitest?!" Bjarne sah seine Mutter mit leeren Augen an und zuckte nur die Schultern. Es interessierte ihn nicht. Für ihn interessierte sich ja schließlich auch niemand, wieso sollte er sich also für die Probleme anderer Menschen interessieren? Alles, was ihn interessierte war er selbst. Nichts sonst. Denn, so hatte er gelernt, bleibt niemand wenn die Zeiten schlecht wurden. Zu kompliziert. Zu schwierig. Zu unangenehm. Alles wollten es immer nur einfach. Möglichst unkompliziert. Doch dass sie selbst Leichen im Keller haben würden sie niemals zugeben. Bjarne fühlte sich als würde er von überall bloß ausgestoßen werden. Schon lange hatten sie bereits aufgehört zu fragen wie es ihm ging oder wieso er sich so verhielt. Er war für sie bloß ein weiterer Teenager, der nicht ganz rund lief und eine schlechte Phase hatte. Ja, eine Phase, so dachte sich Bjarne, war diese Sache sicherlich nicht. Als wäre er bescheuert und würde nicht merken was er sich antat. Sein Alkohol- und Drogenkonsum war besorgniserregend und absolut ungesund und das wusste Bjarne genau. Jedoch war sein momentaner Gesamtzustand nur noch besäufniserregend, weshalb es ihm mehr und mehr egal wurde, was er sich und seinem Körper damit antat.
„Wieso stehst du nur rum?! Ich rede mit dir!", schrie die Mutter ihren Sohn verzweifelt an, doch Bjarne gab lediglich ein monotones: „Ich bin nicht schwerhörig." von sich, drehte sich um, packte das Nötigste zusammen und verließ das Haus. Mit Kopfhörern in den Ohren ignorierte er seine Mutter und schlug den Weg Richtung Park ein. Doch nicht die wunderschöne Seite des Parks, wo Blumen und Bäume gedeihen und Familien gern in der warmen Sommersonne saßen und mit den Kindern Ball spielten. Nicht diese Seite das Parks, in die es Pärchen häufig zum picknicken hin zog, nein. Bjarnes Ziel war die andere Seite des Parks. Die Seite, zu der Timo ihn mehrere Male mitgenommen hatte. Jene Seite, wo sich viele obdachlose Jugendliche herumtrieben, tranken, rauchten, koksten. Jene Seite, vor der seine Mutter ihn und seine Geschwister stets gewarnt hatte. Jenes verbotene Terrain war nun nicht mehr bloß die dunkle Seite der Stadt, sondern bereits seit einigen Wochen ein Zufluchtsort für Bjarne geworden.„Guckt mal wer da ist.", lachte Livia, ein Mädchen in Bjarnes Alter, das vermutlich bereits seit einigen Jahren hier lebte und sich mit diversen Drogendeals und Gelegenheitsjobs im Rotlichtmillieu durchschlug. Ihre rosafarbenen Lippen hatten sich zu einem schelmischen Grinsen verzogen und ihre grünen Augen strahlten etwas ähnliches wie Sympathie aus. Livia war nicht das nette Mädchen von nebenan. Auf ihren Lippen lagen zumeist Schimpfwörter, die sie jedoch nicht immer ganz ernst meinte. Die langen schwarzen Haare hatte sie zu einem Dutt gebunden, der jedoch bereits nicht mehr ganz hielt.
Augenblicklich drehten sich auch Zane und Timo zu Bjarne um. „Was geht? Habt ihr noch einen Platz für mich frei?", fragte Bjarne grinsend in die Runde. Sofort klopfte Timo ihm auf die Schulter: „Für dich sowieso, Bruder. Setz dich." Er drückte Bjarne sofort ein Bier in die Hand und zündete sich selbst eine Zigarette an. Ohne Umschweife ergriff Livia das Wort: „Was machst du hier mit Gepäck und einer Fresse wie zehn Tage Regenwetter?" Bjarne war klar, dass weder Livia noch Zane oder Timo sich wirklich für seine Gefühle oder Gedanken interessierten. Sie waren lediglich neugierig was ihn dazu veranlasst hatte von daheim davonzulaufen. Also erzählte er was in der Schule los war und natürlich die Sache mit seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern. Er musste einfach dort weg. Es hatte keine Sinn mehr gehabt. Lieber verbrachte er seine Zeit am Abgrund der Gesellschaft mit Menschen, denen es ähnlich ging wie ihm, als in dieser spießigen Welt, in der man ihm vorschrieb was er zu denken und wie er zu sein hatte.
Timo war es etwa ein Jahr zuvor ähnlich ergangen, seitdem lebte er hier am anderen Ende des Parks mit Zane und Livia. Zane hatte früh seine Eltern verloren, weshalb er ein Leben auf der Straße vorgezogen hatte statt in ein Waisenhaus zu gehen. Eine ganze Weile noch hatte man nach ihm gesucht, es jedoch nach einigen Jahren aufgegeben, da jeder Versuch ihn ins Heim zu bringen meist durch eine Schießerei mit einer Straßengang, der er sich damals angeschlossen hatte, beendet wurde. Die Gang existierte jedoch in dieser Form schon seit Jahren nicht mehr. Dann hatte er Livia kennengelernt. Die beiden waren beste Freunde seitdem das Schicksal sie zusammengeführt hatte. Mit Timo waren sie irgendwann zu dritt gewesen und nun war auch Bjarne ein Teil der Gruppe. Über Livia wusste bloß Zane Bescheid. Sie hielt sich immer sehr verschlossen, wenn es um Persönliches ging, auch wenn sie sonst sehr aufgeweckt und stark schien. Bullshit, hatte Bjarne immer gedacht. Kein Wort glaubte er Livia, wenn sie sagte ihre Vergangenheit wäre unwichtig und unspektakulär. Zu sehr sprachen die vielen Narben überall auf ihrem Körper verteilt Bände.
Und nun war auch Bjarne ein Teil dieser abgestürzten Jugend und wurde mit deren Welt vertraut gemacht. Schon bald gehörten Drogendeals und Waffenschmuggel zu seinem Alltag genauso dazu, wie der Konsum von Drogen und Alkohol in hohem Maße.————
Hi, ich melde mich auch nochmal zu Wort. Ich hoffe euch gefällt dieses Kapitel. Lasst gerne Kritik da und was auch immer.
x H
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Alcohol
Teen FictionWie es wohl sein mag es einfach mal zu probieren? "Danach fühlst du dich besser.", haben sie gesagt. "Es wird dir gut tun.", ebenfalls. Der viel zu kurze Weg zur Sucht war für Bjarne gegangen ohne, dass er gemerkt hatte überhaupt einen Schritt zu t...