Kapitel 2

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Charly POV

Wir rasen in Höllentempo durch die dunklen Straßen Seouls, donnern über rote Ampeln, schießen über Kreuzungen, lassen uns von nichts und niemandem aufhalten.
Mit quietschenden Reifen schlingern wir um eine Kurve, ich werde zur Seite geschleudert und schnappe hastig nach dem Handgriff über der Tür.
"Schnallt euch lieber an Leute! Ist sonst zu gefährlich", rät Tae uns und ich betrachte ihn mit einem abschätzenden Blick.
'Ich wurde gerade angeschossen, in Lebensgefahr zu schweben ist schon fast zu meinem Alltag geworden und du erzählt mir was von gefährlich?', würde ich ihm am liebsten entgegen werfen aber die Schmerzen in meiner Schulter scheinen meine Stimmbänder zu lähmen.
Alles was meinen Mund verlässt ist ein schmerzerfülltes Zischen als ich zum gefühlt tausendsten Mal gegen die Fensterscheibe gedrückt werde.
"Mir wird schlecht...",schaffe ich es dann irgendwie hervor zu pressen und sofort reagiert Yoongi.
Er sagt etwas zu Tae und gleich darauf fährt die Fensterscheibe mit einem leisen Summen herunter.
Kühle Luft strömt herein.
Ich halte so gut es geht den Kopf nach draußen und atme tief ein.
Sofort lässt die Übelkeit nach.
Der Fahrtwind wirbelt mir die Haare ums Gesicht und ich lehne meine schweißnasse Stirn an den Metallrahmen.
Die Stadtluft riecht nach Asphalt und Abgasen.
"Geht's wieder?", fragt Yoongi besorgt und ich nicke schwach.
Zwar tut mir einfach alles weh und es fehlt nicht mehr viel dann laufen mir wahrscheinlich Tränen über die Wangen aber zumindest habe ich nicht mehr das Gefühl als müsste ich mich jede Sekunde übergeben.
"TAE BEEIL DICH VERDAMMT NOCHMAL!", hetzt Yoongi und kaut nervös auf seiner Unterlippe während er zu mir sieht.
"Ich fahr doch schon so schnell es geht!"
Ich ziehe meinen Kopf wieder zurück und lasse mich in das Lederpolster sinken, worauf die Fensterscheibe wieder hochfährt.
Eigentlich habe ich gehofft das ich mich irgendwie an den Schmerz in meiner Schulter gewöhnen könnte, doch da habe ich wohl umsonst gehofft. Eher im Gegenteil...
Inzwischen hat er sich zu einer explodierenden Macht entwickelt und schießt durch meinen kompletten Körper.
Es wundert mich das ich noch nicht ohnmächtig geworden bin, wegen den Schmerzen oder einfach wegen Blutverlust.
"Wir müssen irgendwie die Blutung stoppen...", stellt Yoongi nach einer Ewigkeit fest und ich lache leise auf, was allerdings eher nach einem verreckenden Pferd klingt.
Blitzmerker...
Kurz später habe ich einen Stofffetzen auf meiner Schulter und Yoongi nur noch die Hälfte seines Shirts. Sofort habe ich das Gefühl als würden die Schmerzen leicht abklingen und trotzdem läuft mir eine einzelne Träne der Verzweiflung über die Wange.
Ich will gerade meine rechte Hand heben um sie wegzuwischen, doch dazu kommt es nicht.
Ein markerschütternder Knall durchfährt meine Glieder und der Wagen wird aus der Spur geworfen.
Ich werde quer über die Rückbank geschleudert und pralle mit solcher Wucht gegen das Seitenfenster das ich Sternchen sehe.
Vielleicht hätte ich mich doch anschnallen sollen...
"Was ist los?", höre ich Yoongi wie aus weiter Ferne sagen. In meinem Kopf pocht es wie wild.
Ich rappele mich auf und schaue nach vorne zu Tae. Er packt das Lenkrad und gibt Vollgas während Yoongi panisch durchs Rückfenster blickt.
Was zum Teufel ist los?!
Plötzlich kurbelt Tae das Lenkrad herum und ich halte mich wohlweislich fest, doch es kommt so abrupt dass ich mal wieder gegen die Tür knalle und mir ein schmerzvolles Aufstöhnen nicht verkneifen kann.
Als wäre dieses Loch in meiner Schulter nicht schon genug!
"Verflucht! Wo kommen die jetzt her?!", ruft Yoongi und wirft erneut einen Blick über seine Schulter.
"Was ist hier los?!", schreie ich und versuche irgendwie über meine Schulter zu greifen um mich anzuschnallen.
Mit einem metallischen Klicken rastet die Schnalle ein und ich spähe nach draußen, kann aber außer Dunkelheit und Scheinwerfern nichts erkennen.
"Wir werden verfolgt!", erklärt Tae und beschleunigt unser Tempo, sofern das geht, noch mehr.
"Sorry Charly, aber die müssen wir erstmal abhängen bevor wir dich nach Hause bringen können!", meint Tae und ich beiße die Zähne krampfhaft zusammen.
Ach kein Problem!
Mein Körper fühlt sich an wie eine einzige klaffende Wunde und jetzt dürfen wir erstmal ein paar Typen abhängen.
Warum nicht?
Mit quietschenden Reifen biegen wir auf die Autobahn ab, die um diese Uhrzeit so gut wie verlassen ist .
Ich werfe ebenfalls einen Blick durch das Rückfenster und mir rutscht das Herz beinahe in die Hose. Ein rotes Auto ist nur wenige Meter von uns entfernt und kommt immer näher.
Ohne Vorwarnung gibt der Wagen Gas und versucht, uns zu rammen. »Vorsicht!«, schreie ich und drehe mich wieder nach vorne.
Tae reißt das Steuer herum, und der Porsche fliegt so abrupt nach rechts, dass mein Magen irgendwo in der Luft hängen bleibt.
Tae schafft es, dem Aufprall auszuweichen, doch wir schlingern wie verrückt hin und her.
Die Hände ans Lenkrad geklammert, die Muskeln zum Zerreißen gespannt, versucht er mit aller Kraft, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen.
"Achtung!", ruft Yoongi und deutet nach links wo der Wagen der Verfolger zu uns aufgeholt hat.
Tae bemerkt es viel zu spät und reißt ruckartig das Steuer herum.
Zu ruckartig.
Der Porsche gerät erneut ins Schleudern und verliert für einen kurzen Moment die Bodenhaftung.
"Sind die verrückt?!", schreie ich heraus.
"Die bringen uns noch alle um!"
Adrenalin pumpt durch jede kleinste Ader meines Körpers und lässt meine Schmerzen so gut wie verschwinden.
Zumindest etwas gutes...
Mein Kopf dröhnt und ich nehme alles nur gedämpft war.
Die quietschenden Reifen, heulende Motoren, das Blut das laut in meinen Ohren rauscht und das Hupen der wenigen Autos, die das Pech haben noch auf der Autobahn unterwegs zu sein.
Machtlos sehe ich zu, wie Tae mit schweißbedeckter Stirn und hervortretenden Halsadern versucht den Wagen wieder in seine Macht zu bringen.
Er macht einen Satz nach rechts, dann nach links, und schließlich hat Tae ihn wieder in der Gewalt.
Yoongi deutet hektisch nach rechts.
»Die Ausfahrt da vorne! Die nehmen wir!«
Ich schaue in die Richtung in die er gezeigt hat und erkenne das Schild das die Ausfahrt kennzeichnet.
»Alles klar«, murmelt Tae. Er wartet bis zur allerletzten Sekunde, reißt dann das Steuer herum und fährt mit Vollgas von der Autobahn ab. Ich drehe mich wieder um und stelle erleichtert fest das unsere Verfolger an der Ausfahrt vorbei gerauscht sind.
Noch ist auf der Autobahn zu viel Verkehr als wenn sie jetzt noch wenden könnten.
"Geschafft!", verkündet Tae triumphierend und ich lasse mich erleichtert wieder in meinen Sitz fallen.
Mein Herzschlag beruhigt sich langsam wieder aber auch meine Wunde fängt wieder unangenehm an zu Pochen.
Meine Sicht verschwimmt und schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen.
"Mir...wird schwindelig", meine ich abwesend und spüre wie Yoongi zu mir rückt.
"Durchhalten Charly!", befiehlt er und nimmt mein Gesicht in seine Hände. Ich kneife die Augen angestrengt zusammen um meine Sicht wieder aufzuklaren, doch es bringt nichts.
Meine Lider klappen zu und Yoongi rüttelt an meinen Kopf.
"Nicht einschlafen! Tae beeil dich verdammt!"
Einschlafen? Nicht bewusstlos werden würde es eher treffen.
Als ob ich bei diesen Schmerzen freiwillig einschlafen könnte...
Ich bekomme alles nur noch durch einen unwirklichen Schleier mit.
Wie Yoongi immer wieder an mir rüttelt um irgendwie zu verhindern das meine Augen zu klappen und wie Tae nach einer Weile den erlösenden Satz sagt.
"Wir sind da"
Ich höre eine Tür öffnen, wieder zu knallen und dann spüre ich vier Arme die mich Richtung Haus tragen.
"MACHT AUF!", brüllt Yoongi und klingelt ohne Pause. Die Tür öffnet sich und Jimin steht im Rahmen.
"Boa chillt mal ich kann nicht so schne- shit. JIN!", ruft er die Treppen hinauf und hält die Tür weit auf. Yoongi und Tae tragen mich ins Haus und legen mich auf der Couch im Wohnzimmer ab.

Until my last breathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt