Rabenfall (Teil 2)

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Sichtwechsel: Paleo

„Doch sei dir gewiss, Nichts ist so, wie es scheint.", dröhnt die Stimme des fürwahr übermächtigen Wesens. Nur schwerlich gelingt es mir, mich wieder aufzurappeln. Erfasse die Situation.
Sera: Ohnmächtig. Stark am Kopf blutend. Überlebenschance: Gering.
Boss: Ist just in diesem Moment durchbohrt worden. Sinkt blutend und leblos zu Boden. Überlebenschance: Gleich Null.
Oberst: Liegt reglos am Boden. Sein Schicksal: Ungewiss.
Axolot: Scheint bei voller Kraft zu sein. Klarer Gewinner der Situation.
Ich selbst: Angeschlagen. Zwei Rippen wahrscheinlich angebrochen. Tauber rechter Arm. Doch bewegungsfähig. Überlebenschance: 50%
Auswertung: Kritische Situation. Kampf ist nicht zu gewinnen.
Beste Taktik: Sera beschützen. Das war die oberste Prämisse des Bosses. Werde Axolot ablenken. Ihm zu tun geben. Kann ihn für exakt 15 Sekunden paralysieren. Danach Sera irgendwie zum sicheren Unterschlupf C geleiten, wo Black Cat wartet. Ihr beizubringen, was dem Boss widerfahren ist, wird mitnichten angenehm. Also los.

Verlangsamung meiner Atemfrequenz. Abrollen der Fußsohlen beim Gehen. Maximale Minimierung sämtlicher Geräusche, während ich mich der Zielperson nähere. Axolots Macht scheint den vorherrschenden Luftdruck zu erhöhen. Mir fällt es schwer, mich ihm zu nähern. Er scheint in Betrachtungen des Bosses vertieft zu sein. 4 Schritte. 3 Schritte. 2 Schritte. Nur noch einer. Forme währenddessen meinen Zeigefinger und den Daumen zu einer Handpistole. Vorsichtig lege ich sie an den Hinterkopf des aschgrauen Wesens an.
„Bang.", hauche ich und spüre förmlich, wie sich Axolot erschrickt. Auch er kann also überrascht werden? Interessant. Kanalisiere meine Kraft in die Fingerpistole und lasse gezielt Schallwellen auf meinen Gegner los.
„Was tust du da?", brummt Axolot sichtlich verärgert. Keine Zeit, um zu antworten. Ich bin bereits zu Sera geeilt, um sie über meine Schulter zu hieven. Noch habe ich Zeit. Erreiche gerade die Tür, als ich von etwas Unsichtbarem zu Boden gerissen werde. Kann Sera gerade noch so festhalten, damit sie nicht unnötig Schaden erleidet. Mein Blick fällt auf den veränderten Axolot, der mit nur wenigen Schritten direkt zu mir gelangt ist. Seine langen schwarzen Haare hängen ihm über seine vier gelbfunkelnden Augen. Die Armstumpen auf mich gerichtet. Etwas unsichtbares hebt mich in die Luft, auf die Beine. Wir stehen uns gegenüber. Damit habe ich nicht gerechnet. Neue Analyse.

Axolot: Scheinbar resistent gegen meine Kraft. Entweder das, oder meine Kraft wirkt abgestumpft. Seine Stimmung: Angriffslustig. Verärgert. Vermutlich über sich selbst und über mich.

Optionen: Flucht oder Kampf. Fluchtmöglichkeiten scheinen vergeblich. Ein Kampf ist ebenfalls nicht ratsam. Doch letzteres wird sich offenkundig nicht vermeiden lassen.
Auswertung: Geheimwaffe benutzen.

Es tut mir leid, Boss. Du bist stets gegen diese Taktik gewesen. Hinter all deinem Wahnsinn. Deinem Zynismus. Deiner Unbeschwertheit. Dahinter hat sich tiefes Wissen verborgen. Es war dein Job, über alles und jeden Bescheid zu wissen und die Fäden zu lenken. Und es gibt keinen, der das je besser hinbekommen könnte als du. Es gab nie einen stärkeren und verdammt nochmal gerisseneren Boss, als dich. Lass mich deiner Gedenken, indem ich Axolot zusammen mit mir selbst und dem ganzen verdammten Gelände in die Luft jage. Sera, ich hoffe, du kannst mir im nächsten Leben verzeihen.

„Du bist ein interessantes Menschlein. Nicht einmal im Ansatz so mächtig, wie der Halbdämon, aber interessant. Lass mich das schnell been- Was zum!", Ich lasse ihn nicht zu Ende reden. Blitzschnell umklammere ich Axolots Körper mit einem Arm. Mit der freien Hand, forme ich eine Fingerpistole und halte sie mir in den Mund. Schallwellen aus meinen Fingern gestoßen, dringen in meinen Mund, vermischen sich mit meinem Körperkreislauf und...

„Danke, Paleo.", sagt mit einem Mal eine zu vertraute Stimme. Ich blicke direkt nach vorne. Das kann nicht sein. Er ist doch tot. Und doch sehe ich meinen Boss, der sanft lächelnd vor mir steht. Er legt seine Hand auf meine Stirn und lässt den Schall in meinem Körper verpuffen. Danach finde ich mich, zusammen mit Sera im Unterschlupf C wieder. Was zum Teufel ist gerade passiert!? Der Boss hätte tot sein müssen. Er hat uns gerettet? Muss die Situation erst einmal neu kategorisieren.

Einauge-Saga (Creepypasta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt