Morgenmuffel

55 3 0
                                    


Ein kluger Mann sagte einst: "Nichts ist schwerer, als gar nichts zu machen."

Es ist wohl ein Tag wie jeder andere. Ich stehe aus dem Bett auf, mache mir Frühstück, putze mir die Zähne, ziehe mich an und gehe rechtzeitig aus dem Haus. Oh. Nein. Doch nicht. Das war einmal. Seit das Internet Mitte der Neunziger erfunden worden ist, richten wir unser Leben nach der kleinen elektrischen Box auf unseren Arbeitstischen, und später in unseren Hosentaschen aus. Denn wir sind uns in einer Sache sicher, egal wie unstrukturiert unser Leben jetzt aussieht, ohne dem Personel Computer oder dem Mobiltelefon wäre es um einiges strukturierter, und das wollen wir nicht. Also ist es ja doch nach etwas strukturiert. Irgendwie.

Naja, das Wichtigste vor dem Aufstehen, noch bevor meine Augen richtig offen sind oder eine Chance hatten sich an das heranbrechende Tagenslicht zu gewöhnen, ist es, das Handy in der Hand zu halten, zu entsperren und seine Nachrichten zu checken. Ich will nämlich gleich wissen, wer in der Nacht an mich gedacht hat und das Bedürfnis hatte mir das mitzuteilen. Meistens sind es dann doch nur betrunkene Voicemessages meiner männlichen Freunde, die beteurten, dass sie da eine aufgerissen hätten, so eine, wie sie im Playboy-Magazin zu finden wäre, wenn dieses denn seit Anbruch des Internetzeitalters noch gelesen werden würde. Trotz allem deutet dann irgendwie alles darauf hin, dass die Besagte sich gerade vom Acker machte, wenn es sie denn je gegeben hat. Die Freunde werden sicher beim nächsten Treffen mehr erzählen, sollte da tatsächlich etwas gelaufen sein und sie sich daran errinern können. Zwei Äquivalenten, die nicht zwingend zusammen auftreten müssen.

Naja. Haken dahinter setzten und weiter machen. Heute ist schließlich noch ein frischer Tag. Zumindest ein halber, denn wenn ich auf die Weckeruhr schaue, die neben meinen Handy auf dem Nachttisch zu liegen pflegt, ist es schon zwanzig nach zwölf. Das war wohl wieder nichts mit dem geplanten Frühaufstehen. Schwer zu sagen, ob es an den vielen Nachrichten liegt, die ich ja erst alle lesen und anschließend beantworten muss, oder an dem gestörten Schlafrytmus, den ich seit Monaten inzwischen nicht mehr auf die Reihe bekomme. Eins steht aber fest, jetzt muss ich bis mindestens nach Mitternacht aufbleiben, weil ich sonst nicht einschlafen kann. Ich habe ja noch zu viel Energie in mir und bin viel zu ausgeruht zum Schlafen.

Ich finde halb verschlafen meine Hausschuhe vor dem Bett und zwinge mich ins Badezimmer. Wird jetzt eigentlich auch Zeit, ist ja schon halb eins. Zahnpasta auf die Bürste und rein damit in den Mund. Drei Minuten meinte der Zahnarzt immer. Kriege ich locker hin, muss schließlich noch mich selber ausreichend im Spiegel betrachten. Ist das da etwa Akne? Nein, doch nicht. War nur ein Chipkrümmel vom Vorabend. Naja, drei Minuten sind rum, auspucken, Mund spühlen und Bürste zurückstellen. Die Verlegenheit ist groß noch ein Bad zu nehmen, aber dann komm ich nie mehr aus diesem Haus. Außerdem geduscht habe ich ja gestern schon.

Also auf, zurück ins Zimmer, zum Schrank, denn die Kleiderwahl für den restlichen Tag steht an. Wäre doch zu einfach gewesen das gestern vor dem Schlafengehen bereits erledigt zu haben. Soll es nun ein längeres Outfit werden bestehend aus Jeans und Pulli oder eher kürzer, freier, bequem, eine kurze Hose und T-Shirt mit ausgefallenem Muster? Welches Wetter haben wir überhaupt und habe ich heute noch etwas vor, was einen Dresscode verlangt? Da war doch dieser eine Geburtstag, der natürlich dementsprechend gefeiert werde muss. Aber braucht man für so ein Event besondere Kleidung? Moment. Oder ist die Feier doch erst morgen? Egal. Ich fühle mich gerade nicht danach mir weiter darüber den Kopf zerbrechen zu wollen, Facebook wird sich schon rechtzeitig melden und mich an meinen anstehenden Termin errinern.

Ich schnappe mir also das eine T-Shirt, das ich bereits gestern anhatte, und kombiniere es mit einer frischen Jeanshose aus dem hinteren Segment meines Kleiderschrankes. Ergänzt wird das Outfit mit dem einzigen Paar Sneaker, die ich im Moment besitze. Es waren schließlich Nike-Markenschuhe für den Neukaufpreis von einhundertunddreißig Euro und da bleibt einfach kein Geld mehr für ein weiteres Paar.

Naja. Handy, Schlüssel und Geldbeutel verteile ich in die Hosentaschen und trete aus der Tür, der Außenwelt entgegen. Habe ich eigentlich schon etwas zum Frühstück gegessen? Nicht, oder? Egal. Das Wichtigste war, dass ich die Möglichkeit genutzt habe während der Kleiderwahl mein Handy noch ans Netzteil gehängt zu haben, und so nicht mit 95 Prozent, sondern mit den vollen Einhundert das Haus zu verlassen. Nach heutigen Standards soll das ja eine um zwanzig Minuten längere Lebensdauer des Handyakkus bedeuten. Zumindest so in der Art.

Daily RoutineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt