Arbeitstier

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Während die einen sich auf Stränden Australiens sonnen, verbringe ich meine Freizeit mit Arbeiten. Was ich mit dem hart verdientem Geld anstellen soll, weiß ich allerdings auch nicht. Vielleicht verschlägt es mich auch eines Tages nach Australien und das soll ja bekanntlich viel Geld kosten. Also arbeite ich einmal die Woche von sechs Uhr morgens bis vierzehn Uhr. Eine Acht Stunden Schicht und dann ist auch wieder gut. Schließlich will man sich ja nicht sofort überarbeiten. Und etwas Freizeit soll noch bleiben, gerade, weil man im Verlauf des Lebens eh noch genug zum Arbeiten kommt. Das kann noch warten.

Ich arbeite im Supermarkt auf der anderen Straßenseite von meiner Heimatadresse. Das macht einen Arbeitsweg von etwa einer Minute und ist mit einer der Gründe, warum ich dort arbeite. Ein anderer ist, dass es dort anscheinend niemanden interessiert, sollte ich mal nicht erscheinen. Oder ich krieg es einfach nicht mit, weil ich dann ja nicht dort bin. So oder so, sind meine Kollegen eingentlich ganz Nette. Mein Chef hat keine Haare mehr auf dem Kopf und schüttelt fast immer mit genau diesem, wenn er mich sieht, sagt aber nichts. Die einzigen Worte, die ich mit ihm wechsle, sind immer beim Kasse reintun und Kasse rausnehmen. Er beschwert sich noch manchmal, dass ich nichts anständiges tue und mal arbeiten soll, aber das überhöre ich geschickt. Er soll mal froh sein, dass ich um sechs schon am Arbeitsplatz bin.

Die Kunden sind immer die selben. Pünktlich um Viertel nach sechs steht der Alkoholiker vor den Ladentüren. Zwei Fläschchen Schnaps und bis morgen. Einmal hatte er mir erzählt, der Alkohol sei seine Medizin und ohne könne er nicht mehr. Ich glaube ihm zwar nicht, aber er ist mir trotzdem irgendwie sympathisch. Direkt nach ihm steht schon die Managerin bereit. Vergleichlich mit einem Bösewicht, dessen Pläne vom Filmhelden gerade durchkreuzt worden sind, schaut sie murrend in meine Richtung. Ich solle schneller machen, weil sie in die Arbeit muss. Ein Kunde warte schon. Da kann ich nur gähnen und demonstrativ langsamer die Waren über den Kassenscanner schieben. Ich meine: Kann ich was dafür, dass sie ihren Start in den Tag so stressig geplant hat? Ich kassier sie ab, ehe sie in die Luft fluchend aus dem Laden verduftet. Die dicke Hausfrau rollt als nächstes mit ihren zwei vollen Einkaufswägen an die Kasse. Wer kauft denn bitte Stroh, Katzenstreu, Kerzen und Melonen gemeinsam? Vielleicht hat ihre Katze sie um einen romantischen Abend bei Kerzenlicht gebeten und die Melonen sollen auf dem Boden mit Stroh unterlegt serviert werden. Denkbar wäre es, schließlich sollen Katzen dazu neigen die Welt übernehmen zu wollen und, außerdem, muss jeder, auch Vierbeiner, mal klein anfangen. Wobei, wenn die Gehirnwäsche schon beim 50-fachen des eigenen Körpergewicht Früchte trägt, wundert es mich nicht mehr, sollten die Katzen eines Tages tatsächlich die Welt beherrschen. Beim Bezahlen ihrer Tausend Sachen schleckt sie ihren Zeigefinger jedes Mal neu ab, bevor sie mir einen weiteren 50 Euro Schein in die Hand drückt. Vier an der Zahl, Rückgeld raus und bis nächste Woche.

Mein Job macht mich fertig. Nicht, weil er so körperlich anstrengend ist, sondern viel mehr, weil ich mit so vielen Menschen zu tun habe. Mit jedem Kunden muss ich interagieren, freundlich und hilfsbereit wirken. Dabei ist es egal, ob ich es mit der sexiest-woman-alive zu tun habe, oder mit jemandem, dessen Gestank einem vom anderen Ende des Ladens bereits verrät, dass die deutschen Wörter Bad, Dusche, Seife und Wasser für den jenigen nur eine Ansammlung von Fremdwörtern aus einer fernen Galaxie bedeuten, die auf einer Materialbeschaffungsliste für den Bau einer Rakete zum Mars zu finden sind, als dass er die wahre Bedeutung und deren Zusammenhang verstehen würde.

Wo finde ich das?
Ist ausverkauft.
Es steht doch in der Werbung?
Soll ich es herzaubern?
Ruf mal den Chef aus, Bursche. Das gibt eine saftige Beschwerde.
Anschließend schreit mich mein Chef in seinem Büro an, erklärt mir anhand tausender vorgedruckten Plakate, dass Kundenunzufriedenheit der Grund für die schlechte Performance des Ladens sei und Recht hat er. Nur bin ich nicht Schuld daran und kann es auch gar nicht sein, wenn ich von sechs möglichen Tagen nur einen Halben vor Ort bin.

Meinen Chef kann ich händeln. So eine Standpauke bekommt jeder Mitarbeiter ein- bis zweimal am Tag, sofern man überhaupt anwesend ist, und es hat sich bisher nichts verändert. Und auch die Kunden, die gerne mal anstrengend sind, stellen nicht die große Herausforderung dar. Nur habe ich jedes Mal im Hinterkopf diese Angst. Einer von diesen Menschen könnte ich in ferner Zukunft sein. Und so will ich nicht enden.

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