Berlin ist die einzige Stadt Teil 2

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Und so gehts weiter:

Was für ein Leben auf den Straßen, vor allem im Vergleich zu der tödlichen Einsamkeit der Transitstrecke. So viele Menschen und vor allem so viele Autos! Leben eben!

Wir übernachteten in einer Jugendherberge, Machten am nächsten Tag die Demo mit, sahen Rudi Dutschke (Moment einmal, das Attentat auf Rudi Dutschke fand im April 1968 statt, also muss es 1967/68 gewesen sein), waren richtig gut drauf und riefen Sprüche wie: Ho Ho Ho tschi min!

Eine französische Gruppe rief Sprüche wie: US assasins, liberez le vietnam! (Übersetzung von einer, die wirklich nichts vom Französischunterricht behalten hat: Ihr amerikanischen Mörder! Gebt Vietnam frei! Oder so ähnlich.

War halt die übliche Prozession und dauerte die üblichen zwei Stunden.

Aber ich war nicht „drüben“, und ich kann mich auch nicht daran erinnern, in einer „Teestube“ gewesen zu sein. Ich kann mich eigentlich nur an die Demo erinnern, alles andere ist verschwommen.

Also muss es bei der anderen Reise passiert sein:

Es war im Herbst, und ich flog mit meiner Freundin Marlis nach Westberlin. Es war mein erster Flug überhaupt, und die Fluggesellschaft war die „British Airways“. Deutsche Airlines (es gab damals nur die Lufthansa) durften Westberlin nicht anfliegen.

Wir wohnten bei meiner Tante, die wiederum in einem winzigen nicht weit vom Ku’damm entfernten Appartment wohnte.

Es war eine grandiose Zeit, wir waren in Kreuzberg in angeblichen Künstlerkneipen, wir waren bis in die Puppen in anderen Kneipen, denn in dieser schönen Stadt gab es keine Sperrstunde, und es gab großzügige Menschen, die netten Mädels aus dem Ruhrgebiet die Getränke ausgaben...

Und natürlich fuhren wir nach Ostberlin.

Wir fuhren mit der S-Bahn, und die Formalitäten waren erstaunlich kurz. Man wollte nur unsere Kohle. Ich glaube, es waren 20 DM, und das kam uns damals sehr teuer vor. Aber die Versuchung war zu verlockend, dieses exotische Land einmal in Natura zu sehen. Für diese 20 Mark erhielten wir einen gewissen Gegenwert im Werte von 20 Ostmark. Das war, wie wir später feststellen mussten, eine grandiose Summe, nur leider konnte man sich nicht viel dafür kaufen.

Als wir in Ostberlin ausstiegen, sah alles ziemlich normal aus. Nur ein Typ nervte uns, er quatschte uns permanent an und wollte Kugelschreiber von uns haben. Ich überließ ihm schließlich meine beiden.

Danach versuchte ich, Zigaretten an einem Automaten zu ziehen, das klappte hervorragend, der Automat schluckte das leicht Ostmarkzeug und spuckte dafür Zigaretten aus. Aber die schmeckten beschissen, erst einmal waren sie ohne Filter, und sie schmeckten eben beschissen. Ich weiß leider nicht mehr, wie sie hießen. Irgendwas mit „Karo“ oder so ähnlich.

Aber die Bauten waren unbeschreiblich überwältigend, die Straßen waren sehr breit, und vor allem waren kaum Autos auf den Straßen zu sehen. Vielleicht kamen sie mir deswegen so breit vor.

Als wir uns müde gelaufen hatten, wollten wir in das neue riesige Cafe am Alexanderplatz gehen, aber da war es brechend voll, und wir hatten keine Lust, uns in die Warteschlange einreihen. Ein paar Nebenstraßen weiter fanden wir ein anderes Cafe, es erinnerte an ein Wiener Kaffeehaus, und es war fast leer. Der Kaffee schmeckte ein wenig dünn, aber der Apfelkuchen war klasse, wenngleich die Sahne dazu gar keine richtige Sahne war, sondern wohl aus dem Versuch einer geschlagenen Kondensmilch bestand.

Am Bahnhof nervte uns dann wieder ein Typ, der unbedingt Kugelschreiber haben wollte. Ich hatte keinen mehr, aber Marlis fand noch einen...

Wir fuhren also heim, wirklich heim in das Leben, von weitem sahen wir schon die freundlichen Lichter von Westberlin, es war so, als wären wir heimgekehrt (auch wenn ich mich wiederhole, es war so). Und der Ku’damm begrüßte uns mit prallem Leben.

Wir fanden schließlich in einer Nebenstraße eine Kneipe, die uns vorzüglich gefiel. Sie hieß „Teestube“, die Typen darin sahen alle nicht schlecht aus, und wir kamen ganz gut bei denen an, vor allem Marlis, die aussah wie eine Mischung aus großäugigem Rehlein mit Schmollmund und einem Vamp im Minirock und überkniehohen weichen Wildlederstiefeln. Marlis selber war fast perfekt und überwältigend, aber meine Beine waren schöner als ihre. Na immerhin etwas!

Und ich lernte tatsächlich einen sehr interessanten Typen kennen, er sah zwar nicht klassisch schön aus, war dafür aber sehr intelligent und zynisch. Er trat in der Teestube auf als Mitglied einer Zweiertruppe, genannt die „Edelweiß-Sisters“. Natürlich vertiefte ich diese Bekanntschaft nicht, ich war damals viel zu jung für so etwas, ich fühlte mich nur wahnsinnig geschmeichelt, dass dieser Typ, dessen rechtes Auge irgendwie total vermatscht aussah, sich irgendwie für mich interessierte. Wahrscheinlich herrschte Frauenmangel in Westberlin.

Oh, allmählich kommt’s mir! Ich hatte keine Kugelschreiber mehr, weil alle in Ostberlin geblieben waren und schrieb deswegen meine Notizen mit Lippenstift in mein kleines rotes Büchlein. Das war’s dann. Alles fast klar!

Seltsamerweise fand ich noch einen Eintrag mit K. in meinem kleinen roten Büchlein. Es war zur Zeit der Essener Songtage, als ich im ehemaligen Olympia-Kino war, um diverse Gruppen anzuschauen, unter anderem die „Mothers of Invention“ mit Frank Zappa. Und wieder lernte ich K. kennen, der mittlerweile recht berühmt geworden war, und wieder vertieften wir unsere Bekanntschaft nicht.

Ich hatte nämlich irgendwie meine Tasche verloren mit allem möglichen Zeugs drin und ging lieber nach Hause als in das Zeltlager am Baldeneysee, wo die ganzen Berühmtheiten campierten und wohin mich K. eingeladen hatte. Als ich eine halbe Stunde später zuhause war, brachten mir wohlwollende Festivalbesucher meine Tasche vorbei, aber da war es natürlich zu spät, um ins Camp zu fahren und der Lust zu frönen. Quatsch, Lust! Auch zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht so weit. Ich war eben die absolute Spätzünderin.

Was hätte also unter anderen günstigeren Umständen werden können zwischen K. und mir? Ich denke: Nichts.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 23, 2014 ⏰

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