Kapitel 2

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♤NATH♤

Der Motor des alten Motorrads unter mir heulte gequält, als ich durch die Straßen von San Francisco jagte, vorbei an ausgebrannten Autowracks und zerstörten Gebäuden.
Die Spuren dieses Krieges waren deutlich, die Kämpfe hatten tiefe Narben im Angesicht der Stadt hinterlassen, doch während meine Freunde hier ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, war ich in der Hölle gewesen, hatte versucht all die Ereignisse, die mich dorthin gebracht hatten, zu vergessen.
Und nun waren sie alle tot.
Nun war Emilia tot.
Mein Verstand konnte es noch immer nicht verarbeiten, als die Worte Perrys Mund verlassen hatten, war ich wie betäubt gewesen, hatte ihn nur gefragt, wo sie gestorben war und war aus der Bar gestürmt, während der Kampfmagier Jack zurückgehalten hatte.
Ich hatte mir ein Motorrad geschnappt, es kurzgeschlossen und war losgerast, zum Golden Gate Park, der Ort, an dem Emilia gefallen war.
Mit mehr als 100 km/h schoss ich über die Straßen. Nur am Rande bemerkte ich, dass in einer Nebengasse die Scheinwerfer eines SUV's aufflammten und ein Motor gestartet wurde.
Ich blendete alles aus, mein Kopf war wie leer gefegt, als ich kurz vor dem Park zum Stehen kam.
Die Straße war blockiert von einigen zerstörten Autos, um die sich dichte Ranken geschlungen hatten und eine Art Schutzwall bildeten, der über zwei Meter hoch war.
Das war Emilias Werk, dessen war ich mir sicher.
Achtlos ließ ich das Motorrad umfallen und sprang über die Autos hinweg. Als ich landete und mich umsah, stockte mir der Atem.
Ein Bild der Zerstörung bot sich mir, der gesamte Park war von einer dicken Schicht Asche bedeckt, die fast knöcheltief war.
Die meisten Gebäude waren vollständig zerstört worden, nur vereinzelt ragten Trümmerstücke aus der Asche.
Hier waren gewaltige Kräfte am Werk gewesen, Götter, die jahrhundertelang in der Hölle geschmort und nun ihren Hass und ihre Wut entfesselt hatten.
Ich stapfte langsam durch die Asche, ließ die Verwüstung auf mich wirken, als etwas mein Bewusstsein streifte, wie ein sanfter Frühlingswind, der einen vertrauten Geruch mit sich trägt.
Alles in mir zog sich zusammen und ich wandte mich nach Westen.
Ich kannte diese Energie, erkannte diese Aura.
Emilia.
Ich wollte rennen, doch meine Beine weigerten sich.
Langsam, quälend langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, lief vorbei an Schwertern und Speeren, die im Boden steckten, erblickte schwarze, verbrannte Knochen, die von einer feinen Ascheschicht bedeckt waren.
Das hier war nicht nur die Asche von Pflanzen und Gebäuden, nein, das hier waren auch die sterblichen Überreste meine Freunde.
Mir wurde übel, fast hätte ich mich übergeben, doch ich zwang mich dazu weiter zu gehen.
Am liebsten wäre ich geflogen, doch mir fehlte die Kraft dazu und so ging ich weiter, Schritt für Schritt, in die Richtung, aus der ich diese Aura wahrgenommen hatte.
Ich wusste nicht genau, wie weit ich gelaufen war, geschweigedenn wie lange, als ich sie erblickte.
Eine kleine, rote Blume, die auf einem Hügel wuchs, dem verbranntem Boden trotzte und ihre Blütenblätter dem Sternenhimmel entgegenstreckte.
Meine Schritten wurden schneller und als ich auf dem Hügel vor der Blume stand, stockte mir der Atem.
Vor mir befand sich ein großer Krater, der fast schon wie ein Tal wirkte.
Überall wuchsen Blumen aus der Asche, hier, wo nichts überleben konnte, gespeist durch eine Magie, die den gesamten Boden tränkte.
Der Ursprung dieser Magie war ein Hibiskus-Baum, der am tiefsten Punkt des Kraters stand und trotz der Jahreszeit Blüten trug, die so rot waren wie Emilias Haar und Blätter, die so grün waren wie ihre Augen.
Ich stolperte den Abhang hinab, darauf achtend, dass ich auf keine Blume trat und fiel vor dem Baum auf die Knie.
Heiße Tränen rannen meine Wangen hinab und fielen lautlos in die graue Asche.
Ich weinte stumm und streckte meine Hand aus, um die Rinde des Baumes zu streicheln und in dem Moment, in dem ich das Holz berührte, fuhr pure Magie durch meinen Körper und mein Verstand wurde von einer Flut aus Emotionen überschwemmt.
Angst, Verzweiflung und tiefe Trauer.
Aber auch Hoffnung, Mut und Liebe.
Mein Körper verkrampfte sich und ein lautloses Schluchzen drang aus meiner Kehle, als ich begriff.
Dieser Baum war keine Schöpfung Emilias, dieser Baum war Emilia.
Ich wusste nicht wie, aber als Ares und Horus ihren Körper zerstört hatten, musste sie alle ihre magische Energie auf einmal genutzt haben, um ihre Seele in diesen Baum zu verwandeln. Und diese Magie war so mächtig, dass sie all diese Blumen mit Energie versorgte, um diesem Ort ein wenig Leben einzuhauchen.
Kraftlos sackte ich nach vorne und lehnte meinen Kopf an den Baum. Eine einzelne Träne rollte über meine Wange und fiel auf eine Wurzel des Hibiskus.
Ich hatte versagt, trotz allem hatte ich Emilia nicht retten können und sie war in dem Glauben gestorben, ich sei tot, ich hätte mich für das Wohl der Welt geopfert.
Plötzlich geriet der Boden unter mir in Bewegung, die Wurzeln bewegten sich und schoben einen langen, schlanken Gegenstand an die Oberfläche.
Mit dem Ärmel meines Mantels wischte ich mir die Tränen vom Gesicht, und schloss dann vorsichtig meine Finger um den Gegenstand.
Ich erkannte die schwarze Klinge sofort. Es war der Obsidian-Dolch, den Emilia von dem Schmied Azazel geschenkt bekommen hatte. Und als meine Finger über die unterarmlange, leicht asymmetrische Klinge strichen, spürte ich noch etwas, eine Art stummen Wunsch, kaum mehr als ein Flüstern in einem tosendem Orkan und doch verstand ich.
"Ich liebe dich, Feuerlöckchen...", flüsterte ich mit heiserer Stimme und gab ihr gleichzeitig ein stummes Versprechen.
Ich würde sie rächen, würde die gefallen Götter töten und die Ordnung dieser Welt wieder herstellen.
Emilias Tod durfte nicht umsonst sein, und wenn ich mein eigenes Leben dafür opfern musste, ich würde kämpfen, für Emilia, für meine Freunde und für alle, die in diesem Krieg gefallen waren.
Meine Hand schloss sich fest um den Dolch und langsam erhob ich mich.
Ein letztes Mal legte ich meine Hand auf den Baumstamm.
"Es tut mir Leid", sagte ich leise und wandte mich um, als ich das Geräusch von Waffen hörte, die entsichert wurden und mir jemand mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchtete.
"Waffe fallen lassen!", schrie jemand und geblendet drehte ich den Kopf weg, machte aber keinerlei Anstalten, den Dolch fallen zu lassen.
Meine Augen gewöhnten sich rasch an die plötzliche Helligkeit und ich entdeckte ein Dutzend Gestalten in militärisch anmutenden Uniformen, die Sturmgewehre auf mich gerichtet hatten.
Sie alle trugen das gleiche Symbol auf Schultern und Brust.
Ein Skorpion, vor zwei gekreuzten Speeren.
Ich wusste nicht, wer sie waren, aber ich spürte zwei Dinge deutlich.
Keiner von ihnen war vollständig menschlich und sie alle waren schon mal hier gewesen. Sie hatten dabei geholfen den Widerstand zu bekämpfen und meine Freunde zu töten.
"Waffe fallen lassen!", schrie die Stimme erneut und ein einzelner Schuss peitschte durch die Luft und zerfetzte meine Schulter.
Schmerzerfüllt zuckte ich zusammen, doch nur wenige Sekunden später war die Wunde bereits wieder verheilt.
Ich spürte ein leichtes Ziehen in meinen Augen, als sich diese schwarz färbten und richtete den Dolch auf den Schützen.
"Das war sehr töricht", knurrte ich. "Ihr hättet fliehen sollen, als ihr noch die Gelegenheit dazu hattet, denn jetzt ist es zu spät."
Und mit einem wortlosen Schrei breitete ich meine Flügel aus und stürzte mich auf die maskierten Gestalten.

GötterdämmerungWhere stories live. Discover now