Gedanken

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Ich sitze an meinem Schreibtisch und starre auf das leere Papier, neben mir ein Buch voller Aufgaben, doch meine Konzentration ist am Ende. Dabei habe ich noch nicht einmal angefangen. „Lern!", befiehlt mein Verstand, doch eine leise, aber durchdringendere Stimme flüstert: „Jonathan! Jonathan!", immer wieder: „Jonathan! Jonathan!"
„Halt die Klappe, du wolltest ihn vergessen, wenigstens für ein paar Tage, zumal du weißt, dass daraus nichts wird!"
„Die Hoffnung stirbt zuletzt", säuselt die Stimme meines Herzens mit einem schelmischen Grinsen.
„Sie sollte schon längst tot sein, vor allem, da er nun eine Freundin hat! Mein weisester Rat: lass ihn gehen. Es ist es nicht Wert, in einem Kampf zu sterben, bei dem man vorher weiß, dass man ihn verlieren wird. Zumindest könnte ich dann in Ruhe lernen."
„Dafür müsstest du mich umbringen, und damit letztlich auch dich."
„Nein", schreit mein Verstand wütend, „Das ist keine Option! Wage nicht, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden."
„Es wäre romantisch, an seiner starken Liebe zugrunde zu gehen, außerdem würde der Schmerz endlich vergehen..."
„NEIN!!!", nun war mein Verstand hellwach und aufgebracht, „Ich habe gesagt, dass es keine Lösung ist, auch wenn ich manchmal das Verlangen habe, dich zu vernichten. Es wäre außerdem überhaupt nicht romantisch, höchstens nur feige und dumm, ich habe auch keine Lust mehr auf diese Diskussion, da wir sie schon zig mal geführt haben und uns im Kreis drehen. Wir haben was wichtigeres zu tun, zum Beispiel dieses verdammte Abitur zu schaffen, und Diskussionen über irgendwelche Jungs hindern uns bloß daran."
Plötzlich wird mein Herz ganz ernst und traurig.
„Aber er ist nicht irgendein Junge, und das weißt du. Ohne ihn wärest du jetzt nicht du. Und wenn es nach mir ginge, würden wir diese Diskussion so oft führen, bis du mich verstehst und auf meiner Seite stehst. Wir müssen nicht gegeneinander kämpfen, wir können auch zusammenhalten."
Ich seufze, habe schon längst aufgegeben, mit den Aufgaben weiterzumachen und lausche nun meinem inneren Zwiespalt.
„Weißt du," ,beginnt mein Verstand ganz sanft, „ich kann nachvollziehen, dass du ihn liebst, ich weiß seinen Charakter auch sehr zu schätzen. Ich weiß nur, wie sehr du dich mit dieser unerwiderten Liebe quälst, und möchte das mit allen möglichen Mitteln verhindern. Höre bitte ein mal, nur ein einziges Mal auf mich. Als gute Freundin wird man auch sehr geschätzt, zwar nicht auf diese Art und Weise, aber du kannst ihm so viel geben wie du möchtest, auch wenn du dabei natürlich aufpassen musst. Es spricht nichts dagegen, ihm zu helfen und ihn glücklich zu machen, und ich weiß, dass es dich nicht hundertprozentig glücklich machen wird, aber an sich wird es dir gut tun, das weißt du. Sei einfach du selbst und ignoriere den Schmerz oder lass einfach alles raus, indem du schreist oder niederschreibst, was dich bedrückt. Glaube mir, dann geht es dir besser."
Schweigen. Nur ein leises wimmern durchbricht die innere Stille.
„Braucht er mich denn überhaupt noch? Oder lässt er mich fallen, weil er eine Andere gefunden hat, die ihm mehr geben kann?"
Wieder seufze ich.
„Kann ich dir leider nicht sagen, musst du selbst herausfinden. Klar, er weiß jetzt, dass du ihn liebst, das wird uns in diesem Fall nicht helfen, aber er meinte, dass du ihm noch immer wichtig bist. Solange das bleibt, wird er dich nicht alleine lassen."
Stille.
„Ich blute", flüstert mein Herz traurig.
„Ich weiß. Diese Wunde lässt sich nur durch Zeit schließen und auch nur, wenn du es zulässt. Es kann nicht verheilen, wenn du nicht verhinderst, dass sie wieder und wieder geöffnet wird."
„Ich weiß", lautet die betrübte Antwort, „Ich gebe mein Bestes."
Nun ist es still. Seufzend mache ich mich an die Arbeit.

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