Konsequenzen

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Mürrisch betrat Nico das rote Backsteingebäude. Eigentlich wollte er gar nicht hier sein, hier war es langweilig und dreckig und die Menschen hier waren einfach nur widerlich. Eine Suppenküche, also wirklich, hätte sein Vater sich nicht eine bessere Strafe ausdenken können? Ein großer Mann mit Brille kam auf ihn zu: „Hallo. Du schaust ein wenig verloren aus, kann ich dir vielleicht helfen?“

Sola musterte ihn, der Mann passte nicht wirklich hier hin, er trug die Kleidung eines Sternekochs.

„Ähm ja, hi. Ich soll hier heute und für den Rest der Woche helfen. Mein Name ist Nico Linke.“

Nico konnte beobachten, wie sein Gegenüber ihn erst freundlich anlächelte, bei der Erwähnung seines Namens allerdings fror seine Miene ein und seine eisblauen Augen wurden ganz schmal.

„Aha, Linke. Du bist der jüngste Sohn des Bürgermeisters, nicht? Ja, das Gericht hat dich angekündigt, gesagt wieso du uns hier Gesellschaft leistest, haben sie nicht. Dann komm mal mit, ich zeig dir schnell alles, bevor unsere ersten Kunden kommen.“

Ohne auf den Jüngeren zu warten, drehte er sich um und marschierte los. Der Rundgang erwies sich als sehr kurz, der Sternekoch war wohl nicht so gesprächig.

„So, für den Anfang wirst du erstmal bei der Essensausgabe helfen. Ich stelle dir gleich noch Max vor, wenn du Fragen hast kannst du entweder zu mir oder zu ihm kommen, in Ordnung?“

Gelangweilt nickte Nico, so schwierig konnte das ja nicht sein. Eine Woche, nur eine Woche musste er hier verbringen und mit diesen Menschen zu tun haben. Vielleicht hätte er nicht seine neusten Sneaker anziehen sollen, ob er die hiernach noch benutzen konnte? Wenn sie ihm nicht geklaut wurden, so unwahrscheinlich war das bei diesen Menschen nicht.

Plötzlich schallte ihnen vom anderen Ende des Raumes eine laute Giraffenlache entgegen. Grinsend drehte sein neuer Chef sich um und erklärte: „Wenn man vom Teufel spricht. Der werte Gentleman da hinten ist Max.“

Erneut war es an Nico, dem Älteren hinterher zu hasten. Mit einem skeptischen Blick betrachtete er einen großen, schlaksigen Mann, anscheinend Max, der mit einem um einiges kleineren Mann mit braunen Haaren redete. Kurz hörte es sich so an, als hätte der Kleinere Schnappatmung, bis Sola bemerkte, das er ebenfalls lachte.

Max lächelte die Neuankömmlinge fröhlich an: „Hey Mori, wen hast du uns denn da mitgebracht? Frischfleisch für mich?“

Mori also, ein merkwürdiger Name. Wieso hatte Mori sich eigentlich nicht selbst vorstellen können, wäre das denn zuviel verlangt gewesen?

„Ja, der ist für dich. Das da ist Nico Linke, der Kleine vom alten Linke. Er ist für die nächste Woche dazu verdonnert uns zu helfen. Versuch nett zu ihm zu sein, vielleicht ist er es ja auch.“

Wie Mori zuvor hatten auch Max und der Andere ihr freundliches Lächeln bei der Erwähnung seines Namens verloren, spätestens als Mori bestätigte, dass er [style]der[/style] Nico Linke war, hatten sie begonnen ihn regelrecht feindselig anzustarren.

Zögerlich streckte der Kleine die Hand zu Nico aus und ebenso zögerlich ergriff Nico diese.

„Hey, ich bin Jona, kannst aber auch Johnny sagen. Wirst mich hier wohl öfters sehen, vielleicht hat man ja mal Zeit zum Quatschen.“

Bevor Nico antworten konnte, wurde Johnnys Hand weggeschlagen und Max‘ ergriff stattdessen seine Hand.

„Ich bin Max. Mori meinte du wurdest verdonnert? Haste Mist gebaut oder wat? Ist uns egal. Erste Lektion die ich dir heute gebe: Hier wird niemand wegen seiner Vergangenheit verurteilt. Klar? Gut. Hast echt Glück gehabt, dass du hier gelandet bist, wirst schon merken, wieso.“

Überfahren schaute Sola in die stechend grünen Augen die ihn scharf musterten. Diese grundlose Abneigung gegen ihn war ihm nicht unbekannt, allerdings war er sie einfach nicht mehr gewohnt. Diese Leute verurteilten ihn, dabei kannte sie ihn nicht einmal zehn Minuten. Zuletzt hatte er das in der Grundschule mitmachen müssen. Die anderen hatten ihn nicht gemocht, ihn ausgegrenzt und geschlagen, wenn er es dann doch einmal wagte, zu ihnen zu gehen und mit ihnen zu spielen. Er hatte es damals nicht verstanden und verstand es heute genauso wenig, aber er hatte gelernt, das Menschen grausam waren.

Vorsichtig antwortete Nico: „Ok, hab ich verstanden. Was genau soll ich dann heute machen?“

„Erstmal mitkommen. Gleich ist Essenszeit, Mori scheint ja schon alles fertig zu haben, wenn er Zeit hat, dich persönlich im Team zu begrüßen. Johnny hast du ja schon kennengelernt, er ist einer unserer Stammgäste und mittlerweile ein guter Freund. Falls einer Ärger macht, was leider nicht ausbleibt, kannst du immer zu ihm gehen, er wird dir ohne zu fragen helfen. Ansonsten haben wir drei Köche, einmal Mori, der den ganzen Laden hier auch leitet, dann noch Alex, auch Kavalierpirat genannt, und Tim, auch Herr Eule genannt. Die beiden sind auch ganz lieb. Maxim und Malte sind unsere Boys für alles, egal was anfällt, die Jungs sind zuständig. Du wirst die beiden erkennen, wenn du sie siehst. Bei der Ausgabe helfen uns noch abwechselnd Philipp, den wir auch Kutcher nennen, Kevin und Pascal, der auch Krokettenkalle genannt wird, frag nicht wieso. Um alles schriftliche und organisatorische kümmert sich Hendrick.“, erklärte ihm Max und führte ihn Richtung Küche. Auf diesem kurzen Weg hatte er mehr erfahren als während dem gesamten Rundgang mit Mori. Ein Satz hatte ihn verwirrt.

„Was meinst du damit, dass Johnny ein Stammgast ist? Arbeitet er nicht hier?“

Max warf ihm einen abschätzenden Blick zu: „Nein, Johnny arbeitet hier nicht. Er lebt auf der Straße und gehört zu denen, die auf uns angewiesen sind, auch wenn man es ihm weniger ansieht. Das Leben hat ihm übel mitgespielt, aber er gehört trotzdem zu den nettesten Menschen, die ich kenne.“

Max trauriger Blick brachte auch Nico zum Nachdenken. Die Leute hier waren merkwürdig, ohne Frage, aber sie schienen alle aufrichtig zu sein. Mehr, als er es von seinen Freunden gewohnt war.

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