Wie ich durch Thunfisch den Sensenmann kennenlernte

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«Louis»

Vor zwei Monaten im Frühling beschloss meine Mutter mich wieder in die Schule zu schicken. Ihr Argument war, dass ich zu viel schlafe und an meiner Gitarre kleben würde. Mein Vater dagegen sagte, ich solle eher wieder in eine Selbsthilfegruppe.
Nun sind zwei Monate vergangen und ich hatte noch immer keinen Fuß vor die Haustür gesetzt. Es war erbärmlich, ich war von der Außenwelt völlig abgegrenzt. Meine besten Freunde waren meine Eltern. Mein drittbester Freund war meine Gitarre und meinen allerliebster Feind würde ich nie besiegen können; den Krebs, der immer wieder in mir Feuer spuckte.

Ich war sechzehn als mich die Diagnose wie ein Schlag ins Gesicht traf; Schilddrüsenkrebs. Ein seltenes anaplastisches Karzinom machte es sich in in mir gemütlich. Ein Jahr zuvor wusste ich nicht mal, dass ich eine Schilddrüse besitze und nun sagt man mir, ich habe Krebs. Mag sein, dass ich ein Unmensch bin, aber ich vermisse das normale Leben und dazu gehört nun mal die Schule. Aber von dem Wunsch wieder in die Schule gehen zu können, war ich weit entfernt. Seit anderthalb Jahren ging ich nicht mehr zur Lakeside High. Dank der Schulpflicht in England, durfte ich stattdessen wöchentlichen Privatunterricht genießen. Während es für andere ein Traum gewesen wäre, Zuhause unterrichtet zu werden, war ich jedes Mal aufs neue genervt. Sobald die versteifte Ms. Stonbely unser Wohnzimmer in ihrem pinken Rock betrat, schaltete meine Hirn ab. Lieber eignete ich mir über YouTube oder unsere Bücher selbst Wissen an. Da unsere gesamte Wohnzimmerwand mit alten Büchern bestückt war, hatten wir quasi unsere eigene Bibliothek.

Es war an einem vermeintlich normalen Freitagnachmittag, meine erste wirkliche Freundin Sarah und ich waren Pizza essen gegangen. Schon zwei Tage zuvor hatte ich unglaubliche Rachen schmerzen, doch ich dachte nicht weiter darüber nach. Nachdem ich die Thunfisch Pizza nichtsahnend verschlang, übergab ich mich daraufhin brutal- Es war mein erstes Date und ich kotzte meine Freundin unschön an- Sarah habe ich seitdem übrigens nicht mehr gesehen. Nichtmal beim Einkaufen. Weil ich nach meiner Kotzerei unter Herzrhythmusstörungen litt und starke Brustschmerzen hatte, wurde ich so schnell wie die Pizza aus mir herauskam, ebenso rasend ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte Diagnostizierten meinen aggressiven Krebs. Seit diesem Tage nun, hasste ich mein Leben und Thunfischpizza.

»Kein Jahr mehr?!« erinnerte ich mich meine Eltern gehört zu haben. Mum und Dad waren unglaublich stolz auf mich als sie spürten, welch ein „Kampfgeist" in mir steckte. Ich musste aber zugeben: Ich kämpfte aus egoistischen Gründen. Ich wollte nicht unbedingt weiter meinen Eltern auf den Geist gehen, sondern ein Zeichen setzen. Ich kann doch nicht einfach so gehen, ohne etwas zu verändern? Dass sich das ziemlich merkwürdig anhört, war mir bewusst. Aber es gibt beinahe sieben Milliarden lebende Menschen und ungefähr Einhundert Milliarden tote- Ich will nicht einfach so dazugezählt werden. Es war kein Kampfgeist den ich besaß, es war die Angst vor dem Verpassen. Ich hatte keine Angst vor dem Sterbeprozess. Aber ich hatte verdammte Angst, dass es zu früh passieren würde. Da gab und gibt es einfach noch zu viele Dinge in meinem Leben, die ich versäumen würde. Ich wollte nicht als Jungfrau sterben und erst recht nicht, wollte ich sterben bevor ich erwachsen wurde.

Die Angst vor dem Entgehen war schuld daran, dass ich mir selbst und meinem Umfeld nun schon seit anderthalb Jahren das Leben zur Hölle machte. Zwar war ich mir meines Größenwahns bewusst, aber ich war auch in der Lage, mich selbst zu reflektieren. Jedes Mal als es mich traf und mir ein Spiegel auf dem Weg begegnete, fühlte ich mich schuldig. Schuldig dafür, meinen Eltern die letzten zwei Jahre so versaut zu haben. Schuldig dafür, so ein Arsch zu sein. Schuldig dafür, mir selbst immer die Schuld zugeben.

Ich kämpfte also jeden Tag gegen den Wunsch (-und der Diagnose) zu sterben an und befahl meiner Lunge jeden Morgen ihren verdammten Job zu machen. Nach Monaten voller Elend und Hoffnungslosigkeit beschlossen die Ärzte, dass ich ohne eine Sauerstoff-Langzeittherapie bald an Lungenversagen sterben würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 22, 2020 ⏰

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»destiny is a b!tch« louis tomlinson.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt