~Leigh~

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"Dieses Miststück!", fluchte Dakota als er sich auf das Sofa fallen ließ. Ich unterdrückte mühsam ein Lächeln.
"Komm schon! Der Tritt ist jetzt schon fünf Stunden her!", murmelte Lysander genervt, "Du bist doch ein ganzer Kerl, oder? Dann hör auf zu jammern! Leigh, du wirst es nicht glauben! Die ganze Probe über hat er rumgeheult, wie sehr ihm sein Bauch wehtut!"
"Muss wohl ein ziemlich harter Tritt gewesen sein.", antwortete ich belustigt.
"Ach, haltet doch die Fresse!", knurrte Dakota. Während Lysander sich dennoch weiterhin über ihn lustig machte, lies ich meinen Blick durchs 'Amoris' schweifen. Es hatte sich absolut nichts verändert. Überall immer noch die roten Sofas mit den kleinen Glastischen davor, dämmriges Licht, nur durch wenige rosarote Wand- und Bodenleuchten erhellt. Rechts die schwarze Bar, die sich über die Hälfte der Wandlänge erstreckte und vorne die Bühne mit dem roten Vorhang und dem Steg, der bis direkt vor unseren Tisch führte. Unser Platz war der Beste im Club, zentral und direkt vor der Bühne, war daher allerdings auch der teuerste Platz. Wir waren früh dran, doch so langsam begann sich das Lokal zu füllen. Ungeduldig schaute ich Richtung Angestelltentür hinter der sich die Umkleidekabinen und der Pausenraum der Angestellten befanden. Wo blieb sie nur? Plötzlich öffnete sich die Tür um einen kleinen Spalt und jemand streckte den Kopf heraus und sah sich suchend um. Ich hatte ihr angekündigt, dass wir heute kommen würden. Das lange silbrige Haar fiel ihr über die Schulter und als sich unsere Augen trafen begann sie übers ganze Gesicht zu strahlen. Schnell schlüpfte sie aus dem Backstagebereich und schloss vorsichtig die Tür. Dann kam sie eilig auf uns zugelaufen. Als sie angekommen war blieb sie vor mir stehen, sah mir kurz in die Augen, bevor sie ihren Blick über die restliche Bank wandern lies.
"Dakota, Lysander.", grüßte sie lächelnd, "Wo ist der Rest?"
"Kommt noch.", antwortete Lysander.
"Und Eiji kommt ja sowieso immer zu spät.", sagte ich. Endlich wandte sie sich wieder mir zu.
"Leigh."
"Rosa."
"Das du heute schon kommst...", zärtlich sah sie mich an. Ich nahm eine Strähne aus ihrem Haar und wickelte sie um den Finger,
"Ich konnte es auch nicht erwarten dich wiederzusehen.", dann nahm ich noch eine Strähne von der anderen Seite und zog vorsichtig daran, sodass sie sich zu mir runter beugen musste.
"Heute bin ich dein einziger Gast.", flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste sie. Nachdem sie die Augen wieder geöffnet hatte errötete sie leicht und wisperte: "Nicht vor den Gästen! Das gibt sonst Ärger!"
"Ach was.", ich lächelte.
"Doch das gibt Ärger! Wenn die Gäste sie so sehen wird sie entweder nicht mehr gebucht oder es kommt zu Übergriffen!"
"Hi, Ken!", grinste ich ohne ihn anzuschauen.
"Hör mal, Leigh. Ich freu mich ja für euch zwei und ich toleriere es auch, wenn du sie einen ganzen Abend für dich beanspruchst, aber küssen ist in diesen Räumlichkeiten verboten, ja?"
"Ja, ja. Schon gut! Schon gut! Und? Gibt's was neues, seitdem wir das letzte Mal hier waren?"
"Nicht wirklich.", Ken fuhr sich nachdenklich mit der Zunge an der Unterlippe entlang, "Wobei...ich hab 'ne alte Freundin getroffen."
Dakota sah interessiert auf: "Und? Ist sie heiß?"
"Oh, Dake! Nur weil du heute bei 'nem Mädel abgeblitzt bist musst du jetzt nicht auf Teufel komm raus jede anmachen!", stöhnte Rosa.
"Und woher weißt DU das?!", Dakota sah sie wütend an.
"Tja, Leigh und ich haben keine Geheimnisse.", schnurrte sie und setzte sich auf meinen Schoß, ich grinste nur hämisch. Ken schaute irritiert zwischen uns hin und her:
"Ähm, ja. Um mal das Thema zu wechseln: Ist was Neues bei euch vorgefallen?"
Dakota rutschte tiefer in die Sofapolster als wollte er sich vergraben. Lysander hatte wohl etwas Mitleid und beschloss daher die Hauptstory wegzulassen und einfach nur ein bisschen was zu erzählen:
"Wir haben zwei Neue in der Klasse und das Mädchen ist etwas...außergewöhnlich."
"Außergewöhnlich?", Ken schien interessiert zu sein. Außergewöhnlichkeit war in diesem Business immer gut, nur eben nicht die Außergewöhnlichkeit die Lys meinte. Dake seufzte genervt, es würde sich nicht umgehen lassen Ken die Andersartigkeit des Mädchens so zu erklären, dass er wusste, dass sie nicht das war wonach er suchte.
"Naja, sie hat Dakota geohrfeigt, ihm gedroht und ihn abblitzen lassen. Ach ja! Und sie hat ihm einen Tritt in den Magen verpasst über den er jetzt noch rumheult."
"Was? Wow! Beeindruckendes Mädel!"
"Sie ist neu hier und kennt die Regeln wohl noch nicht.", Dakes Augen blitzen rachedurstig. Ken sah ihn mit hochgezogenen Brauen an: "Trotzdem beeindruckend, dass sie dich, den Casanova schlechthin, abblitzen lässt! Und, dass sie sich traut sich gegen dich aufzulehnen. Wie heißt die Dame denn?"
"Lillith!", schnauzte Dakota. Ken klappte die Kinnlade runter und er starrte uns fassungslos an.
"Was ist, Kentin? Du siehst heute etwas blass aus.", plötzlich stand ein Schatten hinter Ken
"Eiji!", quietschte Rosa erfreut, "Ich hab mich schon gewundert wo du bleibst!" Rosa mochte meine Freunde, aber Eiji mochte sie am liebsten. 'Er hat keine schlechten Eigenschaften.', meinte sie einmal. Wenn sie nur wüsste.
"Nein, nein! Das wirkt nur so wegen des Lichtes. Ich muss nochmal kurz in den Backstagebereich! Bis dann!" Ken verschwand eilig.
"Was ist denn mit dem los?", Lys und Dake sahen ihm verwirrt hinterher.
"Vielleicht ist ihm schlecht geworden.", meinte ich und fügte in Gedanken hinzu: 'Weil ihm irgendetwas an dem Gesprächsverlauf missfallen hat.' Eiji zog sich gerade seine Lederjacke aus.
"Du hattest heute zwei Meetings.", stellte ich fest.
"Hmhm.", war das einzige was er darauf von sich hab, während er sich hinsetzte. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, rote Lederjacke. Schwarzes Hemd, weil er wohl geschäftlich was zu regeln hatte und die Jacke, weil man auf ihr die Blutflecke schlechter sehen konnte als auf der schwarzen. Er war mal wieder herausgefordert worden und hatte seine Macht beweisen müssen.
"Wie viele?", fragte ich beiläufig.
"Zwanzig."
"Der Ausgang?"
"Einige Brüche, Gehirnerschütterungen, Schürf- und Platzwunden und einer hatte innere Blutungen. Es ist alles dabei, von drei Tagen bis fünf Monaten Krankenhaus. Das übliche."
"Und du?"
"Unverletzt."
"Waffen?"
"Ja. Sie hatten anfangs Baseballschläger und Brecheisen, einige hatten auch Messer. Es gab aber trotzdem keinerlei Komplikationen."
"Gut."
"Jap."
Die anderen wussten auch bei seinem Anblick, dass es wieder eine Schlägerei gegeben hatte. Zwanzig gegen ihn war eigentlich ein Klacks. Er hatte mal alleine gegen fünfzig gekämpft und war ohne einen Kratzer davon gekommen, was man von den anderen nicht gerade sagen konnte. Eiji war eine Ein-Mann-Armee. Trotzdem machte ich mir immer Sorgen. Es wäre ein Wunder, wenn nie jemand kommen würde, der es mit ihm aufnehmen konnte. Irgendwo musste es jemanden geben.

Engel sucht DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt