Das Monster unter dem Bett

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Vorsichtig tasteten ihre Finger in der Dunkelheit nach dem alten Radio

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Vorsichtig tasteten ihre Finger in der Dunkelheit nach dem alten Radio. Unter Knirschen und Rauschen begann es zu spielen, als sie den Startknopf drückte.

Die Töne schwebten nahezu geisterhaft durch den Raum und schienen die erdrückende Finsternis ein wenig zu erleuchten. Sie atmete in tiefen, gleichmäßigen Zügen und versuchte ihren Puls zu beruhigen. Sie fühlte sich erdrückt, ein paar Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet.

In der Hoffnung, sie würde ihre Einsamkeit vertreiben, drehte sie die Musik lauter, doch die Stille, die sie und die kratzigen Töne umgab, wurde ihr nur noch bewusster.

Die Bettdecke bis zur Nase hochgezogen, kuschelte sie sich tiefer in ihre Kissen, die Augen immer auf die Schwärze des Raums gerichtet, der Tagsüber doch so heimelich und beruhigend wirkte, jetzt jedoch nur eine Botschaft zu versenden schien; Gefahr. Der harmlose Bücherschrank ragte plötzlich bedrohlich in Richtung Decke, der Schreibtischstuhl mit den darüberhängenden Kleidern verwandelte sich in ein geisterhaftes Wesen, welches sie wider besserem Wissens Dementor getauft hatte.

'Du bist zu alt, um noch an das Monster unter dem Bett zu glauben!', hatte man ihr gesagt. 'Wenn es mich bisher noch nicht geholt hat, warum heute?', hatte sie sich selbst gesagt. Doch jetzt, wo alles, was sie fürchtete wieder nah war, konnte sie nicht mehr daran denken, war sie wie paralysiert vor Angst.

Dann machte es 'Klick'. Und mit diesem Klick war die Musik aus. Lange, dünne, schwarze Finger ragten aus dem Dunkel. Lautlos glitten sie zur Bettkante, wo sie sich festkrallten. Schwankend begann sich das Wesen aufzurichten - über den Rücken und die Schultern hoch zu rollte und zum Schluss mit einem Ruck den Kopf zu heben.

Panik stieg in ihr hoch, sie versuchte, sich abzuwenden, sich unter ihrer Bettdecke zu verstecken und das Monster verschwinden zu lassen, doch sie konnte nicht. Sie lag einfach nur da und starrte in die giftgrünen Augen, der Gestalt vor ihr, sich fragend, ob irgendjemand sie vermissen werde. Ebenso qualvoll langsam, wie es sich aufgerichtet hatte, streckte das Monster von unter dem Bett jetzt seinen Arm aus.

Kurz, bevor es sie berühren konnte, übernahmen ihre Instinkte und sie wich zitternd mit fahrigen Bewegungen zurück, bis sie in der Ecke saß, die Knie angezogen und die Augen geschockt aufgerissen. Ihre Hände hatten sich in der Bettdecke verkrallt und ihr Atem ging flach. Das Monster ist angekommen. Mit dem Gedanken, dass es vorbeigehen muss, hebt sie die Decke über den Kopf.

Die Wand in ihrem Rücken beruhigt sie etwas, gibt ihr die Sicherheit, dass sie nichts von hinten überfällt. 'Wenn ich die Decke jetzt herunter nehme, wird es weg sein.', dachte sie. Es musste weggehen. Vorsichtig ließ sie die Decke wieder sinken, gerade so tief, dass sie herüberspähen konnte.

Kalte Schauer überschütteten ihren Rücken und sie begann unkontrolliert zu zittern. Das Wesen stand noch immer da, starrte ihr noch immer direkt in die Augen.

Leichter Regen begann gegen das Fenster zu prasseln. Als sich das Wesen das nächste mal bewegte, standen Tränen in ihren Augen.

Immer näher kam es, immer lauter rauschte das Blut in ihren Ohren. Sie wollte etwas sagen, das Monster fragen, was es von ihr wollte, es anschreien, es solle weggehen, aber ihre Stimme war wie versiegt. Im nächsten Moment kniete das Monster schon an ihrer Bettkante. Seine Stimme, die sie sich als kaltes, boshaftes Zischeln vorgestellt hatte, klang überraschend warm und schmeichelnd, stand im Kontrast zu seiner Gestalt. Trotzdem brachte sie sie zum Schaudern. Immer mehr Stimmen mischten sich während des Sprechens zu der des Monsters, bis der Klang zu einem Chor von Stimmen angeschwollen war, zeitgleich schien er jedes Geräusch um sie herum auszumerzen. Auch das Regenprasseln, war der Stille gewichen, in der sie sich so verloren fühlte.

„Du hast Angst. Es gibt nicht viele, die vor mir Angst haben." Wieder begann es seine Finger in ihre Richtung zu bewegen. „Nein, wahrhaftig nicht viele.", wiederholte sich das Monster, klang dabei beinahe gedankenverloren. „Aber eure Familie tendierte schon immer stark dazu, mich zu fürchten. Manche von euch Toren haben sogar versucht, mich zu vernichten.", sinnierte es weiter und schüttelte bedauernd den Kopf. Ein Schnalzen entwich ihm.

Die erste Träne der Angst und Panik lief über ihre Wange. Mit jedem Wort schien das Wesen größer zu werden. Größer und schwärzer. Die Fingerspitzen des Wesens erreichten die Bettdecke. Das letzte schützende Teil zwischen ihnen. Die Augen des Wesens brannten sich in die ihren, kratzten an ihrem Inneren und ließen ihr nur die Panik in ihrem Körper.

Es war ihr, als würde das Monster von unter dem Bett die Dunkelheit versprühen, sie verdichten und nach seinem Willen formen, um sie darin ersticken zu lassen.

„Aber weißt du was?" Ein Grinsen hatte sich auf das Gesicht ihres Gegenüber geschlichen. Seine Finger hielten eine ihrer Haarsträhnen fest und zogen daran, den Schmerz bekam sie nur noch wie durch Nebel mit, die Panik hatte bereits ihre Sinne verschleiert, lies sie nicht mehr atmen und Tränen über ihr Gesicht laufen. Sie schluchzte und doch war das Schluchzen nicht zu vernehmen. Nichts war zu vernehmen, nur er und ihr rasender Herzschlag.

„Die Stille kann man nicht vernichten." Und dann schrie sie. Sie wollte sie hören, ihre Stimme, wollte irgendjemanden herrufen. Irgendwas. Irgendwie. Sie wollte, dass es wegging, das Monster, das jeden noch so kleinen Ton laut erscheinen ließ und alles Beruhigende zerstörte.

Noch während sie schrie lachte das Monster. Nicht mehr mit seiner warmen, tiefen Stimme, nein, der Stimmenchor verzerrte sich immer mehr und mehr. Als sie sich die Ohren zuhielt, wurde es nur lauter. Ihre Sicht verschwamm immer mehr, ihr Körper zitterte immer stärker und ihr Atem ging immer schneller, bis sie nur noch einen weißen Schleier vor der Dunkelheit sah.

Ein Klopfen ertönte. Die Tür! 'Jemand musste gekommen sein.', dachte sie. Das Monster sah auf. Mit einem missbilligendem Laut verschmolz es mit der Schwärze, während sie mit aller Kraft versuchte, sich zu beruhigen. Sie musste aufstehen, erzählen, was sie gesehen hatte.

Sie musste sie warnen, die Menschen da draußen.

Sie versuchte noch, die Panik abzuschütteln, als die Person vor der Tür wieder ging. Leichte Schritte auf dem Holz verrieten es ihr. Ihr Puls stieg wieder in die Höhe, sie wartete nur darauf, dass es zurück kommen würde. Und während sie wartete, Schweißperlen auf ihrer Stirn, fiel der erste Sonnenstrahl des Morgens in ihr Zimmer und riss sie aus der Schwärze und die Schwärze auseinander.

Als sie heute hinaus ging, wollte sie zu den Menschen eilen und sie Warnen, vor dem Monster unter dem Bett. Doch alles, was sie hervorbrachte war Stille. Das Monster von unter dem Bett hingegen stand drei Zeitzonen östlich von dort, bei einem kleinen Jungen, der überrascht war, dass das Monster so eine weibliche Stimme hatte.

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