Letzte Hoffnung (#Stexpert)

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Nachfolger von "Mehr Zeit mit dir", lang ists her :'D

Hätte ein wenig mehr rausholen können, ich weiß, aber vielleicht kommt ja irgendwann noch eine letzte Fortsetzung, in der sich dann alles auflöst.

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Ich stolperte, als ich dieses schmerzlich vertraute, blond gelockte Haar vor mir entdeckte und mein Herz krampfte sich zusammen. "Stegi...?", flüsterte ich gepresst und ungläubig. Er war am Leben! Er saß nur wenige Meter von mir entfernt, mein bester Freund, nein, mehr als nur das. Die totgeglaubte Liebe meines Lebens. Hatte er den Absturz durch ein Wunder doch noch überlebt..?

Der junge Mann zuckte zusammen und wirbelte zu mir herum, als ich ihn so ansprach, doch meine kurzzeitig aufgeblühte Hoffnung wurde enttäuscht. Es war nicht Stegi. Der Fremde hatte ihm nur sehr stark geähnelt und tat es auch jetzt noch, aber mir fielen sofort die feinen Unterschiede auf. Er hatte weniger filigrane Gesichtszüge und seine Augen waren nicht annähernd so schön grün gesprenkelt, vielmehr waren sie verwaschen grau, wenn auch nicht weniger leuchtend. Nach der Enttäuschung überrumpelten mich Verwirrung, Scham und Trauer in solch kurzem Abstand, dass ich wirr zu stottern begann und augenblicklich Abstand zu meinem Gegenüber nahm. "Ich-, ähm, es- es war bloß, e-eine Verwechslung, tschuldigung, entschuldigen Sie. Ich dachte, Sie ähneln nur-, Entschuldigung...!"

Bevor meine Gefühle mich vollständig überwältigen konnten, schüttelte ich meinen Kopf heftig und wandte mich bereits zum Gehen, als der blonde Mann mich aufhielt. "Ist schon gut, ich weiß, wen Sie meinen. Stegi ist-, ...er war mein kleiner Bruder. Sie müssen sich nicht entschuldigen."

Wie benommen blieb ich stehen und erwiderte den Blick aus diesem vertrauten und doch fremden Gesicht wie erstarrt. Stegis Bruder...? Ich hatte nie gewusst, dass er noch Geschwister besaß. Aber wenn ich ihn so ansah, spürte ich, dass es stimmen musste. Die Ähnlichkeit ließ einen Kloß in meinem Hals anwachsen.

"Marcus, wer Sie sind weiß ich. Ich hatte Ihren Nachruf in der Zeitung gelesen, es tut mir so leid für Sie, Tim. Wollen Sie sich vielleicht setzen?" Er deutete auf die Bank, von der er eben aufgesprungen war und dankbar nickte ich. Noch immer konnte ich nichts von dem soeben Geschehenen wirklich verarbeiten und mein ganzer Körper war betäubt. Ich konnte schon nicht mehr sagen, ob er das nun wieder einmal, oder noch immer andauernd war seit diesem Verlust...

"Es ist so schwer für mich", fing ich einfach unvermittelt an, in die bedrückende Stille zu sprechen, "Er war immer da gewesen und plötzlich fehlt er. S-so ein wichtiges Stück meines Lebens... Manchmal drehe ich mich sogar noch um in der Erwartung, ihn dort lächeln zu sehen. Aber da ist keiner mehr, nichts und niemand, der mir Mut gibt und mir zeigt, dass es weitergehen muss. Ich weiß nicht, was ich jetzt ohne ihn machen soll..."

"Das ist doch nur verständlich. Niemand könnte das von Ihnen-, von dir erwarten. Aber Stegi hätte bestimmt gewollt, dass du irgendwann wieder aufstehst und weiterkämpfst! Da bin ich mir sogar sehr sicher! Lass dir zuerst Zeit, um den Schmerz zu verarbeiten...", murmelte Marcus mitfühlend. Ich stimmte ihm leise zu, ehe wir wieder schwiegen. Stumm kämpfte ich mit den Tränen, während der Mann neben mir nur betrübt gegen die kalte graue Steinmauer auf der anderen Straßenseite starrte.

"Es tut mir leid, dass ich ihn nicht retten konnte", platzte es irgendwann aus mir heraus, als die Schuldgefühle zu stark wurden. Marcus atmete tief aus: "Ich glaube, du hast alles getan, was du konntest. Es ist nicht zu ändern. Und ich bin dir auch nicht böse deswegen. Manches kann man nicht verhindern, egal wie sehr man es versucht."

"Marcus? Warst du auch bei der Beerdigung?"

Er schaute mich traurig an. "Nein, leider nicht. Ich wäre es gerne, um mich zu verabschieden, aber ich war verhindert." Deswegen erinnerte ich mich nicht an ihn. Stegis Eltern waren dort gewesen und auch seine Großeltern. Das war vor knapp einer Woche gewesen. Wir alle hatten vor diesem leeren Sarg gestanden und das einzige, an das ich hatte denken können, war, dass ich ihn mehr als nur verloren hatte. Ich hatte ihn im Stich gelassen! Ich hätte ihn retten können und stattdessen war er noch immer irgendwo dort in der Schlucht zwischen Schutt und Steinen.

"Tim?"

Unbewusst war ich aufgestanden, mit grimmiger Miene und einem trotzigen Glimmen in meinen Augen. "Ich werde ihn suchen gehen! Bevor ich ihn nicht gefunden habe, gebe ich die Hoffnung nicht auf! Vielleicht ist er auch noch am Leben! Er hatte einen Rucksack, da war sogar Verpflegung und Erste-Hilfe Zeug drin. Und wenn er noch immer auf Hilfe wartet, dann werde ich ihn nicht zurücklassen!"

Marcus sah eher skeptisch über meine plötzliche Entschlossenheit aus, doch dann stemmte er sich auch von der Bank nach oben. "Nagut, dann komme ich mit! Du wirst Hilfe beim Bergen brauchen und ich bin es meinem Bruder schuldig!" Dankbarkeit durchströmte mich. Wir durften nur nicht diesen letzten Hoffnungsfunken aufgeben! Solange es die Möglichkeit gab, würde ich mich an sie klammern, anstatt mich von der Trauer lähmen zu lassen! Das war ich Stegi auch schuldig. Er hätte das selbe für mich getan. Und ich wollte noch so unendlich viel Zeit mit ihm verbringen, die er bei unserem Abschied für verwehrt gehalten hatte. Warte auf mich, ich werde dich finden! Versprochen!

Youtuber OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt