Tot geglaubt lebt es sich länger

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Harry Potter seufzte und eine kleine Wolke bildete sich, als sein Atem in der Luft gefror. Es war kalt, nicht ungewöhnlich für eine Winternacht. Es schneite seit einer Woche und die Straße auf der er stand, war nur notdürftig vom Schnee freigelegt worden. Er fror, aber das störte ihn nicht... nicht nach allem was passiert war. Die Kälte half nur das Geschehene aus seinem Kopf zu vertreiben... ein Glas Feuerwhiskey würde dies wahrscheinlich auch tun, aber er hatte gerade keine Flasche zur Hand.

Das war das erste Weihnachten nach dem Krieg und obwohl es knapp 7 Monate her war, das er Voldemort zur Strecke gebracht hatte, kam es ihm vor, als wäre es erst Gestern gewesen. Er hatte geglaubt das mit Tom Riddles Tod Alles ein Ende haben würde. Das Alles besser werden würde... doch da hatte er sich gewaltig geirrt.

Harry hatte jede Nacht Alpträume. Manchmal war es so schlimm, das er überhaupt nicht schlafen konnte und die ganze Nacht wach lag... Er spürte das Etwas fehlte, das Irgendwas fehlte. Er litt und das noch mehr, als zuvor. Voldemort war Tod, ja, aber zu welchem Preis? Viele seiner Freunde waren gestorben... Fred, Lupin, Tonks...und der Tränkemeister, der ihn mehr als jeder  Andere enttäuscht hatte.

All die Jahre war er betrogen worden... und das nicht nur von Dumbledore... nein, auch der Tränkemeister hatte seinen Teil dazu beigetragen. Nur um Dumbledores Plan umzusetzen. Nur um die Welt zu retten... Er würde es jetzt wahrscheinlich nicht zugeben, aber das Snape ihn tatsächlich all die Jahre auf seine Art beschützt hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Der Gedanke an ihm, ging ihm nicht aus dem Kopf... Doch was nützte ihm dieses Wissen jetzt noch? Snape war Tod, genauso wie der Schulleiter. Er hatte so viele Fragen und derjenige der sie hätte beantworten können, war ihm genauso verloren gegangen, wie seine Freunde, die im Kampf gefallen waren.

Jetzt stand er hier und dachte wieder an ihn. Die Kälte half ihm, sich zu beruhigen, denn er war kurz davor zusammen zu brechen. Er hatte die Reißleine gezogen. Gedanken, Träume... das Alles brach über ihn ein, wie eine Lawine und Niemand wusste davon. Während alle Anderen ihr Leben weiter lebten, hielt er es kaum noch aus, am Leben zu sein.

Ja, Harry Potter hatte wieder einmal überlebt, aber allein der Gedanke daran machte ihn krank. Überall war er in den Zeitungen... überall las er von sich und seinem Sieg. Dabei wünschte Harry sich insgeheim, das er Damals genauso wie seine Freunde gefallen wäre. Manchmal, an ganz dunkeln Tage, bevor der Feuerwhiskey die ersehnte Erlösung brachte, wollte er dem ganzen schon selbst ein Ende setzen.

Der Gedanke an die Verlorenen, nahm ihm immer wieder die Luft zum Atmen. Er kämpfte Tag für Tag... mit sich, mit der Welt, mit Allem. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Alpträume hielten ihn wach, die Schuldgefühle ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Die Bilder von Voldemort und den vielen Toten begleiteten ihn jede Sekunde. Auch wenn jeder ihm immer wieder sagte, er sei ein Held, so fühlte Harry sich alles Andere als Das. Wussten die Menschen nicht, das er es gewesen war, der Voldemort nach Hogwarts gelockt hatte? Das er dafür verantwortlich war, das Hogwarts in Schutt und Asche zerlegt worden war?! Das so viele Kinder und Erwachsene in dieser Nacht gestorben waren... Doch anstatt sich aufzugeben, versuchte Harry stark zu bleiben. Für die Anderen. Für die, die gekämpft und verloren hatten.

McGonagall nervte ihn jeden Tag, Mrs. Weasley trauerte nicht, nein, sie behandelte nun ihn, wie Fred. Der Tagesprophet riss sich um eine Schlagzeile nach der Anderen und das Ministerium verfolgte ihn mal wieder. Jeder wollte seine Geschichte hören, seine Version von Voldemorts Tod... doch Harry hatte sich bis heute nicht dazu geäußert. Warum? Er konnte es nicht. Wenn ihn schon die Gedanken an die Geschehnisse so fertig machten, was passierte dann erst, wenn er davon erzählte?

Jetzt war er hier gelandet. In Godrics Hollow. Ein kleines Dorf im Südwesten Englands. Er wusste nicht wie er hier gelandet war, er war einfach nur geflüchtet, bevor er explodiert wäre. Noch immer klopfte sein Herz vor Aufregung und Anspannung. Er hatte Mrs. Weasley noch nie so wütend erlebt und er selbst war ebenso wütend gewesen. Wieso akzeptierte sie seine Entscheidungen nicht?! Sah sie nicht, wie er noch immer kämpfte? Er würde nie auch nur ein Wörtchen mit dem Ministerium oder dem Tagespropheten wechseln. Es war nicht fair gegenüber Jene die ihr Leben verloren hatten. Sie waren Tod und er glaubte nicht, das Eltern, Freunde oder wer weiß noch, irgendwo über sie lesen wollte. Es war sicherlich auch so schon schwer genug für die Betroffenen.

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