Oh Gott

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Erst hatte ich das Piepsen meines Handys versucht zu ignorieren, dann war ich aber kurz davor gewesen, das kleine Gerät gegen die Wand zu manövrieren und hatte es schließlich auf stumm geschaltet, während ich Nialls Anruf, welcher auf dem Bildschirm angezeigt wurde, nicht beachtet hatte. Ich wusste nicht, wie lange ich das durchhalten würde und mir war klar, dass es nicht nett war, aber ich war doch selber noch ganz durcheinander und allgemein war diese Sache hier ja auch gar nicht so gelaufen, wie ich es geplant hatte. Oh Mann. Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen und begann mir Sätze zurecht zu legen. Was sollte ich denn zu Niall sagen? An sich hatte ich ihm ja schon recht brutal an den Kopf geworfen, was Sache war. Er wusste nur noch nicht so ganz, dass ich es wirklich ernst meinte. Alleine beim Gedanken daran wurde mir schlecht. In meinem Leben lief ja selten etwas nach Plan, aber das hier war die größte Form von „aus dem Ruder laufen", die mir je begegnet war. Ich war schwanger. Ich war wirklich schwanger. In mir wuchs ein Kind vor sich hin, nicht wissend, dass ich die vermutlich unfähigste Mutter aller Zeiten sein würde. Wie sollte ich das noch packen? Noch dazu mit dem irischen Arsch von Ex-Freund, den ich hatte, der mir kein Stück über den Weg zu trauen schien und der von Groupies und Paparazzi verfolgt wurde wie ein Fuchs in der Jagdsaison von den Jägern.

Ich wusste nicht, wie lange ich brauchte, bis ich allen Mut zusammen nahm und endlich Nialls Anruf annahm. Er war erst ganz überrascht und sagte gar nichts, vermutlich irritiert darüber, wieso die automatische Ansprache meines Anrufbeantworters nichts mehr von sich gab, wie sie es bei den letzten gefühlt zehntausend Anrufen getan hatte. „Hallo?", kam es dann von ihm. Ich atmete tief durch. „Hi", erwiderte ich. Gott, fühlte ich mich schlecht. Stille. Ich glaubte, dass er eine Antwort auf die Frage, ob ich wirklich schwanger war, von mir wollte, aber gleichzeitig auch so sehr Angst vor meiner Antwort und deren Folgen hatte, dass er sich nicht traute, mir überhaupt die Frage zu stellen. „Niall, ich bin schwanger", teilte ich ihm dann so ruhig wie nur möglich mit. Noch immer Stille am anderen Ende der Leitung. Hallo? Konnte der denn nichts sagen? Okay, okay, ich hatte ihn ja auch etwas zappeln lassen, aber das war ja nicht mit Absicht gewesen. Ich hatte ihn ja nicht foltern wollen, sondern schlichtweg selber keine Ahnung gehabt, wie es weitergehen würde und was ich ihm eigentlich sagen sollte. Immerhin wusste ich ja nicht wirklich viel.

„Niall, kannst du bitte etwas sagen?", flehte ich ihn fast schon an. Es war wirklich die reinste Folter im Unklaren zu sein. „Okay", kam es schließlich von Niall. Okay? Was war das denn bitte für eine dämliche Antwort?! „Kannst du etwas Anderes sagen?", seufzte ich auf. Irgendetwas, das mir hilft, fügte ich gedanklich hinzu. Nun hatte ich ihn wohl doch etwas zu sehr verwirrt. „Hä, wieso denn? Das ist doch... Du willst das Kind nicht?", kam es erst wenig intelligent klingend von ihm, dann klang er plötzlich, als wäre ihm ein ganzer Kronleuchter aufgegangen. „Was? Nein! Doch! Wieso? Willst du nicht...?", erwiderte ich. Die Panik stieg in mir auf. Nicht weil es Nialls Entscheidung war, aber wie sollte ich denn ein Kind großziehen ohne Hilfe und ohne Vater? Mal ganz davon abgesehen, dass ich mit jeder Hilfe im Universum vermutlich immer noch die schrecklichste Mutter aller Zeiten wäre. Vermutlich würde ich mein Kind im Supermarkt vergessen oder in der U-Bahn. Oh Gott. Konnte ich das so einem kleinen Wesen wirklich antun? Immerhin hatte das ja keine Wahl. Niemand hatte es gefragt, ob es zu einer top organisierten Mutter oder einer durchgeknallten jungen Frau, deren zweiter Name „Chaos" lautete, in den Bauch wollte.

Nach einigen Minuten hatte ich mit Niall über alles gesprochen, was ich bisher wusste. Das war ja auch nicht gerade viel: Ich war schwanger und befand mich in der sechsten Schwangerschaftswoche. Ich teilte ihm mit, wann ich meinen Arzttermin hatte und sagte, dass er gerne kommen könnte, falls die Tour und Promo-Termine das zuließen. Immerhin war es ja auch sein Kind. Es war auch ein guter Test, ob er sich wirklich dafür interessierte oder ob ich die nächsten Monate und achtzehn Jahre auf mich alleine gestellt war. Durch den Grund unseres Gespräches ignorierte ich vollkommen die Tatsache, dass es seltsam war, wieder mit Niall zu sprechen. Ich hatte seine Stimme vermisst. Rein freundschaftlich natürlich. Alles rein freundschaftlich. Was auch sonst? Niall teilte mir mit, dass er auf jeden Fall versuchen würde, zum Arzttermin hier zu sein, aber er konnte nichts garantieren, da er das mit Marco abstimmen musste. „Wer weiß schon alles davon?", sagte Niall, „Also, dass du schwanger bist, meine ich. Das wir schwanger sind." Ich verkniff mir den Kommentar, dass er kein Kind in sich trug und in ein paar Monaten aus sich herauspressen würde, also war er auch nicht schwanger. Immerhin versuchte er mich noch nicht abzuschieben oder zu bestechen. Das war ja schon mal ein Anfang und gab mir etwas Hoffnung.

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