Ich hasse den Valentinstag.
Ich hasse ihn abgrundtief.
Wasser tropft an den Strähnen meines Ponys hinunter.
Der Wolkenbruch über mir ist gewaltig, ich sehe nichts mehr.
Scheiß Tag.
Mit eiligen Schritten verschwinde ich in der Tür des Hochhauses, in dem ich seit zwei Monaten wohne.
Seit ich Tom mit einer anderen erwischt habe...
Tom, das muss vielleicht fairerweise erwähnt werden, war weder der erste Mann der mir das Herz gebrochen hat, noch der erste, der mich betrogen hat.
Vor ihm war da ja noch Chris, dieser Idiot...
Und genau deswegen hasse ich den Valentinstag.
Wieso feiern Menschen sowas auch noch?Ich stehe mitten im Treppenhaus und wringe meine Haare notdürftig aus.
Da bemerke ich ein leises Geräusch.
Erschrocken sehe ich auf und erkenne Noah, er wohnt ein Stockwerk über mir.
Wir haben nicht viel miteinander zu tun, um ehrlich zu sein, finde ich Noah etwas merkwürdig.
Er grüßt nie, redet generell mit niemandem, ist immer komplett schwarz angezogen und verhüllt sein eigentlich hübsches Gesicht stets mit einer Kapuze.
"Ähm... Hi...", sage ich zaghaft.
Noah sitzt auf der Treppe, mit verschränkten Armen.
"Auch n scheiß Tag gehabt?", fragt er mit der Andeutung eines Lächelns.
Wow, er kann sprechen.
"Jap... Was machst du hier?"
"Meine Ex wollte nur noch ein paar Sachen abholen, um sie zu ihrem Neuen zu schleppen und hat es dabei geschafft, uns beide auszusperren. Dann ist sie schulterzuckend wieder ab zu ihrem Lover und ja... Hier sitz ich jetzt."
Oh, bei ihm läuft es wohl genauso schlecht wie bei mir.
Er tut mir leid, wie er da auf den Treppenstufen sitzt.
Es ist kalt hier draußen und sicherlich wäre er jetzt einfach gerne alleine auf der Couch, immerhin ist er an diesem Tag wohl genauso alleine wie ich.
"Oh, das tut mir leid..."
"Passt schon, du hast es ja nicht verbockt", meint er schulterzuckend.
Langsam nicke ich, dann spricht mein Mund automatisch schon die Worte aus, die ich eigentlich zurück halten wollte.
"Willst du mit zu mir? Ich meine, es ist echt kalt hier und so... Und bis wir einen Schlüsseldienst gefunden haben, der dir das Schloss wieder öffnet, ist es schon okay."
Langsam und zögerlich nickt er, so als würde er es auch für keine gute Idee halten, aber trotzdem einfach zusagen müssen.
"In Ordnung."
Ich gehe an ihm vorbei, während er sich hinter mir erhebt und mir nach läuft.
"Es ist leider etwas unordentlich und ich habe auch nicht viel im Kühlschrank..."
"Das passt schon", wirft er schnell ein.
"Okay."
Ich öffne die Tür zu meiner Wohnung und lege die Jacke und meine Tasche an der Garderobe ab.
Noah steht unsicher, mit auf dem Rücken verschränkten Händen da und lässt seine Augen durch den Flur gleiten.
"Willst du was trinken?", frage ich ihn.
"Wasser."
Ich winke ihn ins Wohnzimmer, wohin er auch kommt, nachdem er sich artig die Schuhe ausgezogen hat.
Ich fülle ihm ein Glas ab und reiche es ihm, bevor ich zum Bad gehe.
"Ich muss mich umziehen und meine Haare föhnen, aber ich komme gleich wieder."
Im Bad sperre ich eilig die Tür zu und versuche in Rekordzeit mich umzuziehen, Deo und Parfum aufzutragen und meine Haare und mein Make-Up zu richten.
Das Endergebnis ist, denke ich, ganz okay.
Es sieht nicht gemacht aus, aber halt auch nicht ungemacht.
Ich habe ein enges blaues Sweatshirt und schwarze Leggings an und meine Lippen sind rosig.
Die hellbraunen Haare und die Augen ergänzen sich toll.
Eigentlich sehe ich echt nicht schlecht aus.
Und eigentlich bin ich auch kein wirklich schlechter Mensch.
Warum bekomme ich dann immer nur solche Idioten wie Tom und Chris ab? Und warum bin ich an solchen Tagen ständig alleine?Mit einem Kopfschütteln vertreibe ich die Gedanken und kehre zu Noah zurück.
"Und du wohnst hier alleine... Oder...", stammelt er und starrt mich an.
Sehe ich irgendwie komisch aus oder so?
"Ja. Ich bin hier vor zwei Monaten eingezogen, nachdem mein Ex mich betrogen hat."
"Oh... Das ist scheiße, ich weiß..."
Er überlegt.
"Und du bist immer noch allein?"
Ich lache bitter.
"Sonst hätte ich heute Abend wohl kaum nur Pizza und schlechte Komödien geplant."
Er lacht auch, laut und überraschend herzlich und mein Mund verzieht sich automatisch zu einem echten Lächeln.
"Pizza und schlechte Komödien klingt doch auch toll", erwidert er schließlich.
Ich zucke die Schultern.
"Keine Ahnung... An solchen Tagen allein zu sein, gibt mir immer das Gefühl, das einsamste Herz der Welt zu haben", sage ich nachdenklich.
Es stimmt, sowas tut im Herzen weh.
"Na ja, du bist ja heute nicht allein... Also wenn du willst. Ansonsten verzieh ich mich gern wieder in das Treppenhaus."
Noah grinst schief, während ich die Augen aufreiße und mein Herz kurz aussetzt.
Er will den restlichen Tag mit mir verbringen?!
Den Valentinstag?!
Ist das etwa...
"Ein Date? Du willst ein Date mit mir?", frage ich perplex.
"Wir können es nennen wie du willst."
Nervös und sprachlos stehe ich da.
Ich meine, ich mag Noah, er sieht gut aus, er ist interessant und ich bin mir sicher, dass ich ihn immer mehr mögen würde, je mehr Zeit ich mit ihm verbringe.
Aber ich kenne ihn ja auch kaum...
"Also welche Pizza willst du?", beginnt er das Gespräch von neuem.
"Hawaii", antworte ich schnell und sage dadurch wohl irgendwie zu, zu diesem Date.
"Okay, also einmal Hawaii und einmal Vegetarisch... Ich bestelle und bezahle."
"Ähm... Danke..."
Ich nage auf meiner Lippe.
"Also bist du Vegetarier?"
Noah zuckt die Schultern.
"Das meiste Fleisch schmeckt mir einfach nicht."
"Ach so..."
Er holt sein Handy raus und tippt eine Nummer, die er auswendig kennt.
Interessant...
Nachdem er die Bestellung aufgegeben hat, schaut er mich an.
"Warum stehst du immer noch da?", er runzelt die Stirn, "Soll ich vielleicht doch gehen?"
"Nein, nein, es ist alles gut...", sage ich schnell, aus irgendeinem Grund will ich, dass er bleibt.
"Ich schau nur schnell in den Kühlschrank", sage ich und verschwinde nach nebenan.
Bitte lass mich nicht...
Ah, da ist es ja.
Ich habe tatsächlich noch Sekt und Bier da und in einem Küchenschrank finde ich auch noch Salzstangen.
Immerhin, ich bin nicht komplett blank.
"Hier, wenn du willst... ", biete ich ihm an.
Er bedankt sich und ich merke, wie er sich etwas anspannt, als ich mich neben ihn setze.
"Also, erzähl, warum war dein Tag so schlimm?"
"Hab ne Abmahnung bekommen. Und wurde für die nächsten Tage freigestellt. Und hab den Bus verpasst, deswegen war ich auch so nass."
"Oh", meint er und verzieht das Gesicht, "darf ich fragen, wieso du freigestellt wurdest?"
"Ähm... Ich hatte Streit mit meinen Kollegen..."
Er beginnt zu grinsen.
"Warum?"
Ich seufze und erkläre ihm lang und breit, wie eine frischverliebte Kollegin von mir schon die ganzen vorherigen Tage mit dem Valentinstag genervt hatte und wie sie dann heute Morgen Blumen von ihrem Freund bekommen hat und mir unter die Nase gerieben hat, wie glücklich sie doch ist und wie unglücklich ich doch aussehe. Und wie ich dann in einer Kurzschlussreaktion den Blumenstrauß einfach zerstört habe.
Noah starrt mich einige Sekunden geschockt an, dann beginnt er zu lachen.
Ich werde rot, irgendwie ist mir die Geschichte schon peinlich, gleichzeitig muss ich auch lachen, weil es auch echt witzig ist, ausgerechnet so raus zu fliegen.
"Der Tag scheint ja ein richtiges Trauma bei dir zu sein", stellt er kichernd fest.
"Mein einer Ex hat mich genau am Valentinstag verlassen und der andere genau an dem Tag betrogen, schätze, das lässt mich ihn so sehr hassen", erkläre ich schulterzuckend, doch es macht mir nichts aus es auszusprechen, ich fühle mich grade leicht und fröhlich.
Es klingelt.
"Das ist die Pizza, ich mach das", sagt Noah und steht eilig auf.
Ich höre ihn reden, dann geht die Tür wieder zu und er kommt mit zwei Kartons zurück.
"Guten Appetit", ruft Noah überschwänglich, als er zurück kommt.
"Danke", lache ich.
Wir essen unsere Pizza und reden und trinken ein wenig was und irgendwann schalten wir den Fernseher ein und reden trotzdem weiter, über alles mögliche.
"Warum hast du eigentlich keinen Schlüsseldienst gerufen?", frage ich irgendwann.
Er zuckt die Schultern.
"Irgendwie wollte ich noch nicht zurück in die Wohnung."
"Hm", mache ich und denke nach.
Verständliche Begründung.
Ich wäre auch nur ungern heute in diese Wohnung gegangen, wäre er nicht dabei gewesen.
"Es ist schon 21:30 Uhr", sagt Noah erstaunt.
Ich schaue auf.
"Na ja, wenn du jetzt einen Schlüsseldienst rufst, wird es noch teurer", meine ich nervös und hoffe, dass es zieht.
Er soll bleiben, egal wie egoistisch es klingt.
Und tatsächlich nickt er.
"Ja, das stimmt... Aber dann müsste ich hier bleiben..."
Er sieht mich still fragend an.
"Ja, das ginge schon... Also nicht, dass hier ständig irgendwelche Typen wären... Aber du könntest ja auf dem Sofa schlafen...", stottere ich.
Verdammt, ich blamiere mich total.
"Hm...", macht er und dreht sich kurz wieder zum Fernseher.
Beschämt wende ich mich ab und schaue zu Boden.
"Vielleicht können wir auch einfach zusammen hier auf dem Sofa bleiben", sagt er leise.
Ich schiele zu ihm hoch und bemerke, dass er mich mit seinen grauen Augen anschaut.
"Klar..."
Er lächelt leicht und legt langsam seinen Arm um mich.
Ich weiß, wenn ich wollte, könnte ich mich einfach zurücklehnen und so dem ganzen ausweichen, aber ich bleibe ganz ruhig und lasse es ihn machen.
Sanft zieht er mich an sich und ich lehne meinen Kopf an seine Brust.
Schweigend schauen wir uns den Film an, aber es ist ein angenehmes Schweigen.
Ich fühle mich gut in seinem Arm.Irgendwann liegen wir zu zweit auf dem Sofa und Noah schaltet den Fernseher aus.
Innerhalb von Minuten schlafe ich ein.Der nächste Morgen ist toll.
Wirklich, wirklich toll.
Wir essen Pfannkuchen mit Honig und Nutella, trinken Orangensaft und Kaffee und schließlich räumen wir noch zusammen auf.
Wir tun alles, um die Zeit hinaus zu strecken.
Doch irgendwann ist es dann soweit.
"Ich schätze, ich sollte einen Schlüsseldienst rufen", sagt Noah, die Hände tief in den Taschen vergraben.
Ich nicke traurig.
Wir stehen uns gegenüber und schauen uns traurig an.
"Es war schön mit dir", flüstere ich.
Am liebsten würde ich weinen, bei dem Gedanken, dass er gleich geht.
"Mit dir auch", haucht er.
Dann breitet er die Arme aus und automatisch erwidere ich die Umarmung.
Nach einer Weile schiebt er mich von sich auf Armeslänge weg und betrachtet mich.
Ich halte die Luft an und schlucke hart, während er sein Gesicht zur Seite legt und mir immer näher kommt.
Oh Gott...
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, berühren sich unsere Lippen und mein Herz explodiert.
Sanft zieht er mich noch näher und flüstert in mein Ohr: "Vielleicht komm ich auch wieder, sobald meine Wohnung wieder offen ist."
"Ich könnte auch gleich mit zu dir kommen", erwidere ich leise.
Alles Laute würde den Moment zerstören.
"Hmm... Ja, könntest du...", Noah lächelt schief.
Ich grinse zurück und stelle mich auf die Zehen, um meine Lippen erneut auf seine zu legen.Fünf Jahre später...
"Ich hätte damals nie gedacht, dass es mal soweit kommen würde", kichert Noah.
"Ich auch nicht", lache ich glücklich.
"Und? Was gefällt dir an deinem neuen Leben als Ehefrau am besten?"
"Hm...", mache ich und tue so, als würde ich nachdenken, "der Nachname vielleicht?"
Wir lachen beide und Noah zieht mich in seine Arme, genau wie damals, an diesem einen Valentinstag, der soviel besser verlaufen war, als die davor.
Wir sitzen auf der Sitzbank in einer weißen Kutsche, in einem Brautkleid und einem edlem Anzug.
Mein Schleier weht hinter uns her und wir sind umgeben von all unseren Freunden und Familienangehörigen.
"Ich liebe dich", sage ich und schaue Noah an.
"Ich liebe dich auch", flüstert er und küsst mich.
Es ist der 14. Februar.
Valentinstag.
Unser Tag.---------------------------------------------------------
Danke für's Lesen 😉
Ich hoffe es hat euch gefallenUnd ich hoffe, dass auch die, die am Valentinstag alleine sind, niemals die Hoffnung aufgeben, dass auch sie noch ihren passenden Partner und ihre große Liebe finden ❤️
Er ist irgendwo da draußen und im richtigen Moment werdet ihr euch finden 😉
Schönen Valentinstag ❤️🌹
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Be my Valentine ❤️
Cerita PendekEine kurze Geschichte zum Valentinstag und dazu, wie nah manchmal die große Liebe sein kann, auch wenn man nicht daran glaubt.