Teil 2 - Der Anfang

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Sein zweites Erwachen fühlte sich einfacher an als sein erstes. Dieses Mal stand kein starrender Crowley vor ihm, der bei genauerer Betrachtung mehr Mensch in sich hatte als Dean in diesem Moment. Dieses Mal war er nicht im Bunker, in seinem Zimmer, seinem Bett. Dieses Mal war Sam nicht wenige Meter entfernt, kurz nachdem er in seinen Armen gestorben war.

Die Welt verschwamm vor seinen Augen bevor die Konturen wieder scharf wurden. Er blinzelte, die schwarzen Augen verschwanden. In einer fließenden Bewegung richtete er sich auf. Seine Glieder fühlten sich verrostet an, sein Kopf hämmerte immer noch unangenehm vielleicht eine Nachwirkung des Vampirgifts. Ein schmales Lächeln huschte über sein Gesicht. Nun, interessant: Dämon schlägt Vampir.

Die dreckige Lagerhalle in der er sich befand war leer, abseits von der trügerischen roten Pfütze auf dem Boden schienen der Raum nichts Besonderes zu sein, eine Reihe von dreckigen Fässern, zerfallene Türen und rostige Balken.

Gerade als er sich aufrichten wollte bemerkte er, wie seine Hand zurückgezogen wurde. Die Spur einer Erinnerung blitzte vor seinem inneren Auge auf. Stimmt, man hatte ihn gefesselt. Sein Blick wanderte nach unten, dann zog er einmal fest an der Handschelle und das Metall beugte sich seinem Willen.

Beifällig bückte er sich nach der ersten Klinge und fischte sie aus der roten Flüssigkeit unter seinen Füßen. „Ekelhaft", murmelte er, als er die Waffe provisorisch an seinem ohnehin schon blutigen Hemd abwischte und in seinen Gürtel steckte.

Zielstrebig marschierte er auf die Tür zu, als er etwas hörte. Stimmen. Bekannte Stimmen. Ein Lächeln legte sich über sein Gesicht, als die beiden Vampire den Nachbarraum betraten. Den Moment genießend hielt er inne und legte den Kopf schief, während er die brennende Erwartung des Mahls empfing.

Die Vampire stutzten, als sie den Raum betraten. Die Augen des Mädchens weiteten sich. „Wie ..." Ihr Blick schoss zu der verräterischen Pfütze am Boden. „Wie ...", wiederholte sie und wollte einen weiteren Schritt nach vorn treten, wurde jedoch beinahe augenblicklich von dem älteren Vampir zurückgezogen.

Das Lächeln auf dem Gesicht des Dämons, Deans Gesicht, wuchs in dem Augenblick, da sich sein Blick und der des Vampirs trafen.

„Emma, bleib zurück", zischte er und drückte sie ein Stück nach hinten. Offenbar hatte er bemerkt, dass etwas mit dem plötzlichen Erwachen nicht normal war. Leider etwas zu spät, schoss es durch Deans Kopf. Er blinzelte; entblößte seine schwarzen Augen, als er die Klinge hob und die Vampire angsterfüllt zurückwichen.

Die Stimme des Anrufbeantworters hallte unangenehm laut in seinem Ohr wieder. Wütend drehte er die Lautstärke leiser und wartete auf das mechanische Signal. „Sam", rief er dann in sein Telefon. „Verdammt, wo bist du? Ich glaube einer der Vampire hat mich erwischt, aber mir geht's gut. Wenn du das hörst komm sofort zum Impala."

Verbittert legte er auf und sah sich erneut in der Dunkelheit der Nacht um. Er konnte sich nicht vollends sicher sein, doch es fühlte sich an, wie dieselbe Nacht. Der Mond stand immer noch hoch am Himmel, vereinzelte Wolken zierten den Himmel über den Baumspitzen. Und Sam schien noch nicht zurückgekommen zu sein.

Der Gedanke an seinen Bruder rumorte in ihm wieder und es regte sich ein tief sitzender Groll. Sam. Sein kleiner Bruder Sam. Dieses Mal würde er nicht so dumm sein. Dieses Mal hatte er einen Plan.

„Dean!"

Sams Stimme ließ seine Züge zucken.

„Verdammt, da bist du ja", rief er ihm entgegen und wandte sich um, sein Gesicht wieder glatt.

Sein Bruder trug immer noch die Axt an seiner Seite, abseits von einem Schnitt auf seiner Wange schien er unverletzt.

Die besorgten Hundeaugen seines Bruders blieben an Deans blutigen Kleidern hängen. „Was ist passiert?"

Ohne es wirklich beeinflussen zu können schnürte sich Deans Kehle einen Augenblick lang zu. „Es wurde schmutzig", bemerkte er lässig. „Ich hab die Machete verloren."

Sams Augen ruhten einen weiteren Moment auf ihm, dann nickte er zögerlich. „Gut, gut. Lass uns nach Hause fahren."

Ja. Nach Hause. Bevor sich Sam abwandte wanderte sein Blick ein letztes Mal über sein Gesicht. Dean konnte sich denken was sein Bruder sich gerade fragte: Welches Massaker würde er wohl vorfinden, würde er zu dem einsamen Haus zurückgehen? Nur, dass dies nicht der Grund  für seine dreckige Kleidung war ...

Wie selbstverständlich schlug Sam den langen Weg ein und setzte sich auf die Beifahrerseite. Dean hingegen ließ noch einige Sekunden verstreichen bevor er seinen Platz einnahm. Der Motor jaulte auf und Licht flutete die Bäume vor dem Wagen.

Sam neben ihm bückte sich nach seiner Saftflasche. Eine einfache Bewegung, die den Dämon dazu brachte das Lenkrad fester zu packen. „Ernsthaft", scherzte er in beiläufigem Ton, „irgendwann wirst du noch selbst zu Obst, wenn du weiterhin sowas trinkst." Die Worte fühlten sich seltsam an; es war das, was Dean zu seinem Bruder gesagt hätte. Der Mensch, nicht der Dämon.

Als Antwort bekam er ein Schnauben. „Weißt du, es würde dich nicht umbringen so etwas auch mal zu probieren."

Ein falsches Lächeln huschte über Deans Gesicht. „Womöglich", murmelte er in sich hinein und legte den Rückwärtsgang ein, während Sam einen großen Schluck aus der Flasche nahm. Die Anspannung, die einige Sekunden lang die Luft zwischen ihnen hatte zittern lassen, verflog, als Sam das Gefäß absetzte, verwirrt den Kopf schüttelte und anschließend die Flasche zuschraubte.

Der Dämon bemühte sich davon abzuhalten zu lächeln. Ein paar Wochen, vielleicht ein Monat. Länger würde er nicht durchhalten müssen, denn dann würde es egal sein, wenn er es herausfand. Denn dann würde es bereits zu spät sein.

Während die Landschaft neben ihm zu einer glatten Mauer verschmolz und der Impala an Geschwindigkeit gewann wanderte der Blick des Fahrers kurz nach unten zu seinem Unterarm auf dem immer noch das Kainsmahl brannte. Die Schnitte und der Biss des Vampirs waren nicht mehr zu sehen; genauso wenig, wie der Schnitt, den er gesetzt hatte um sein Blut in die Flasche seines Bruders zu mischen.

Ein Impuls, wie ein Hauch von Erwartung schien von dem Mahl auf seinem Arm auszugehen und das Gefühl echote in ihm wieder. Dämonen konnten keine Freude spüren, nicht richtig. Doch wenn er sich versuchte sich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte, dachte er genau an dieses Gefühl. Sam war bereits einmal beinahe zum Dämon geworden. Und er würde ihm nur zu gern dabei helfen ein zweites Mal diesen Weg zu gehen. Nur stand er dieses Mal an seiner Seite.

Out Of Control (Supernatural FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt