Endlich lies Ju ohne langem Nachdenken Naomis Handgelenk los. Mit roten, verweinten Augen und purem Grauen flüchtete sie von uns.
An diesem Tag kam mein Vater nicht nach Hause und ich hätte wieder einmal eine friedliche Nacht haben können, jedoch gaben mir meine Gedanken keine Ruh.
Der darauf folgende Tag war sonnig und auf einer Seite überraschender Weise friedlich. Als ich in die Klasse eintritt, zuckte es sofort mit Naomi vor Schreck, als unsere Blicke aufeinander trafen. Kurz danach wanderten ihre Augen zu ihren Freunden, die ebenfalls angespannt wirkten. Ich bemerkte wie Naomi ihren Arm festhielt, der mit einem Band verbunden war.
Und, tat es weh?
Spürst du Schmerz?
So viel Schmerz wie ich die ganzen Tage?
Nein, du spürst nicht einmal annährend so viel Schmerz wie ich.Mitleid konnte ich in meinem Wortschatz nicht finden.
Ich setzte mich auf meinen Platz und packte meine Bücher aus meiner Tasche, bis plötzlich eine Hand auf mein Tisch krachte. Ich blickte nach oben und schaute in das verunsicherte Gesicht von Naomi, das sie versucht hat mit Mut zu überdecken.
"Also hör mal, ich werde mich nicht dafür bedanken, dass du ihn aufgehalten hast, aber wie wäre es damit, wenn wir einfach alles was zwischen uns passiert ist vergessen würden?", sagte sie selbstsicher.
Bei diesem Satz musste ich anfangen zu schmunzeln.
"Pfff, denkst du wirklich, ich kann all das vergessen, was ihr mir je angetan habt? Wie naiv." antworte ich.
Naomis Augen weiteten sich. "Du bist verrückt." meinte sie, drehte sich weg von mir, ging weg und nahm auch meine Angst mit ihr mit.Mehr als alles andere auf dieser Welt, wollte ich Julien sehen.
Gleich nach dem Läuten stürmte ich aus dem Klassenzimmer und ging einen Stock rauf, wo sich die Klassen befanden, die ein Jahr ober uns waren. Ich warf in jeden Raum einen schnellen Blick, doch Ju war weit und breit nicht zu finden. Als ich gerade nach Draußen eilen wollte, bemerkte ich wie das Mädchen von gestern mit den stechend grünen Augen mit einer anderen Schülerin fast vor mir standen. Ich nahm mir vor sie einfach zu ignorieren und mit einem steifen Blick nach vorne an ihnen vorbei zu gehen. Es gelang mir auch, bis ich ein "He du. Warte mal.", hörte.
Ich blieb stehen.
Verdammt.
Ich atmete tief ein und aus und drehte mich mit Schwung um. "Komm mal her.", fügte sie hinzu und ich tat dies auch. Von der Nähe schaute sie noch perfekter aus. Sofort wurde ich angepsannt, als ich wieder daran dachte, wie sie ihre Arme um Ju hatte. Ich wünschte ich könnte ihn genauso gelassen berühren."Wie erbärmlich. So in Eile um Julien zu finden, obwohl er nicht in der Schule ist. Du weisst nicht einmal, dass er wegen dir für eine Woche nicht die Schule betreten darf und Zuhause bleiben muss."
Sie lies mir keine Zeit um zu verarbeiten, was sie gerade gesagt hat, als sie mich am Handgelenk packte und mich zu ihr zog. Ich konnte ihren angenehmen Rosengeruch riechen und ihre weichen Haare strichen über meinen Arm.
"Denk nicht du bist was besonderes, du bist nur eine von mehreren.", flüsterte sie in mein Ohr und entfernte sich von mir. Ein kleines gefälschtes, etwas teuflisches Lächeln bildete sich in ihrem Gesicht. Sie warf ihre Haare über ihre Schulter und lies mich einfach so zurück stehen.Völlig überfordert mit der Situation schaute ich zu dem Mädchen neben mir runter, die nur ca. 1 Meter 50 groß war. Sie schien genauso überfordert zu sein wie ich. Sie hatte ihre Hände abwehrend in der Höh und schaute hektisch hin und her, unwissend ob sie ihrer Freundin nach gehen sollte oder nicht. Sie hatte hell braune Haare, die gerade so unter ihre Ohren reichten und die mit einer Masche auf der Seite geschmückt waren. Ihre Augen waren ein völliges Farbenspiel, was für ein hübsches, unschuldiges Mädchen.
Sie riss mich aus meinen Gedanken, indem sie sich plötzlich vor mir verbeugte.
"Es tut mir unglaublich leid! Akemi ist nicht immer so, sie ist wirklich ein liebes Mädchen!", kamen ihr schon langsam die Tränen."Ach wirklich?" antwortete ich skeptisch und sie nickte nur stark mit ihrem Kopf.
"Kann ich es wieder irgednwie gut machen?", schaute sie mich mit Hundeaugen an.
"Ja kannst du eigentlich...ich muss mich bei Ju entschuldigen, weisst du seine Adresse?"
Sie strahlte wieder auf. "Na klar! Ich heiße Sakura, wenn du was brauchst kannst du immer zu mir kommen!"
Und da stand ich nun. Vor einem Haus mit kleinem Vorgarten, das nicht weit von der Schule lag. Wieder waren tausende von Gedanken in meinen Kopf. Wie ich sie schon langsam hasste.
War das eine gute Idee hier her zu kommen?
Und was meinte dieses unhöfliche Mädchen, ich mein Akemi, dass ich nur eine von vielen bin!?
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und ging entschlossen Richtung Haustür und läutete paar mal an. Nach 5 Minuten verzweifelten anläuten gab ich auf. Aber Ju musste doch Zuhause sein!Ich weiss nicht was über mich kam, aber ich griff nach der Türklinke und drückte die Tür ohne Probleme nach innen.
Huch? Es ist offen!
Ich trampelte ein paar Schritte nach vorne und stand in einem etwas finsteren Vorzimmer.
"Entschuldigung die Störung...", murmelte ich vor mich hin und traute mich noch ein paar Schritte rein.
Sag einmal was mach ich da überhaupt, ich kann doch nicht einfach in ein fremdes Haus rein!
Wie auf Befehl knallte die Tür und schloss sich. Erschrocken drehte ich mich um und seufzte. Das Schicksal will wohl, dass ich drinnen bleibe.
"Ju?", rief ich mit einer etwas zittrigen Stimme.Stille.
Ich ging aus irgendeinem, mir unbekannten Grund so leise wie es ging die Stiegen rauf. Hinten am Gang konnte ich einen offenen Spalt zu einem Zimmer sehen und sofort zog es mich dorthin. Langsam öffnete ich die Tür. Das Zimmer war groß, aber viel zu leer. Es stand genau ein Kasten drinnen und ein Schreibtisch mit einem Sessel dazu. Mir gegenüber war ein Doppelbett, was das Zimmer ein bisschen füllte. Über dem Bett befand sich das einzige, große Fenster und ich musterte Juliens Rücken und breite Schultern, während er auf dem Fensterrand saß. Mit einer grauen Jogginghose, weisem Tshirt und als auch seine Haare von der Sonne beläuchtet wurden und der Wind mit ihnen spielte, sah er so friedlich aus.
Doch sofort zebrach dieses wunderschöne Szenario von ihm, als er sich zu mir umdrehte und ich sein leidendes und trauriges Gesicht sah. In seinen Augen konnte ich überhaupt kein Anzeichen von Freude finden und er runzelte seine Stirn als würde er am liebsten Weinen und alles aufgeben, während seine Haare ausschauten wie tausende weiße Federn.
In diesem Moment kam es mir auch so vor, als würde ein Stück von meinem Herzen brechen, ich wollte nicht, dass meine wichtigste Person so einen Gesichtsausdruck hatte. Ich streckte meinen Arm nach Ju aus und lief zu ihm. Ich schlingelte meine Arme um seinen Bauch und zog ihn nach hinten, sodass wir beide auf sein Bett fielen.
"Ame?", meinte Ju überrascht und lächelte, während wir beide auf dem Bett nebeneinader lagen.
Seine Haare waren noch mehr verwuschelter als vorher.
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Him & I
Teen FictionAme ist 16 und lebt ein Leben, dass sie am liebsten endlich beenden würde. Als das Mobbing in der Schule und das Misshandeln ihres Vaters über ihre Grenzen schritt, trifft sie auf den Jungen Julien, der nicht wie jeder andere ist. Seine Persönlichke...