Only One Day

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So schnell wie die Landschaft an mir vorbei zu fließen scheint, habe ich sie noch nicht gesehen. Womöglich liegt es daran, dass es meine erste Zufahrt in meiner 17-jährigen Existenz ist. Wie gebannt starre ich aus dem Fenster und schaue die Landschaft an, die in wenigen Sekunden schon Meter weit in der Vergangenheit liegt.

Während ich fasziniert aus dem Fenster schaue, schaut mich meine Betreuerin ebenso fasziniert an. Schon seit 2 Jahren ist sie für mich zuständig - mein Vormund. Ebenso seit 2 Jahren ist sie endlos in mich verliebt. Aber vergeblich. Dies weißt sie jedoch nicht. Genauso weißt sie nicht, dass ich ihre Gefühle schon längst durchschaut habe. Schockierend ist einzig und allein der Fakt, dass es anscheinend nur ich bemerkt habe.

Seit 2 Jahren versucht sie bei mir auf zu fallen. Sie macht es nicht auf einer unangenehm Weise, jeden Tag ist sie schick angezogen und sieht gepflegt aus. Natürlich sieht sie jeden Tag hinreißender aus, dieser Gedanke sitzt nicht nur in meinem Kopf. Viele männliche Jungendbetreuer stehen auf sie. Aber niemand bemerkt, dass sie schon ins Geheime verliebt ist. Sie ist auch charakterlich eine angenehme Persönlichkeit. Ruhig, freundlich, hilfsbereit und höflich. Ihre Chancen irgendwann den richtigen Mann zu finden und eine Familie zu gründen liegt bei ihr enorm hoch. Aber ich bin sicherlich nicht der Richtige.

Man könnte mich als das Problemkind des Jugendheimes benennen. Jedes Jugendheim hat ein Problemfall.
Wie es mir aufgefallen ist?
Ich bin der Einzige mit einem Einzelzimmer. Und wer jetzt denkt, wow ist doch Klasse, ich will mein Zimmer auch nicht mit fremden Menschen teilen, liegt nur zur hälfte auf dem falschen Weg.

In der Tat möchte ich mein Zimmer nicht mit schreienden wildfremden Kinder teilen. Verpflichtet zu sein ihnen bei ihren Hausaufgaben zu helfen, mit ihnen zu spielen oder ihnen gute Nacht Geschichten zu lesen.

In diesem Jugendheim lernen wir auf andere Menschen zu achten. Uns wird also einen sozialer Geist eingesetzt.

Die Tatsache, dass es bei mir nicht zuklappen scheint, ist für das Heim sehr ärgerlich. Ich wäre für sie gar eine Trophäe wenn sie es schaffen würden aus mir jemand soziales zu machen.
Aber dies werden sie nicht mehr hinbekommen. Sie haben nur noch ein halbes Jahr Zeit, bis ich volljährig werde und auf eigene Füße stehen kann. Dies allein ist ebenfalls der Grund, weshalb ich aufgegeben habe aus dem Heim abzuhauen.

Ich bin kein schlechter Mensch nur weil ich mich nicht sozialisiere. Genauso wie die Menschen mich und meine Eltern damals im brennenden Gebäude zurück gelassen haben, lasse ich sie zurück. Es hatte mir niemand geholfen als ich verzweifelt nach Hilfe gerufen habe. Als ich die reglosen Körper meiner Eltern heraus ziehen wollte. Als ich angefangen habe zu überlegen wenn es sich mehr zu retten lohnt. Vater oder Mutter? Sie hatten bloß in meine Richtung geschaut und ihre Blicke hatten alles gesagt. „Das arme kleine Kind hat seine Eltern verloren. Schnell beeilen wir uns ehe wir auch so enden.“

Seit dem habe ich die Hoffnung an die Menschheit verloren. Sie scheinen alle so hilfsbereit und doch, wenn es mal zu einer kritischen Situation kommt fallen die Masken. Dann wollen alle nur noch sich retten.

Ich habe mich im Heim isoliert und irgendwann bekam ich auch einen Raum in dem ich mich isolieren konnte. Mein Einzelzimmer. Wäre man aus dem Nichts in mein Zimmer gelandet wäre man in Panik verfallen und hätte sich gefragt: „Was habe ich in einer Gefängniszelle zu suchen?“
In diesem Raum steht nur ein Bett und ein kleinen Nachttisch. Sehr böse. Es wirkt nämlich so, als wären sie so freundlich mir einen Nachttisch zu spendieren obwohl sie ganz genau wissen, dass ich nichts darauf zu legen habe. Es ist alles verbrannt.

Die einzigen Momente in denen ich mich in mein soziales Umfeld integrieren muss, ist wenn ich mich - dem Internet zuliebe - in den Gemeinschaftsraum verliere. Aber dies ist eben die einzige Möglichkeit um meinen geliebten Sänger zu sehen. Kris Wu. Ich glaube würde er nicht existieren, wäre ich schon längst gestorben vor Verzweiflung keine Interessen zu haben.

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