Auf dem Tisch stand ein kleines, flackerndes Kerzenlicht.Das Wachs tropfte herunter. Es erhellte den Raum ein wenig. Eine Gruppe von Jugendlichen saß um den Tisch herum.
Noah saß mir gegenüber und schaute mich an. Sein Blick durchschaute mich. Ich war nicht böse darüber, dass er mich nicht ansprach. Vielleicht wollte ich gar nicht reden. Alles um mich herum nahm ich nur abgestumpft war. Das Gemurmel der Anderen rauschte an mir vorbei. Meine Gedanken waren pures Chaos. Wie ein Bild aus Farben, in dem sich kein Motiv finden lässt, egal wie lange man sucht. Gedanken die nicht zu filtern waren. Einfach nur durch meinen Kopf flogen. Ich schloss meine Augen in der Hoffnung, dass sich das Chaos ordnen würde. Ich konzentrierte mich auf meinen Atem.Plötzlich fand ich mich in dem Raum, in dem ich eigentlich saß wieder. Zurück in der Realität. Ich nahm das Gemurmel der Anderen, das leise flackern der Flamme und das Prasseln des, gegen die Scheibe tropfenden, Regens wahr. Der Raum war warm und stickig. Ich blickte mich um. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich zu ihm sah. Noah saß mir gegenüber. Sein Blick war kalt, leer und starr. Führte ins Nirgendwo. "Luke". Jemand sagte den Namen. Nur leise, aber so das wir ihn alle hörten. Es wurde still im Raum, nur das flackern der Kerze und das Prasseln des Regens waren noch zu hören. Ich zuckte zusammen und richtete meinen Blick auf die Person, die den Namen gesagt hatte.
Die Person redete über Luke, mit einer weiteren Person. So als ob sie ihn gekannt hatte. Als ob es seine Schuld gewesen wäre, dass er gestorben ist. Die Person stellte ihn als einen Lügner und Verräter dar. Sie redete scheinbar nur zu ihrem Gesprächspartner. Flüsternd. Doch das Flüstern schien den gesamten Raum zu füllen.
Plötzlich bewegte sich Noah. Wahrscheinlich zum ersten Mal an diesem Abend, seid er diesen Raum betreten hatte. Er bewegte sich langsam auf die flüsternde Person zu. Einen kurzen Moment stand er einfach nur vor ihr. Bedrohlich und voller Hass. In seinen dunklen Augen spiegelte sich Flamme der Kerze. Er schlug zu. Traf die Person mitten im Gesicht. Es knackste. Blut trat aus der Wunde. Nochmal schlug er zu. Wieder und wieder schlug er auf die Person ein. Noch nie hatte ich ihn so wütend gesehen.
Ohne darüber nachzudenken was ich überhaupt tat, stand ich auf und ging auf ihn zu. Er nahm mich nicht wahr. Vermutlich nahm er gar nichts wahr. Ich zitterte am ganzen Körper. Meine Hände waren kalt wie Eis. Ich legte sie ihm auf die Schulter.
Die Anderen beobachteten nur, gespannt darauf was passieren würde. Hatten Angst und waren gleichzeitig neugierig. Sie sind nur Zuschauer eines sehr realen Theaterstückes und wir drei waren die Darsteller. Mehr war es für sie nicht.
Noah fuhr herum, als er meine kalten und vor Angst schwitzigen Hände an seinen Schultern spürte. Er setzte zu einem Schlag an. Etwas stoppte ihn vor sich selber. Er wirkte wie aufgewacht. Aufgewacht aus einer Trance. Er sah mir in die Augen. Seine funkelten vor Wut. Einen Wimpernschlag später wechselte die Wut zu Trauer. Tiefer, dunkler Trauer. Sein Blick glitt zu der zusammengeschlagenen Person. Etwas entschuldigendes lag in seinen Augen. Er realisierte, dass das was er gerade getan hatte Luke nicht wieder zurückbringen würde. Das er, Noah, nichts tun konnte. Das alles egal war. So einen traurigen Blick hatte ich noch nie gesehen. Mir war als ob ich weinen musste. Es kamen keine Tränen. Er drehte sich wieder zu mir und schaute mir mit seinem traurigen und dunklen Blick in die Augen. Wir standen einen Moment lang nur da und sahen uns in die Augen. Die Zeit schien still zu stehen. Alles um uns herum war ausgeblendet.
Er schüttelte sich. Plötzlich verbannte er wieder alle Emotionen aus seinem Gesicht. Er versteckte sie wieder hinter seiner harten und kalten Mimik. Seiner Maske, die niemand durch dringen konnte. Er schob mich zu Seite und ging mit bestimmtem Schritt aus dem Raum. Die Anderen wichen aus. Ob aus Angst oder Respekt kann ich nicht sagen, vielleicht auch Beidem. Die Vorstellung war damit beendet. Die Anderen fingen an zu murmeln, einige versuchten sich um den Verletzten zu kümmern. Noch immer stand ich starr wie eine Salzsäule. Wie in Trance bewegte ich mich langsam und ging aus dem Raum heraus.

YOU ARE READING
Gedankenfriedhof
Historia CortaEs ist nur eine weitere Ansammlung an Gedanken, Kurzgeschichten und alten Notitzen. Eine Digitalisierung meines Notitzbuches.