Segen und Fluch -1

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Es war ihr erster Auftrag außerhalb des Tempels, und dazu auch noch einer von solch einer Bedeutung! Schnell eilte das junge Drachenmädchen hinaus. Draußen angekommen packte sie ihren Rucksack und sah über das Tal, was sie nun seit 10 Jahren nicht verlassen hatte. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf. Endlich durfte sie über den Rand des einen Gebirgszuges fliegen...

Als sie das Tempelgebiet verließ, verwandelte Tatiana sich sofort in einen wunderschönen Falken mit silbernen Federn und hebte ab. Diese Gestalt hatte sie ebenfalls sehr vermisst, wie der Wind durch die Federn brauste und man von hier oben das ganze Tal überblicken konnte. Die junge Drachendame lebte im Territorium der Gebirgsdrachen, und wie der Name schon sagt bestand die ganze Landschaft aus einem einzigen Gebirgszug mit vielen kleineren und größeren Tälern und Höhlen. Aber diesmal würde sie sich nicht in die sichere Heimat begeben. Das gegenteil war der Fall- das Mädchen begab sich zur Grenze des Territoriums. Hinübergehen würde sie natürlich niemals wagen. Gegenüber lag eine unerbitterliche Wüste, nur abgegrenzt durch einen ruhigen, aber tiefen, Fluss, der die Grenze darstelllte. Nicht nur die vollkommen veränderten klimatischen Bedingungen würden ein Problem sein. Auf der anderen Seite lebte auch ein anderer Clan, der gefährlich war. Um genau zu sein war jeder andere Clan des Drachenlands feindlich. Und da die Drachen schnell stritten, lebten sie alle zurückgezogen in Ihren jeweiligen Territorien, in denen es dann verschiedene Familien und einen Rat der Ältesten gab. So segelte Tatiana nun in Richtung Süden, krächzte hier und da, immer wenn sie jemanden im Gebirge ausmachen konnte. Die meisten winkten zurück, ein paar hielten sie anscheinend für einen echten Vogel und wieder ein paar, höher Gestellte, neigten nur leicht den Kopf. Das junge Drachenmädchen war mit ihren jungen 117 Jahren schon recht bekannt im Gebiet, da sie schon früh über gut ausgeprägte Kräfte verfügte. Ihre Familie war sehr stolz und schickte sie deswegen zur Ausbildung in den Tempel. Die vielen trostlosen Stunden dort im Hinterkopf flog das Drachenmädchen noch fröhlicher durch das Blau des Himmels.

Zur gleichen Zeit, auf der anderen Seite des Flusses , saß ein noch ebenso junger Drache in seiner Menschengestalt in der Wüste. Einen Block auf dem Schoß und mit überkreuzten Beinen skizzierte er die gegenüberliegende Seite des Flusses, die in ihrer Vegetation nur so strahlte. Schmunzelnd beobachtete er, wie sich ein außergewöhnlich schöner Falke krächzend auf eine Maus im Gras vor dem Fluss niederstürzte. Schnell und mit geübten Handgriffen fügte er ihn in seine Zeichnung ein. Doch plötzlich wurde aus dem Falken ein Mädchen, welches ungefähr sein alter haben musste. Der Drache zuckte kurz erschrocken zusammen und verhielt sich ruhig, während er beobachtete, wie sie Maus ins Gras zurücklegte, sich selbst gegen die Stirn schlug und mit sich selbst zu meckern schien. Dann stand die junge Drachendame auf, wobei ihm sofort ihre violetten Haare, die ihr locker über die Schultern hingen, auffielen. Sie ging zum Wasserrand und tauchte ihre blasse Hand in das seichte Wasser und murmelte vor sich hin. Doch plötzlich sah das Mädchen auf und erblickte den Wüstendrachen. Sofort sprang sie zurück, wodurch er etwas verwundert den Kopf schief legte. Natürlich wusste er über die Regeln und die Gschichten, die über die anderen Clans erzählt wurden. Aber so gefährlich sah der verwuschelte Lockenkopf Luciam nicht aus. Vielleicht war sie auch einfach schreckhaft? So beobachtete er sie einfach, als sie aufstand, sich die Sachen abklopfte (was vollkommen überflüssig erschien, denn der Sand war auf seiner Seite) , den Rücken durchstreckte und sich räusperte: "Guten Tag, ich bin Tatiana aus der Familie der Sternensänger, im Auftrag des Tempels. Bitte Identifiziere dich."

Jetzt war auch Luciam etwas aufgeregt, schnell legte er den Skizzenblock zur Seite und Stand auf. "Mein Name ist Luciam, ich komme aus der Königsfamilie des Wüstenclans. Was für ein Auftrag bringt dich zur Grenze?" "Ich untersuche etwas." antwortete sie knapp und kniete sich wieder ans Wasser. "Schließlich könntest du ein Spion sein." fügte sie noch hinzu und schielte dabei zu ihm hoch. Da konnte der junge Drache nicht anders, als etwas zu lachen. Erstaunlicherweise lachte die Drachendame mit. "Das Wasser ist wirklich in einem schlechten Zustand... schau!" Nach diesen Worten hockte sich auch Luciam an den Fluss und steckte eine Hand in das kühle Wasser, als er plötzlich Wasserspritzer abbekam. "Hey!" etwas wütend sah er auf, blickte aber nur in ein lachendes Gesicht am anderen Ende. Dort fiel ihm nun auch auf, dass Tatiana ein hellblaues und ein pink/lilanes Auge hatte. Sie war echt eine auffällige Erscheinung...

Er im Gegensatz war zwar groß, aber versteckte sich doch lieber unter einem Kapuzenpulli und blieb ruhig. "Die Magie im Wasser ist fast komplett weg." die besorgte Stimme des Mädchens riss ihn aus seinen Gedanken und er konzentrierte sich auf das, was er im Wasser fühlte. "Du hast Recht... wie kommt das?" Tatiana konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich habe absolut keine Ahnung..." als sie sich bewusst war, dass sie nicht mehr  förmlich genug redete, schluckte sie schnell und fing nochmal an: "Ich meinte natürlich- " "Ich weiß schon." der Drache sah sie lächelnd an. "Ehrlich gesagt finde ich dieses hohe Geschwafel echt nervig." . Darauf entspannte sein Gegenüber sich sichtlich. "Du hast ja so Recht."

Plötzlich bemerkte das Drachenmädchen eine Gestalt hinter sich, versteckt hinter einem Baum. "Huh?!" Mit dem Gedanken, entdeckt oder ausspioniert zu werden, stand sie auf, um nachzusehen. Die Gestalt schreckte zurück und stolperte nach hinten, als Tatiana näher kam, erkannte sie einen zierlich gebauten Jungen. Er zitterte leicht und war übersäht mit Blessuren. "Wer bist du?" sagte das Drachenmädchen schärfer als gewollt. Im Innern wollte sie ihm sofort helfen, aber das Protokoll ging nun mal vor. Da der Drache nicht antwortete, seufzte sie und sah kurz zu Luciam. Dieser zuckte nur mit den Schultern, und als sie sich wieder zurückwandte war der verängstigte Junge noch etwas weiter weg gerutscht. "Hey, bitte sag mir deinen Namen. Wenn du es nicht tust, bin ich gezwungen, dich als Spion von hier fort zu jagen. Und glaub mir, dass will ich wirklich nicht." eine kleine Weile herrschte Stille, und gerade als sich Tatiana dazu überwindet hatte, ihre Drachenform anzunehmen und ihre Iris ihre Farbe verloren, die Pupillen schmaler wurden, sich Magie sammelte, hörte sie ein leises Stammeln. "Ri- Rinuka. I-ich hei-heiße Rinuka." . Wieder vollkommen normal sah die junge Drachendame den Neuling in der Runde an "Na geht doch." . Sie kniete sich zu ihm und lächelte freundlich "Rinuka... darf ich dich Rin nennen?". Der Drache nickte und sah sich um. Als sein Blick zu Luciam auf der anderen Seite des Flusses streifte und dieser winkte, winkte er schüchtern zurück, dann sah er wieder Tatiana an. Diese fragte ganz unverblümt: "Sag mal, du bist nicht vom Gebirgsclan, kann das sein?" worauf er wieder anfing zu zittern und zurückwich. "Nein... bin ich nicht. Ich bin vom Moor, aber ich bin geflüchtet." . Luciam hatte sich inzwischen gründlich umgesehen und doch den Fluss überquert. "Das ist ziemlich gefährlich, dass ist dir doch bewusst. Das könnte schlimmstenfalls einen Krieg auslösen." meinte er, in dem Bewusstsein, dass er eigentlich nicht besser gehandelt hatte. Rinuk nickte und hielt seine Arme um sich geschlungen. "Das weiß ich... aber... zuhause ist es leider nicht besser..." dabei war die Stimme des Drachen so leise, dass die beiden anderen sich anstrengen mussten um ihn zu verstehen.

An einem anderen Ort, aber zur gleichen Zeit, im Tempel der Gebirgsdrachen machte man sich inzwischen Sorgen, da Tatiana nicht von ihrem Auftrag zurück kam. Da es schon dunkel geworden war, entschieden sie, dass Berthram, ein mächtiger Koloss am Himmel, sich mit ein paar ausgewählten Drachen auf die Suche machen wollte. Da es ein wichtiger Auftrag an der Grenze war, befürchtete man schlimmes. Nach den Vorbereitungen und der Aufstellung der Truppe flogen die Drachen los richtung Süden. Was der Truppe allerdings nicht auffiel, war dass sie von einem kleinen, unscheinbaren Tierchen verfolgt wurden, welches im Wind zu spielen schien. Und so flog der beeindruckende Trupp auf die unschuldigen Jungdrachen an der Grenze zu.

Diese hatten in der Zwischenzeit eine angeregte Unterhaltung geführt, bis Rin schließlich anfing, immer wieder zu gähnen. Das Drachenmädchen schmunzelte und setzte sich darauf so hin, dass sie ihren Schoß als Kissen anbieten konnte "Komm, schlaf ruhig etwas." . Der Drache wurde daraufhin wieder etwas nervös und rutscht wieder etwas weg. Luciam beobachtete die beiden nur und passte auf. Tatiana lachte leicht "Keine Sorge. Ich tu dir nichts, und wenn du beim Schlafen in meiner Nähe bist wirst du besser schlafen können. Das liegt im Blut der Sternensinger..." . Also schlich der Drache doch wieder näher, und er war schon eingeschlafe, noch bevor sein Kopf ihren Oberschenkel berührte. Dann fing das Drachenmädchen an zu singen. Es klang wunderschön, und auch Luciam merkte die Müdigkeit in seinem Körper, doch er blieb wach. Da wandte sich Tatiana an den jungen Drachen "Du solltest dich auch ruhig ausruhen." .Er sah zu ihr "Ich sollte lieb-" "nun sei doch nicht so, ich kann schon aufpassen." unterbrach sie ihn schmunzelnd. Luciam legte sich nun doch seufzend neben sie "Aber weck mich wenn irgendwas ist..." und damit war er auch schon eingeschlafen. Das Drachenmädchen strich ihren neuen Freunden sanft über den Kopf und sang dann weiter.


Doch der Frieden sollte nicht lange anhalten...

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