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박 지민

PARK JIMIN

Yoongi und ich hatten es nie für nötig gehalten, ein Auto zu kaufen. Wir beide bevorzugten es, den Zug zu nehmen, zu Fuß zu gehen oder einfach zu Hause zu bleiben, in der Nähe des Anderen. 

Niemand von uns hätte auch das Geld dazu gehabt, erst einmal ein Auto zu kaufen und es danach in Stand zu halten.

So liefen wir auch jetzt Hand in Hand nebeneinander her, schweigend, so wie wir es immer getan hatten.

Es war wie ein Ritual, das wir schon so oft wiederholt hatten, dass es sich nun viel mehr wie eine Art Kommunikation anfühlte, eine Art miteinander zu reden und sich auszutauschen, als etwas, das wir taten, um unsere Liebe zueinander auszudrücken. 

Wir taten es, um den anderen bei sich zu behalten und ihn nicht zu verlieren, um die Wärme des anderen nicht zu verlieren und zu vergessen, dass wir jemanden bei uns hatten, der sich sorgte und sich kümmerte, falls es dem anderen schlecht ging. 

An diese, Tag jedoch war es anders. Das Hände halten war viel ringender nach Halt und viel verwundbarer, als wir beide es gewohnt waren, und Yoongis sonst so kalte Hände wirkten unnatürlich warm ... fast machte es mir Angst. 

Nicht nur fast, eigentlich machte es mir wirkliche Angst und vermutlich hätte ich schon längst meinen Verstand verloren, wäre Yoongi nicht an meiner Seite gewesen.

Wir nahmen den Zug in Richtung Innenstadt und es fühlte sich an, als würden wir in der Zeit reisen.

Die Landschaft flog an uns vorbei, blieb hinter uns, während ich meinen Kopf in der Beuge seines Nacken vergrub und mir jedem Ruckler, den der Zug tat, seine Hand fester umgriff.

Es machte mich verrückt zu wissen, dass wir beide bald vielleicht nicht mehr leben würden. Dass wir bald beide von Wellen verschluckt werden konnten.

Es machte mir keine Angst zu wissen, dass wir sterben könnten. Was mir Angst machte war, dass meine Zeit mit Yoongi nun auf einmal begrenzt wirkte. Fragil.

Zeit wurde auf einmal zu etwas, das zu kostbar war, um sie mit wortlosen Momenten und flüchtigen Küssen zu füllen.

Ich hatte so vieles noch, das ich mit Yoongi tun wollte... von in eine andere Stadt ziehen bis hin zu heiraten und Kinder adoptieren.

Aber ich wusste, dass diese Pläne nun auf dünnem Eis lagen. Wir beide konnten bereits morgen früh nicht mehr leben.

Wir beide konnten bereits in wenigen Stunden uns das letzte Mal in die Augen sehen und uns unsere Liebe gestehen.

Und das war es, was mir Angst machte.

Und ich wusste auch, dass es ihm Angst machte.

Eine Träne entkam meinen Augen und sie tropfte auf die mit Tattoos überzogene Haut seines Nackens, woraufhin er etwas zusammenzuckte.

"Nicht weinen Jimin.", seine raue Stimme war brüchig und ich wusste, dass auch er kurz davor war, in Tränen auszubrechen, auch wenn er es sich nicht anmerken lassen wollte.

"Nicht weinen..."

Aber ich kniff nur meine Augen zusammen und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Ich konnte sie nicht zurückhalten. Ich konnte es nicht ertragen.

Ich konnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren.

Ich wollte ihn nicht verlieren.... Ich wollte unsere Zeit nicht einfach so unter Wasser begraben lassen. Unsere Erinnerungen. Unsere Träume. Unsere Liebe.

Regen peitschte gegen die Außenseite des Zuges und ich wusste nicht, wie lange ich schon da gesessen hatte und einfach nur gehofft hatte, dass wenigstens ich aufhören würde, so viel Trauer zu verschütten, aber irgendwie gelang es mir nicht.

Irgendwie wurden meine Tränen nicht weniger.

Irgendwie wurde meine Trauer nicht weniger.

"Jimin?", ertönte Yoongis Stimme erneut und ich zuckte zusammen, "Baby?"

"Ja?", dieses kleine Wort klang hinter dem dicken Schleier aus Tränen mehr wie ein Piepen, als eine wirkliche Aussage. So schwach.

"Ich werde dich nicht verlassen.", murmelte er leise und das Rattern des Zuges auf den Gleisen wurde lauter, "Niemals. Ich verspreche es dir."

"Ich weiß."

"Ich liebe dich."

"Ich dich auch."

Schweigen legte sich erneut über den sonst leeren Zug und das Rattern wurde nochmal lauter.

Dann, ohne ein Wort der Erklärung, erhob sich Yoongi von seinem Platz und bewegte sich stattdessen in die Richtung  der Türe des Zuges, wo er so tat, als wäre er gerade eingestiegen.

Und plötzlich schossen Erinnerungen zurück in meinen Kopf.

Yoongi stand dort, nicht viel älter als damals und gewiss nicht recht viel größer, immer noch weißblondes Haar und kalkbleiche Haut - die jedoch fast komplett mit dunklen Tattoos übersät war.

Schlangen, Drachen, Schriftzeichen, Daten ... ich konnte mittlerweile auswendig aufsagen, was sich noch alles unter dem schwarzen Shirt befand, das er trug.

Seine Statur war sehr mager, fast schon dürr, auch wenn sie seitdem wir uns kannten mehr sportlich geworden war.

Während sich sein Kopf wandte, um nach einem Sitzplatz Ausschau zu halten, konnte ich auch sein Gesicht erkennen - das Gesicht, in das ich mich so verliebt hatte.

An seiner dünnen Lippe prangten zwei Piercings, an seiner Nase hing ein Septum und eine Bridge, an seinen Augenbrauen hingen ebenfalls mehrere Ringe und von seinen Ohren baumelten so viele Kreuze, dass ich mit dem Zählen gar nicht mehr hinterkam.

Ich hatte noch nie so jemanden ... interessanten gesehen.

Das Blitzen des Silvers seiner Piercings faszinierte mich und ich konnte nicht anders, als es unheimlich schön zu finden, wie es im Kontrast zu seinen dunklen, herausstechenden Augen stand.

Er bewegte sich immer noch sehr unbeschwert, aber dennoch einschüchternd, dass ich schlucken musste, weil mir ein Schauer über den Rücken lief.

Es war alles noch genau wie damals.

Noch nie hatte ich jemanden so anziehend und schön gefunden.

Yoongi kam in meine Richtung und bemerkte ziemlich schnell, dass ich ihn anstarrte, denn er verharrte in seiner Bewegung und starrte zurück.

Er stand einfach nur einen knappen Meter von mir entfernt und sah mir so eindringlich in die Augen, dass ich tatsächlich etwas mehr Herzrasen bekam. Und dabei zwinkerte er nicht einmal.

Als er seinen Blick endlich von mir abließ, ließ er sich auf den freien Platz mir gegenüber fallen und führte von dort aus sein Starren fort.

Ich wusste es ja eigentlich schon, aber ich musste mir erneut eingestehen, dass er aus der Nähe noch schöner war. Seine Augen hatten zwar immer noch dieses Durchdringenende, das ich nicht beschreiben konnte, aber zur gleichen Zeit wirkten sie jetzt auch um einiges wärmer und offener. Seine restlichen Gesichtszüge wirkten dagegen mehr ausgeprägt und mir fiel vor allem auf, wie perfekt seine Haut war.

Im Hintergrund ratterte der Zug unaufhörlich weiter während die Kreuze an seinem Ohr bei jedem Ruckler des Zuges gegen seine Wange baumelten und die zwei Ringe an seinen leicht pinken Lippen bei jedem Mal, bei dem er sich auf den Lippen herumkaute, herumrutschten.

Die Stille war nicht unangenehem, keineswegs, und auch das Starren sah ich nicht als etwas aufdringliches an, nein, eher als seine Art, mir zu sagen, dass er von mir Kenntnis genommen hat.

Und ohne großartig darüber nachzudenken, brachte ich die paar wenigen Worte über die Lippen, die für mich immer noch eine so große Bedeutung hatten.

"Stört das nicht beim Küssen?"

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:')

Alter das is ja noch trauriger als Piercing.

Waves | YoonMin Vers. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt