Das Rätsel um das Ei

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Ich denke die folgenden Tage noch häufiger über die Begegnung mit Professor Dumbledore nach. Ich wälze sogar das ein oder andere Buch, um mehr über den Stein in Erfahrung zu bringen. Doch ich bleibe erfolglos. Außerdem rückt die Zweite Aufgabe bedrohlich näher und Cedric konnte das Rätsel um das Ei noch immer nicht lösen. Wir haben in der Bibliothek bereits unzählige Bücher nach Zaubersprüchen durchforstet, die das Ei dazu bringen könnten, sein Geheimnis zu offenbaren. Doch erfolglos. Es ist schon kurz vor Mitternacht und ich sitze, halb schlafend, in einem der gemütlichen Sessel im Hufflepuff Gemeinschaftsraum. Meine Katze schlummert auf meinem Schoß und ich versuche tapfer, Seite um Seite des dicken Wälzers vor mir nach brauchbaren Informationen zu durchsuchen. Cedric, der als Vertrauensschüler auch noch nachts im Schloss herumlaufen darf, holt grade einen neuen Schwung an Lektüre aus der Bibliothek.

Das nächste an das ich mich erinnere ist, dass Cedric mich aufgeregt wachrüttelt.

„Maja, wir müssen sofort zum Bad der Vertrauensschüler!"

„Was...?" murmele ich schlaftrunken und versuche mich wegzudrehen, doch Cedric lässt mich nicht weiterschlafen.

„Ich weiß, wie ich das Rätsel des Eies lösen kann!" ruft dieser aufgeregt.

Ich richte mich kerzengerade auf und bin auf einmal hellwach. „Was sagst du da? Wie hast du es gelöst?"

„Ich habe es nicht wirklich selbst gelöst" erklärt Cedric. „Ich war eben in der Bibliothek, als Professor Moody mir begegnet ist. Er hat eine Menge seltsamer Andeutungen gemacht. Ich glaube, das Ei muss dort geöffnet werden!"

Irgendetwas scheint daran komisch. Professor Moody? Warum hilft er Cedric? Ist er so parteiisch? Doch dann erinnere ich mich dran, dass er ebenfalls Harry bei der ersten Aufgabe geholfen hat. Ebenso wie Madame Maxime und Professor Karkaroff ihren Champions geholfen haben. Vielleicht ist das so einfach Gang und Gebe. Ich schiebe den Gedanken beiseite.

„Also sollen wir jetzt gehen?" frage ich aufgeregt. Ich bin fast noch nie nach der Ausgangssperre im Schloss herumgeschlichen.

„Gerne, wenn du nicht zu müde bist." grinst dieser herausfordernd und zieht mich aus dem Sessel hoch. „Ich packe nur noch schnell einen Federkiel und Papier in meine Tasche, um alles aufschreiben zu können."

Wenige Minuten später sind wir ohne unerwünschte Zusammenstöße am Bad der Vertrauensschüler angelangt. Cedric murmelt das Passwort „Pinienfrisch" und der Eingang öffnet sich augenblicklich. Der Anblick ist einfach überwältigend. Das Bad ist um einiges luxuriöser als die der Hufflepuffs. Alles ist in Mamor gehalten, die Decken sind hoch und gewölbt, und die Fenster bestehen aus buntem Glasmosaik, durch die das blasse Licht des Mondes dringt. In der Mitte des Raumes befindet sich ein gigantisches Schwimmbecken, sogar mit Sprungbrett.

„Tob dich aus" grinst Cedric und deutet auf die schier unzähligen Wasserhähne, die an der Wanne angebracht sind.

Ich werfe ihm einen verwirrten Blick zu und drehe den ersten Hahn auf. Dichte, schaumige rosa Wolken dringen heraus und schweben sanft auf den Boden der Wanne herab. Ich lache begeistert und stelle die verschiedensten Hähne reihum an. Meine liebste Badezutat ist ein Strahl, der eine Flüssigkeit birgt, die noch schneller als Wasser zu fließen scheint und eine silberne, schimmernde und leicht spiegelnde Konsistenz aufweist. Als die Wanne gefüllt ist, drehe ich mich lachend zu Cedric um. Dieser steht lässig an die Wand gelehnt und ist nur noch in seinen Boxershorts bekleidet. Ich erröte ein wenig und versuche ihn nicht anzustarren. Sein Blick fällt plötzlich auf das Sprungbrett neben mir.

„Wage es ja nicht!" stoße ich hervor.

Doch Cedric macht einen Anlauf und springt mit einem ohrenbetäubenden Platschen in das Becken. Wasser spritzt herum und durchnässt mich von oben bis unten. Halb ärgerlich prustend, halb lachend, schüttele ich mich wie ein begossener Pudel.

„Willst du dich nicht zu mir gesellen?" fragt Cedric herausfordernd.

Zögernd ziehe ich meine Schuhe, die Kniestrümpfe und den Pullover aus. Doch als ich die ersten Knöpfe meiner weißen Bluse öffnen will, zögere ich.

„Dreh dich um." befehle ich Cedric und erröte dabei.

Dieser verdreht die Augen, aber kommt meinem Wunsch nach. „Nichts, das ich nicht schon gesehen hätte." antwortet er neckisch und wirft mir einen Blick zu, bei dem sich meine Eingeweide vor Aufregung verknoten. Ich hebe das goldene Ei vom Boden auf, das sich schwer und warm in meinen Armen anfühlt. Ehrfürchtig betrachte ich die feinen Gravuren auf der goldenen Hülle.

Doch in diesem Moment passiert es. Ein komisches, hallendes Geräusch, beinahe wie ein unterdrücktes Kichern, dringt aus einer der Klokabinen. Vor Schreck lasse ich das Ei fallen, das mit einem dumpfen Klonk zu Boden fällt und unaufhaltsam auf den Beckenrand zurollt. Cedric, alarmiert durch das Geräusch, versucht das Ei zu fangen, doch es springt zwischen seinen Armen hindurch und landet mit einem sanften Plopp im Wasser. Cedric taucht sofort unter, um es wieder an die Wasseroberfläche zu holen. Doch im selben Moment ertönt ein neues Geräusch; ein schauriger und doch melodischer Gesang mit beinahe hypnotisierender Wirkung. Das Geräusch dringt dumpf aus den Tiefen des Wassers empor. Cedric scheint zuzuhören, denn er taucht vorerst nicht wieder auf. Haben wir grade tatsächlich das Rätsel des Eies gelöst? Langsam gleite in in das warme Nass und tauche ebenfalls unter die Wasseroberfläche hinab.

Cedric treibt regungslos vor mir, die Augen auf das geöffnete Ei gerichtet, das er in der Hand hält. Das Ei strömt nun, da es unter Wasser ist, ein bläuliches Licht aus und Blasen scheinen sich in dem Inneren zu bewegen. Es ist wunderschön. Übertroffen wird diese Schönheit nur von der Melodie. Die letzten Takte erklingen grade, dann beginnt es wieder von vorne.


Komm, such, wo unsere Stimmen klingen,

denn über dem Grund können wir nicht singen.

Und während du suchst, überlege jenes:

Wir nahmen, wonach du dich schmerzlichst sehnest.

In einer Stunde musst du es finden

und es uns dann auch wieder entwinden.

Doch brauchst du länger, fehlt dir das Glück,

zu spät, 's fort und kommt nicht zurück.


Cedric's und meine Augen treffen aufeinander und die Furcht des Anderen spiegelt sich darin wider. Das Ei spricht eine eindeutige Warnung aus. Prustend tauchen wir auf und schnappen nach Luft.

„Wasser. Der Große See ist die einzige Möglichkeit. Dort muss die Zweite Aufgabe stattfinden." stößt Cedric hustend hervor.

„Du meinst... Unter Wasser? Wie solltest du denn eine Stunde unter Wasser überstehen können? Und was wird deine Aufgabe sein? Etwa gegen den Riesenkraken kämpfen?"

„Im Mittelpunkt steht irgendetwas nach dem ich mich... sehne. Das werde ich finden und zurückbringen müssen. Im See leben einige Kreaturen, gegen die man kämpfen könnte. Der Kraken zählt aber nicht dazu. Der ist friedlich. Soweit ich weiß gibt es im See... Grindelohs. Und Wassermenschen."

Wir werfen uns besorgte Blicke zu. Das sind jedenfalls keine sehr freundlichen Kreaturen. Und Wassermenschen sollen noch dazu ziemlich intelligent sein.

„Aber vielleicht..." beginnt Cedric „ist meine Aufgabe, mein sehnlichstes Begehren vor dem Angreifer zu schützen... Vielleicht soll ich diese Person davon abhalten, mir etwas Geliebtes zu nehmen und so gewinne ich die zweite Aufgabe."

„Was könnte es sein? Was begehrst du sehnlicher als alles andere? Ist es nicht vielleicht eher ein Konzept als ein konkreter Gegenstand?" erkundige ich mich.

„Ich weiß es leider auch nicht genau..." antwortet Cedric leise und wirft mir einen unergründlichen Blick von der Seite zu. „Ich muss auf jeden Fall bereit sein. Und ich muss mich auf die Möglichkeit vorbereiten zu scheitern. Ich muss bereit sein, die zweite Aufgabe trotzdem anzutreten und im See zu kämpfen."

Sein Blick ist ernst und beinahe traurig, als er auf mich zugeschwommen kommt. Er zieht mich in eine sanfte Umarmung und hält mich fest an sich gedrückt, ganz so als würde er um mich und nicht um sich selbst fürchten. 

Twist In Fate || Cedric DiggoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt