Kapitel 2 ❥ Kentern

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Vorsichtig löse ich mich von Aurelian und komme Heather ein wenig entgegen. Die Mitschüler machen ihr Platz. Vollkommen aufgelöst und außer Puste kommt sie bei mir an und sprudelt los: "Da-... Mädchen.. und sie wird.. geschlagen.. und... ufff-"
Sofort setze ich mich in Bewegung und laufe Richtung Sportplatz, Aurelian dicht hinter mir.
Dort angekommen sehe ich die Fußballspieler auf einen Haufen. Ich höre Wimmern und sofort stürme ich los und versuche zu dem Mädchen zu gelangen, das von allen Seiten getreten und angespuckt wird.
Aber ich komme nicht zu ihr durch, also packe ich die Fußballspieler, die mir im Weg sind, an den Schultern und versuche sie mit aller Kraft zur Seite zu schieben. Doch sie wehren sich und einer schlägt mir in den Bauch. Ich klappe zusammen und der Schmerz lässt mich bewegungsunfähig werden. Aurelian im rasenden Zorn schlägt sofort dem erstbesten ins Gesicht, doch mehr kann ich nicht erkennen, denn mein Blick verschleiert sich. Ich liege auf dem noch feuchten Gras und halte mir den Bauch. Zu bewegen versuche ich erst gar nicht, da mir auch jeder Atemzug wehtut. Plötzlich spüre ich etwas Warmes und es war Aurelian, der Millimeter neben mir fiel. Die Fußballspieler haben ihn überrannt. Sie waren von Anfang an in der Überzahl gewesen, aber ich hab immer Hoffnung. Aber diesmal hat sie einen Riss.
Sie lassen von uns ab und entfernen sich.
Der Schmerz lässt langsam nach. Vorsichtig bewege ich mich und lege meine Hand auf die Wange von Aurelian.
Er zieht scharf die Luft ein und blickt mich mit traurigem Blick an.
Schwach lächle ich zurück. Ich darf niemals Schwäche zeigen. Ich bin die, die immer positiv ist.
Ich muss stark bleiben.
Doch am liebsten würde ich heulen.
Kein Mensch kommt zu uns. Wir sind allein auf dem Fußballfeld.
Stille.
Erdrückend legt sie sich auf uns alle drei nieder. Niemand steht auf, weil wir alle Schmerzen haben. Doch nach einer Weile kann ich mich aufsetzen. Ich blicke mich um, aber da ist niemand. Es hatte wohl schon geläutet und alle sind im Unterricht.
Das Mädchen, das ich dann erblicke, liegt zusammengekrümmt ein paar Meter neben uns. Ich sehe ihren Brustkorb leicht auf und ab beben. Sie weint.
Trauer macht sich in mir breit und ich stehe vorsichtig auf und gehe zu ihr.
Ich lege eine Hand auf ihre Schulter und sie bewegt ihren Kopf in meine Richtung. Ihre Haare fallen vom Gesicht und offenbaren mir eine tiefe Wunde entlang ihres Wangenknochens.
Dann breche ich zusammen.
"Es tut mir leid.. es tut mir leid.. es tut mir leid", sage ich wie ein Mantra auf.
Sie nimmt meine Hand von ihrer Schulter und drückt sie. Ihre Brille liegt verbogen und zerbrochen vor ihrem Gesicht. Vorsichtig versuche ich das Gestell und die Splitter aufzulesen und aus der Reichweite ihres Gesichts wegzuwerfen. Sollen sich doch die Spieler daran verletzen.
Mit zusammengebissenen Zähnen setzt sie sich ebenfalls auf.
Ich spüre eine warme Hand auf meine Schulter und blicke in die warmen Augen von Aurelian, der mich sorgenvoll anblickt.
Schwach lächle ich zurück.
Das Mädchen räuspert sich.
"Warum seid ihr beiden zu mir gelaufen und wolltet mir helfen?"
Das Wort "wollte" gab mir ein Stich.
Wollte... Ich wollte helfen. Aber ich hab es nicht geschafft zu helfen.
Das, was ich vorher erzählt habe, war eine Lüge gewesen..
Ich habe kein Selbstvertrauen. Mein Selbstvertrauen wird dadurch aufrechterhalten, indem ich anderen helfe. Ich habe eine schwere Vergangenheit hinter mir und ich habe hart gearbeitet, dass meine Maske nicht zerfällt. Dass sie stärker wird. Ich gab bzw gebe vor jemand zu sein und dieses Ich wurde beliebt.
Also spiele ich dieses Ich weiter, aber durch das Beliebtsein wurde mein Selbstvertrauen nicht gesteigert. Eher vernichtet, weil man nicht mich, sondern eine Maske von mir, sozusagen eine Rolle, die ich spiele, liebt und nicht die Schauspielerin, die ich doch in Wahrheit bin..
Indem ich also das Feedback bekommen habe, anderen das Gefühl zu geben in Licht gehüllt zu sein, hab ich herausgefunden, dass es mir gut tat anderen zu helfen.
Also machte ich es mir zur Aufgabe, um meine Rolle weiterspielen zu können. Aber jetzt... jetzt gerät das alles langsam ins Schwanken.
Die Dunkelheit umgibt mich wieder und zieht mich runter und wirbelt in meinem Herzen und nimmt mich Stück für Stück und fesselt mich mit Ketten und will mich nach unten ziehen.
Ich mache kein Drama draus.
Ihr versteht das nicht.
Niemand tut das.

my kind of l❥veWo Geschichten leben. Entdecke jetzt