Kapitel 1

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"Hol die nächste Gruppe herein", befahl eine blonde hochgewachsene Frau mit herrischer Stimme. Ein in blau gekleideter Mann nickte und drückte einen Knopf in der Wand, woraufhin sich eine Tür öffnete. Herein kam eine Gruppe von zwölfjährigen Mädchen mit verängstigen und nervösen Blicken.

"Setzt euch doch bitte jeder auf einen Stuhl. Mr. Tirans und Mr. Vedel werden euch helfen, die Schläuche richtig einzusetzen", erklärte die Frau den Kindern und wandte sich anschließend wieder dem großen Monitor auf der anderen Seite des Raumes zu. Der Mann, der eben die Tür geöffnet hatte und ein anderer, etwas jüngerer halfen den Mädchen auf die Stühle, zurrten sie mit Gurten fest und verbanden sie mit durchsichtigen Schläuchen. Keiner der Kinder wagte es dabei auch nur ein Wort zu sagen, dazu waren sie viel zu eingeschüchtert von diesem riesigen steril weißen Zimmer.

"Erledigt, Miss Korina", sagte der jüngere, Mr. Vedel und stellte sich mit seinen Kollegen wieder neben die Tür, abwartend auf ihre nächsten Befehle. Miss Korina unterbrach ihre Arbeit am Monitor für einen kurzen Augenblick um sich umzudrehen, und die Arbeit ihrer Untergebenen zu kontrollieren, nickte, und startete die Untersuchung.

Zuerst initiierte sie den Mädchen eine milchig-weiße Flüssigkeit über einen der Schläuche in den rechten Oberarm und eine kobaltblaue, leicht durchsichtige, in ihren Nacken. Während sie sich auf dem Monitor die Neuronenaktivitäten jedes Kindes genauer ansehen und auswerten konnte, veranlasste sie eine Blutabnahme, wiederum im rechten Oberarm.

"Nr. 4, 19, und 24 Militär, Nr. 16 Technologie. Der Rest darf gehen", sagte Miss Korina, den Kindern noch den Rücken zugewandt, nachdem sie sich die Ergebnisse angesehen hatte. Das war das Stichwort für die beiden Männer, die während der gesamten Untersuchung bewegungslos neben der Tür gestanden hatten. Sie befreiten die dreißig Mädchen von ihren Fesseln und Mr. Vedel begleitete die nicht genannten Mädchen durch wieder hinaus. All jene, deren Stuhlnummer aufgerufen worden war, wurden durch einen anderen Ausgang, in einen anderen Raum geführt, um dort weiter getestet zu werden.

"Für heute waren das alle, Miss Korina", erläuterte Mr. Tirans und nahm sich einen Besen, um den Raum zu fegen, wie er es jeden Abend vor Feierabend machte. Immer derselbe Tagesablauf. Miss Korina nickte und ließ ihre kalte Miene, wie eine Maske fallen. Stattdessen bekam ihr Gesicht erschöpfte und deprimierte Züge.

"Endlich, ich dachte schon, es hört nie auf. Den Rest der Woche sind dann die Jungen dran, die Mädchen haben wir für das erste durch, oder?", fragte sie und ließ sich erschöpft in einen der Stühle fallen, die normalerweise für die Kinder bestimmt waren. "Das stimmt Miss Korina. Nimm es nicht so schwer, ich bin mir sicher eine Beförderung steht dir kurz bevor. Du machst hier wirklich gute Arbeit, und das wissen die da oben auch", erwiderte Mr. Tirans und seine Vorgesetzte lächelte ihn dankbar an. Aber noch ehe sie antworten konnte, kam Mr. Vedel wieder hinein, und ihre Konversation verstummte augenblicklich. Mr. Vedel war kein Mensch, vor dem man sich Fehler erlauben durfte, auch wenn Miss Korina seine Vorgesetzte war. Er würde sie nur allzu gerne anschwärzen, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. So war das bei fast allen Arbeitskollegen, beinahe jeder hier würde ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen gehen, nur für eine Beförderung.

Miss Korina stand auf, nickte Mr. Tirans noch einmal freundlich, aber unauffällig zu und verließ den Raum, um nach Hause zu gehen. Daheim würde sie etwas zu essen kochen, für ihre zwei- und fünfjährigen Töchter, die dann relativ bald vom Kindergarten kommen würden. Sie hatte sie beiden so vermisst, und nicht zum ersten Mal wünschte sie sich mehr Zeit mit ihnen verbringen zu dürfen.

LeahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt