Kapitel 3

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Das gesamte Schloss war in holder Aufregung

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Das gesamte Schloss war in holder Aufregung. Auch Tristan verstand die Welt nicht mehr. Es war absolut unmöglich, dass das Drachenei gestohlen worden war. Er hatte es gehütet wie seinen Augapfel und hatte bis heute Morgen über ihm gewacht. Als er Prinz Joschua feierlich das Geschenk für seine Verlobte überreichte, war Tristan so unglaublich stolz gewesen auf die Arbeit, die er für das Königreich geleistet hatte. Doch nun war er wie betäubt. Für den tasmanischen König wirkte es, als würde König Scⱥr ihn mit diesem Fauxpas verhöhnen und auch die Sprachbarriere tat nicht gerade zu Versöhnung bei. Nur viel Geschick der Diplomaten war es zu verdanken, dass die Königsfamilie noch nicht abgereist war. Prinzessin Izabel war erstaunlich gefasst. Die Beleidigung dieser missglückten Begrüßung schien ihr nicht so wichtig, dafür faszinierte sie Tristan. Bisher hatte er nur wenig gute Erfahrungen mit dem Temperament der dehnarischen Königsfamilie gemacht und er war erstaunt, wie sanft die Prinzessin aus dem Norden wirkte. Auf das tasmanische Königspaar hingegen machte es den Anschein, als hätte das dehnarische Volk das Drachenei absichtlich verschwinden lassen, um die Prinzessin zu demütigen und den Unwillen gegen die Hochzeit zu demonstrieren. Tristan war natürlich klar, dass dies ausgedachter Unsinn war, doch der Hass, welcher sich bereits seit Jahrhunderten zwischen den Völkern schürte war zu tief und keine Hochzeit konnte daran etwas ändern. Schon gar nicht, wenn sie bereits so unheilvoll startete.

Prinzessin Izabel saß im Innenhof des Schlosses im Garten und hielt mit einem feinen Lächeln ihr Gesicht der Sonne entgegen. Im Gegensatz zu ihren vier Hofdamen versteckte sie sich nicht unter dem Baldachin, sondern saß etwas abseits auf einer Bank zwischen zwei Rosenbüschen – der Sonne, die sie wie Scheinwerfer in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zog, vollkommen ausgeliefert. Ihre blasse Haut strahlte alabasterweiß und ihr blondes Haar fiel wie ein goldener Vorhang in sanften Wellen über ihre Schultern. Sie war wahrlich eine faszinierende Frau und Tristan war nicht der Einzige, dem sie es angetan hatte. Ihr eilte der Ruf der Prinzessin der Herzen voraus und selbst in Dehnarien, einem Land, das sie hasste, verfielen die Menschen Scharenweise ihrer Schönheit und Anmut. Tristan dachte bei sich, dass sie vermutlich die Einzige war, die die Differenzen zwischen den Ländern wenigstens für die Augen der Öffentlichkeit überbrücken könnte. Für ihn war nicht ihre Schönheit das Ausschlaggebende, sondern ihre Ruhe. Die eiserne Gelassenheit, welche sie selbst nun nach dieser grauenvollen Eskapade zu Schau stellte, als würde die öffentliche Demütigung einfach von ihr abprallen. Unweigerlich fragte er sich, ob sie tatsächlich so ruhig war, oder sie lediglich eine gute Schauspielerin war, die es wusste, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken. Diese offenen Fragen machten die Prinzessin in Tristans Augen nur noch interessanter.

„Pass auf, dass du nicht zu sabbern beginnst", ließ eine vertraute Stimme Tristan wie von der Tarantel gestochen aufschrecken.

„Moné. Was tust du hier?", rief Tristan überrascht aus. Mit wild klopfendem Herz sah er seinem hübschen Gegenüber entgegen. Er fühlte sich ertappt.

„Ich habe von dem Diebstahl gehört und wollte sicherstellen, dass es dir gut geht", antwortete das Mädchen und beäugte ihn aus dunklen Augen.

„Danke, das ist sehr zuvorkommend von dir. Aber mir geht es gut, du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Tristan sah ihr tief in die Augen und schenkte ihr ein warmes Lächeln. Er wusste, welche Wirkung er auf die Damenwelt hatte, doch Moné war anders – sie durchschaute ihn.

„Ich habe dich die letzten Wochen kaum gesehen. Jetzt, wo deine Aufgabe zu Ende ist, hatte ich gehofft, du würdest wieder mehr Zeit mit mir verbringen." Wachsam musterte sie seine Reaktion. Misstrauen und Skepsis sprachen aus ihrem Blick.

Als Tristan nicht antwortete und sein Blick nachdenklich wurde, seufzte sie.

„Ich vermisse dich", sprach sie mit leiser Stimme aus und näherte sich ihm einen Schritt. Tristan wusste, dass es sie viel Überwindung kostete, sich ihm gegenüber so verletzlich zu zeigen. Seit klar war, dass ihre Familien eine Verbindung zwischen den Zwei wünschten, hatte sie immer wieder mit Eifersucht zu kämpfen gehabt. Sie waren noch nicht einmal verheiratet und sie wusste, dass er ihr nicht treu war. Er vergnügte sich mit anderen Frauen, flirtete und lebte sein Junggesellenleben. Hätte Moné sich gleich verhalten wie ihr Verlobter, wäre ihr Ruf unweigerlich dahin gewesen, doch das Schlimmste war, sie hätte es gar nicht gewollt. Sie war in Tristan verliebt, seit sie denken konnte und würde alles dafür geben, wenn er ihre Gefühle doch nun endlich erwidern würde. Das wusste nicht nur er, sondern alle am Hof. Es tat ihm leid, sie so zu sehen. Denn er wusste, dass er sie verletzte. Tag für Tag.

„Lass uns heute ausgehen", schlug Tristan halbherzig vor. „Oder ein Essen mit den Familien, ganz wie du möchtest."

Ein Lächeln erschien auf ihrem schönen Gesicht und kokett strich sie sich eine lange, schwarze Haarsträhne hinters Ohr.

„Ich hätte da schon eine Idee, wie wir die Nacht verbringen könnten", flüsterte sie ihm mit einem verführerischen Augenaufschlag entgegen und schmiegte sich an ihn. Ihr Atem kitzelte seine Wange und beinahe wäre er der Versuchung und der Verlockung in ihrer Stimme nachgegangen, doch dann schüttelte er den Kopf.

„Du weißt, dass das keine gute Idee ist", wies er sie zurück. Sein Blick schweifte kurz die Prinzessin, welche noch immer in der Sonne saß. Für einen kurzen Moment dachte er, sie hätte ihn beobachtet, doch da hatte sie schon wieder den Kopf abgewandt und Tristan wandte sich seufzend Moné zu.

„Warum nicht? Wir sind einander versprochen", fauchte sie ihn wütend an. Tränen glitzerten in ihren sinnlichen, dunklen Augen – doch schnell verbarg sie ihre Enttäuschung hinter einer wohlgeübten Maske.

„Tristan! Da bist du ja endlich. Ich habe dich überall gesucht." Schwer atmend kam General Loyd auf die Zwei zugeeilt. Entnervt stöhnte Tristan auf. Eigentlich wollte er nur in Ruhe gelassen werden und seinen Gedanken nachgehen. Jedoch hatte er so eine Möglichkeit, Moné zu entgehen und vielleicht war es ja wirklich wichtig, was Loyd zu ihm zu sagen hatte.

„Da bin ich", antwortete ihm Tristan, wobei er seinen Unwillen nicht ganz verbergen konnte. „Was gibt es?", fragte er an General Loyd gewandt, während Moné betrübt die Arme vor der Brust verschränkte. Sie war eine richtige Schönheit, beinahe so außergewöhnlich wie die Prinzessin, jedoch gegensätzlich wie Sonne und Mond. Anstatt der blonden Haarpracht hatte Moné rabenschwarzes, glänzendes Haar, welches ihr bis zur Hüfte ging und die olivfarbene Haut verstärkte den Kontrast zu ihrer weißen Tunika, welche ihre weiblichen Kurven betonte, nur noch mehr. Die sinnlichen, Lippen waren meistens zu einem Schmollmund verzogen, dennoch konnte Tristan nicht bestreiten, dass sie hervorragend zum Küssen einluden. Warum er sich ihrem Bann so widersetzte, konnte er nicht sagen.

„Es geht um das Drachenei. Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen? Es ist wichtig." Tristan warf Moné einen kurzen Blick zu, dann nickte er.

„Natürlich."



INDIGO  - Beim Leben des Drachen [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt