»Du hattest einen Unfall.«

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Das Erste, was ich spürte, war Schmerz. Schmerz in meiner Bauchgegend und Schmerz in meinem Kopf, die mich leise aufstöhnen ließen. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass ich mich in einem nichts sagenden Raum befand, die Decken und Wände weiß und allerlei Gerätschaften über meinem Bett, weshalb ich relativ schnell vermutete, dass ich in einem Krankenhaus war. Wie ich hier hin gekommen war wollte mir aber auch nach längerem Überlegen nicht einfallen, weswegen ich bloß leise seufzte und nach dem Knopf angelte, mit dem man, wie ich wusste, einen Krankenpfleger rufen konnte.

Ein Lämpchen neben meiner Tür leuchtete auf und es dauerte vielleicht eine Minute, bis ich Schritte hörte. Meine Tür wurde aufgerissen und gleich zwei Krankenpfleger stürmten in mein Zimmer.

"Du bist wach! Was für wunderbare Nachrichten. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen? An was erinnerst du sich?"

Völlig überfordert schüttelte ich den Kopf.

"Ich ... ich weiß nicht. Ich hab Kopfschmerzen und mein Bauch tut weh. Was ist passiert?"

Der beiden Krankenpfleger warfen sich einen kurzen Blick zu.

"Kannst du uns sagen, wie du heißt?"

"Tim?"

"Und weiter?"

"Renk."

"Sehr gut. Woran kannst du dich erinnern?"

"Ich weiß nicht. Also an ... nicht, wie ich hier her gekommen bin."

"Was ist das letzte, woran du dich erinnern kannst?"

Ich unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen. Was sollte dieses Theater? Warum sagten sie mir nicht einfach, was passiert war?

"Ich war bei meiner Freundin."

"Ab dann nichts mehr?"

"Nein. Was ist passiert?"

Der Pfleger seufzte, trat näher an mein Bett und während ich immer nervöser wurde und von ihm zu seinem Kollegen sah, legte er eine Hand auf meiner Bettdecke ab. Ich rechnete damit, nun endlich eine Erklärung zu bekommen, merkte aber bald, dass ich damit falsch lag.

"Du hattest einen Unfall. Dein Fahrrad wurde von einem Auto gestriffen und du wurdest vor eine Trambahn geschleudert, die aber zum Glück bremsen konnte. Du lagst fast drei Monate im Koma. Deine Eltern sind verständigt, dass du wieder wach bist. Tut uns leid, aber du wirst nicht unverletzt hierraus hervorgehen" Für einen kurzen Moment blieb mir die Luft weg. Was - was war mit mir? "Deine Nervenbahnen wurden beschädigt. Du bist von der Hüfte an querschnittsgelähmt.«

*

Ich schluckte, mein Blick haftete wie erstarrt auf meinen Füßen, die in der Fußraste des Rollstuhls lagen. Meine Eltern hatten mich am Tag nach meinem Aufwachen besucht, die Nachricht, dass ich gelähmt war, schien sie nicht sonderlich zu treffen. Die Ärzte hatten ihnen das schon direkt nach dem Unfall vor drei Monaten sagen können. Seitdem hatten sie mich zwei Mal besucht und auch, wenn ich versucht hatte, meine Entlassung so weit es ging hinauszuzögern, hatte das alles nicht geholfen. Zwei Wochen im Krankenhaus waren mehr als genug, ich sollte nun nach Hause, von dort aus eine Reha machen oder in eine Rehaklinik fahren. Letzteres hatten meine Eltern sofort ausgeschlossen. Dort würde ich hingebracht, abgeholt und an den Wochenenden unter Umständen nach Hause geholt werden. Bei einem Fahrtweg von mindestens zwei Stunden war das einfach zu viel Aufwand.

Die Nachricht über mein Aufwachen schien sich verbreitet zu haben, meine Klasse hatte mir eine Karte geschrieben und zwei meiner besten Freunde hatte mich besucht. Mit ihnen war die Stimmung aber total merkwürdig gewesen. Ich hatte zugegebenermaßen etwas mehr erwartet, ich war eigentlich immer beliebt gewesen und dass Jana, meine Freundin mich nicht besucht hatte, verletzte mich um ehrlich zu sein schon ziemlich. Musste sie sich nicht Sorgen machen? Schließlich hatte ich den Unfall auf dem Heimweg von ihr gehabt. Meine Freunde waren den Fragen nach ihr jedoch nur ausgewichen und auch am Handy hatte sie mich immer nur darauf vertröstet, dass wir uns sehen könnten, sobald ich Zuhause war. Tatsächlich der einzig positive Punkt an meiner Entlassung. Auf meine Familie, meine Eltern, die eigentlich immer am arbeiten waren und meine demente Oma, die mich meistens mit dem Namen meines Vaters rief, freute ich mich um ehrlich zu sein nicht wirklich. Und trotzdem war es das Geräusch der Absätze meiner Mutter, das mich schließlich aufsehen ließ, während sie über die Station, auf der ich gelegen hatte, auf mich zukam. Ich schluckte. Immerhin einen Lichtblick gab es. Stegi, der Junge, der mir den Brief von meiner Klasse vorbeigebracht hatte - ein unscheinbarer Typ, der nicht gerade beliebt war in unserer Klasse - hatte mir erzählt, dass die Schulleitung plante, die Raumbelegung meiner Klasse so anzupassen, dass unsere Klassenzimmer barrierefrei zu erreichen wären. Ich würde also weiterhin auf meine Schule gehen können.

Change a Life ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt