Anstatt mich endlich auf andere Gedanken zu bringen, sitze ich in meinem Apartment herum und blase Trübsal. Ich gehe vollkommen darin auf mich selbst zu bemitleiden. Dem Klingeln an der Tür komme ich mit nur mäßiger Begeisterung nach und mein düsterer Gesichtsausdruck lässt den Nachbarn schnell wieder verschwinden. Nein, ich möchte deine Katze nicht verpflegen, während du am Strand liegst und eine schöne Zeit hast. Grummelnd schmeiße ich mich zwischen die Sofa Kissen und unterdrücke das Bedürfnis Lucian anzurufen. So kann es nicht weitergehen. Heute ist das Selbstmitleid noch erlaubt, schließlich lassen sich Gefühle nicht einfach begraben, aber morgen früh geht es weiter. Ein guter Vorsatz. Darauf kann man ruhig einen trinken beschließe ich und hebe die schon nahezu leere Flasche an.
Es klopft erneut an der Tür und als ich sie murrend öffne steht dort niemand geringeres als Vanessa vor mir.
"Hattest wohl einen Sinneswandel." bemerke ich trocken und möchte die Tür direkt wieder schließen, doch sie hindert mich daran, indem sie sanft ihre Hand auf meinen Arm legt. Oh nein, nicht mit mir. Ich schüttele sie ab und schaffe es gerade so ein hysterisches Lachen zu unterdrücken. Wie kann sie mich so abservieren und dann ohne schlechtes Gewissen, nur wenige Stunden später, bei mir vor der Tür aufkreuzen? Sie hat echt Nerven. Aber ich werde ganz sicher nicht nachgeben, also stehe ich mit verschränkten Armen da und versuche entschlossen zu wirken. Ihr Blick strahlt Ruhe aus, in ihm liegt eine Selbstsicherheit, die ich mir nur wünschen kann. Für ein paar Sekunden halte ich stand, tue es ihr gleich und stehe einfach nur schweigend da, doch ich komme mir dämlich vor und merke wie ich rot anlaufe, was das Grinsen in ihrem Gesicht wachsen lässt. Ein Grinsen, das Grübchen auf ihre Wangen zaubert und mich innerlich beinahe zur Kapitulation bringt. Ich verfluche die vielen Drinks. Ich verfluche mich dafür ihr so viel Macht über mich zu geben. Trotzig wende ich mich ab, schaue stattdessen auf meine Füße. Wenn sie schon nicht redet, dann übernehme ich das eben. Bereit ihr einen Vortrag über meine Gefühle zu halten öffne ich den Mund, doch der Finger der sich sanft über meine Lippen legt, ist überzeugender als ich mir eingestehen mag.
Genervt drehe ich den Kopf zur Seite, was mich einiges an Überwindung kostet. "Du bist high." stelle ich ruhig fest und versuche so meine Unsicherheit zu überspielen.
"Und du, my Lady" flüstert sie und zeigt mit dem Finger in mein Gesicht, "du bist heiß."Ich schüttele den Kopf in gespielter Gleichgültigkeit, knicke aber innerhalb von Millisekunden ein, als Vanessa mich zu küssen beginnt. Dann denke ich daran, wie wütend ich noch vor wenigen Stunden auf sie war und drücke sie von mir. "Das Mädchen vorhin war wohl nicht so leicht zu haben wie ich. Habe ich recht? Und jetzt stehst du hier, nicht weil ich dir etwas bedeute, sondern ganz einfach als Zeitvertreib. Als zweite Wahl."
Kopfschüttelnd verdreht sie die Augen. "Das hier war nie mehr als ein Zeitvertreib, Emelie. Und wir beide wussten das."
"Aber jetzt wünsche ich mir mehr, ist das so schlimm?"
Ihre einzige Reaktion ist ein langes Seufzen. "Dann wollen wir nicht das gleiche." Sie wirkt aufgebracht. Schulterzuckend lässt sie von mir ab und fährt sich durch die Haare.
"Vanessa, ich erwarte doch nicht mehr von dir, als das wir zur Abwechslung mal miteinander reden.""Reden entfacht Gefühle." kontert sie.
"Und das ist schlimm?" frage ich sanft. Langsam dämmert mir, wie sehr sie verletzt worden sein muss, trotzdem lasse ich nicht locker. Wenn das hier klappen soll - und das möchte ich unbedingt - dann muss sie sich klar darüber sein, wie ich für sie fühle. Egal wie verkorkst sie ist, egal wie sie darauf reagiert. Ich weiß es ist das richtige, denn wenn sie mich weiterhin so behandelt, dann würde mir eine Beziehung mit ihr nicht gut tun. Jedoch sagt mein Instinkt mir, dass ich sie damit vertreiben könnte und so überzeugt ich jetzt noch bin, weiß ich nicht wie lange das anhält."Ich bin nicht hier um Zöpfe zu flechten und über Liebeskram zu sprechen. Das weißt du." In ihren Worten liegt eine gewisse Schärfe, die mich aufhorchen lässt. Ich habe ganz offensichtlich den wunden Punkt gefunden, doch bevor ich sie besänftigen kann spricht sie weiter.
"Vielleicht bin ich einfach nicht die richtige Person für dich." Sie beißt sich auf die Lippe und es wirkt, als würde sie etwas zurück halten. Ich kann das verstehen, man erzählt nicht gerne jedem wie kaputt man ist. Mit sanfter Stimme starte ich einen weiteren Versuch: "Ich verlange ja garnicht, dass du mir deine ganze Lebensgeschichte anvertraust oder mit mir zu Familienfeiern gehst. Ich will dich zu nichts zwingen Vanessa, ich bitte bloß darum, dass du dir über meine Gefühle im klaren bist, weil-"
"-Ich bin schon einmal verletzt worden, Emelie, das kommt nie wieder vor." bricht es aus ihr heraus. Ihr Blick ist aufgewühlt. "Es tut sowieso nichts zur Sache, ich bin besser alleine dran. Ich sollte gehen." Als sie sich abwendet, fällt etwas in mir zusammen - die Hoffnung auf etwas, von dem ich wusste ich könnte es nie haben. "Bitte," sage ich und hasse mich dafür, etwas zu wollen, das mir nicht gut tut. "Bitte, bleib." flehe ich. Mir ist klar, wenn sie jetzt geht ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich sie nie wiedersehe. Meine Finger legen sich unter ihr Kinn und meine Augen suchen ihre. "Kann ja sein, dass ich bloß ein One-Night-Stand für dich bin, aber du bedeutest mir etwas. Ich habe nicht vor dich zu verletzen."
Ein kleiner Teil von mir wartet darauf, dass sie widerspricht. Das sie mir sagt, ich sei mehr als das, doch sie schweigt. Zum ersten mal scheint sie garnicht mehr zu wissen was sie sagen soll. Ich kann den Konflikt förmlich in ihren Augen sehen.
"Ich bin nicht wonach du suchst.""Doch," erwidere ich erstickt, "das bist du."
Sie schüttelt den Kopf, ihr Blick ist dunkel. "Nein Emelie, du liebst die Idee von uns, aber mit mir würdest du nicht klarkommen."
Meine Lippen ersticken ihre Worte mit einem Nachdruck, als könnten sie dadurch ausradiert werden. Ich weiß, dass sie Recht hat. Wir zwei passen nicht zueinander, ich sollte sie ziehen lassen. Doch es bricht mir das Herz. Ich habe mich Hals über Kopf in ein Mädchen verliebt, dessen Nachnamen ich nicht einmal kenne. Deren Nummer ich nicht besitze. Ich weiß rein garnichts über sie, außer dass ich nicht loslassen kann. Nicht jetzt.***
Es ist bereits nach Mitternacht als Vanessa mir einen Joint reicht und das Kissen unter sich zurecht rückt. "Nur um mitreden zu können!" wiederhole ich mit erhobenem Finger und sie lacht. Als ich den ersten Zug nehme, beugt sie sich dicht über mich um den Qualm einatmen zu können, der über meine Lippen strömt. Ihr Gewicht drückt mich sanft in die Kissen, während sie mich aufmerksam betrachtet. Ihre linke Augenbraue hebt sich erwartungsvoll an und auf ihren Wangen bilden sich winzige Grübchen.
"Ich spüre nichts." sage ich schließlich schulterzuckend und reiche ihn etwas enttäuscht an sie zurück. "Warte ab, das kommt gleich." Mehr Qualm steigt zwischen uns auf und sie rollt zurück auf die Matratze. Mit den Blicken zur Decke gerichtet lauschen wir dem Verkehr vor meinem Fenster und versinken in Schweigen, bis ich völlig grundlos anfange zu kichern. Ohne zu wissen, was überhaupt so lustig ist, schaue ich rüber zu Vanessa. Sie stimmt in mein Lachen ein und wirft mir einen hab-ich-doch-gesagt-Blick zu, während sie sich den Joint grinsend zwischen sie Lippen klemmt und aufsteht. Ich atme tief durch.
"Gehst du schon?"
Schmollend beobachte ich wie sie sich ein übergroßes, kariertes Hemd überstreift.
"Ich habe ein eigenes Bett." erinnert sie mich neckisch. Elegant schlüpft sie in ihre Leggings und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Auf einen Schlag ist mir nicht mehr nach lachen zumute.
"Ist das ein Lebewohl?"
"Kann sein. Es ist, was auch immer dir gut tut, Emelie."
Ein halbherziges Lächeln, dann drückt sie mir den glühenden Joint in die Hand.
"Ciao bella."
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Desire | GirlxGirl
ChickLitEmelie glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick - nicht bis sie Vanessa trifft. Einen One-Night-Stand später und sie ist wie besessen von ihr, dem Mädchen mit der gebrochenen Seele, welches strikt alle Gefühle von sich stößt und nichts und niemand...