Das erste was ich am nächsten Morgen spüre ist warme Haut an meiner Wange. Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster und liegen warm auf mir, als ich etwas widerwillig die Augen aufschlage und letzte Nacht revue passieren lasse.
Die letzte Nacht.
In meinem Kopf herrscht noch immer Chaos, ein wunderschönes Durcheinander von Gedanken und Gefühlen, das sich nicht legt. Automatisch fange ich an zu lächeln und trotz des gesunkenen Alkoholspiegels, bereue ich nichts.
Vorsichtig richte ich mich ein kleines Stück auf und mein Lächeln wächst bei dem Anblick von ihr. Ruhig liegt sie neben mir, in meinem Bett. Ihre Gesichtszüge sind entspannt, ihr Atem kitzelt auf meiner Haut, sodass ich Gänsehaut bekomme. Ich schüttele, innerlich über mich selbst lachend, den Kopf. Wie kann es sein, dass dieses Mädchen mir in nur einer Nacht so sehr den Kopf verdreht hat?Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, stehe ich auf und suche mir ein Hemd aus meinem Schrank, bevor ich weiter in mein Bad tappe. Wenig später geht es gähnend weiter in die Küche, wo ich den Kühlschrank öffne. Nicht allzu viel Auswahl. Ich beschließe uns Pancakes zu machen und fange summend an die Zutaten zusammen zu kramen. Im Hintergrund lasse ich leise das Radio laufen und decke gut gelaunt den Tisch, dann eile ich zurück zur Pfanne, damit nichts anbrennt. Ich bin völlig versunken in meine Arbeit, als mich ein leises Lachen aufschauen lässt.
"Guten Morgen." begrüßt mich Vanessa mit ihrer rauchigen Stimme und kommt auf mich zu.
"Gut geschlafen?" grinse ich. Sie gibt mir einen kurzen Kuss, was mir als Antwort genügt, weicht aber zurück als ich einen zweiten einfordere. Fragend halte ich inne. Meine Augen folgen ihrer Hand als sie diese langsam hebt, ihren Kragen ein Stück nach unten zieht und dabei einen dunkelroten Knutschfleck sichtbar werden lässt. "Sieht doch reizend aus." entgegne ich trotz ihres tadelnden Blickes und grinse frech. Nach einer kurzen Stille gibt sie schnaubend nach.
"Willst du schon gehen?" wechsel ich das Thema und schaue an ihr hinab. Im Gegensatz zu mir, ist sie bereits komplett angezogen.
"Ich wollte uns gerade Essen machen, du kannst doch nicht gehen ohne zu frühstücken." Sie scheint darüber nachzudenken, also lasse ich nicht locker: "Wäre doch schön sich ein bisschen kennenzulernen?"
Es scheinen die falschen Worte gewesen zu sein. Sofort presst sie ihre Lippen aufeinander und ich kann förmlich sehen wie sie abschottet. Dann räuspert sie sich. "Emelie, letzte Nacht war wirklich schön, aber es wird nicht mehr daraus werden."
Langsam nicke ich und versuche so zu wirken, als hätte ich gar nichts anderes erwartet. Zumindest erinnert sie sich an meinen Namen, denke ich leicht verbittert, das ist doch etwas. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass ein unüberhörbarer Klang von Hoffnung in meiner Stimme mitschwingt, als ich sie frage ob wir uns wiedersehen werden.
"Gut möglich." antwortet sie schlicht und belächelt mich, wie so oft in den vergangenen Stunden. Ich lasse von ihr ab und lehne mich stattdessen an die Küchentheke hinter mir. Mir fällt nichts ein, was ich noch sagen könnte. Alles das mir durch den Kopf geht, klingt irgendwie verzweifelt und ich will nicht diejenige sein, die nicht loslassen kann. Als sie sich jedoch ohne weiteres von mir abwendet, macht sich Enttäuschung in mir breit. "Warte!"
Mit fragenden Blick und Zigarette im Mundwinkel dreht sie sich noch einmal zu mir und zieht eine Augenbraue hoch?
"Wie kann ich dich erreichen?""Garnicht." antwortet sie locker und schlüpft in ihre Jeansjacke. Dann lässt sie mich endgültig stehen. "Aber ich weiß ja, wo ich dich finden kann."
***
Ein paar Tage später habe ich jedoch noch immer nichts von Vanessa gehört oder gesehen. Zugegebenermaßen habe ich fest damit gerechnet, dass sie wie aus heiterem Himmel vor meiner Tür stehen oder ich sie im gleichen Club wiederfinden würde. Natürlich bin ich voller Hoffnung jeden Abend dort gewesen, aber es gab keine Spur von ihr. Am vierten Abend finde ich mich langsam damit ab, dass sie nicht so viel Wert darauf zu legen scheint mich wiederzusehen. Ich muss mir eingestehen, ihre Worte haben das sehr deutlich gemacht. Es ging um diese eine Nacht, nicht mehr und nicht weniger. Sie hat mir nichts vorgemacht - ich war diejenige, die etwas sehen wollte wo nichts ist. Doch ich kann nichts dagegen tun, in mir flackert dieser kleine Schimmer Hoffnung. Abends wenn ich mich schlafen lege, wandern meine Gedanken zu ihr zurück und lassen sie nicht mehr los. Vor meinen geschlossenen Augen sehe ich ihr Gesicht und der weiche Stoff der Bettdecke fühlt sich wie ihre Haut auf meiner an. Es ist beinah lächerlich. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als sie endlich vergessen zu können. Ich weiß ja selbst nicht, was genau ich von ihr will. Und wenn sie wieder aufgetaucht wäre, was dann? Ich bin mir sicher, es hätte alles bloß schlimmer gemacht. Sie wäre genauso hinreißend gewesen, wie auch schon beim ersten mal. Sie hätte mich ganz bewusst auf Distanz gehalten und meine Hoffnung wäre nichtsdestotrotz gewachsen, weil ich eine hoffnungslose Romantikerin bin.
Kopfschüttelnd schnappe ich mir Schlüssel und Jacke, schlüpfe in meine Boots und trete an die frische Luft.
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Desire | GirlxGirl
ChickLitEmelie glaubt nicht an Liebe auf den ersten Blick - nicht bis sie Vanessa trifft. Einen One-Night-Stand später und sie ist wie besessen von ihr, dem Mädchen mit der gebrochenen Seele, welches strikt alle Gefühle von sich stößt und nichts und niemand...