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Levis Sicht
Seit ich klein bin muss ich mich um mich selbst kümmern.
Essen besorgen, Schlafplätze suchen, Geld bekommen und so weiter.
Vielleicht ist es das was mich so kalt gemacht hat.
Aber besser ein kaltes Herz und überleben, als ein weiches Herz und sterben.
...oder?

Ich seufze, laufe die Straße weiter entlang.
Es wird wieder kälter.
Obwohl es bereits Ende Oktober ist ist es heute überraschend warm, die Sonne startet sogar einen erneuten Versuch sich durch die dicken Wolken zu drängen. Dabei kitzeln einige warme Sonnenstrahlen meine Haut, doch trotz der Hitze lässt es mich vollkommen kalt. Als wär ich halb abgestorben.
Der Wind scheint dabei messerscharf, sodass ich mir meinen Pulli etwas hoch ziehe.

Jetzt schon denke ich wieder krampfhaft nach, denn da ich auf der Straße lebe ist der Winter immer besonders heftig. Andererseits gibt es in der Zeit mehr zu klauen...
An der Ampel bleibe ich stehen, spiele mit dem Gedanken Touristen zu beklauen, immerhin habe ich heute noch nicht gegessen.

Geekelt beobachte ich wie ein Mann neben mir ständig auf den Boden spuckt, knurre sogar leise.
Ist doch echt ekelhaft. Soll der doch irgendwo anders hinspucken!
Tch.
Doch als ich da so stehe...angepisst und genervt... da höre ich leise etwas das sich wie ein helles Glockenspiel durch die dicke Wand von Straßengeräuschen drängt.
Ein kleines...Wimmern..?

Etwas verwundert drehe ich mich um, sehe gleich in eine dunkle Gasse.
Als ich nichts sehe kucke ich wieder nach vorn.
Wann wird die verfickte Ampel auch grün?!

Doch dieses Wimmern... es lässt mich nicht in Ruhe. Und als die Ampel grün wird kann ich aus irgendeinem unerklärlichem Grund nicht weiter gehen.
Ich knirsche genervt mit den Zähnen, drehe mich dann erneut um und gehe in diese Gasse.
Schon lasse ich die lauten Geräusche der Hauptstraße zurück und gehe weiter.
Es scheint immer kälter und dunkler zu werden. Wie verlassen... bis ich allein da stehe.
Das Wimmern ist auch... weg.

Ich fühle mich wie auf einem anderen Planeten. Vollkommen verlassen.
Schon krempele ich meine Ärmel runter und siehe mich um.
Was für eine Scheiße. Jetzt bilde ich mir auch noch so einen Bullshit ein.
Man.. ich sollte nicht auf so einen Mist reinfallen.
Wieso komme ich auch bis hierhin?!

Ich möchte schon zurück zur Hauptstraße, da höre ich erneut ein Schniefen.
Beim erneuten Umdrehen.. erkenne ich einen kleinen Schatten. Zusammengekauert sitzt etwas äußerst kleines in der Ecke.

Als ich den Schatten erblicke.. gehe ich vorsichtig auf diesen zu.

"...hallo...?"

Meine Stimme erschreckt den Schatten wohl, denn er rollt sich noch mehr zusammen und ich spühre, wie er den Atem anhält.

Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen.
"...du musst keine Angst haben..."
Ich kann das nicht. Ich bin nicht sanft.
Deshalb kommt das auch sehr schroff rüber.

Doch aus irgendeinem Grund beginnt der kleine Schatten wieder zu atmen.
Leise schnieft er dann auch.
"...wer bist du..?", höre ich die süße Stimme eines kleinen Jungens.

"...ich bin...Levi..."
Ich gehe weiter auf ihn zu.
"Ich tu dir nichts."

Er bleibt noch etwas sitzen, doch schon steht er sehr langsam und scheu auf. So tritt er schüchtern ins Licht.

Er ist recht... klein. Mit braunem, zerzaustem Haar, großen, flackernden, smaragdgrünen Augen.
Sein Gesicht ist dreckig, seine Klamotten zerrissen.
Er sieht unglaublich....niedlich..aus...
Aber auch sehr schreckhaft. Wie ein verletztes Reh kuckt er mich an.

"...Levi...?", schnieft er mit Kulleraugen.
Ich schlucke, nicke dann.
"...ja...ich bin Levi...
Wer bist du denn...?"

Er schnieft nochmal, drückt dann seinen braunen, fleckigen Teddy an sich den er sich unter den Arm geklemmt hat, beinahe schützend an sich drückt.
"...Eren...", murmelt er leise und kuckt an sich runter.

"...wo ist deine Mama Eren..?"

Er kuckt traurig auf seinen Teddy.
"...ich habe keine Mama..."

Trotz meiner Kälte werde ich etwas traurig.

"...und... dein Papa?"

Er zupft am Teddy rum.
"...ich habe keinen Papa..."

Ich seufze.
"...wer passt auf dich auf, Eren?"

Er zögert, zuckt dann mit den Schultern.

Ich denke nach. Was soll ich mit ihm machen..? Ich kann ihn doch nicht hier auf der Straße lassen.

Also tue ich etwas, was ich noch nie getan habe.
Ich strecke meine Hand aus... und halte sie ihm entgegen.
"Komm Eren. Ich helfe dir. Du musst keine Angst mehr haben."

Er zögert kurz, streckt mir dann seine winzige Hand hin und nimmt sie so an.
"...okay...", schnieft er nur und drückt den Teddy fester an sich.
Ohne ein einziges Mal zu lächeln führe ich ihn aus der Gasse.

Ich weiß dass es etwas weiter ein Waisenhaus gibt. Da kann ich ihn hinbringen.

"... sag mal Eren, wie alt bist du denn eigentlich?"
Er sieht wirklich äußerst jung aus.

Er versucht mit meinen schnellen Schritten mitzuhalten, joggt einige Male. Ich verlangsame innerlich schmunzelnd mein Tempo.

"...ich bin schon 8!", meint er dann breit strahlend.
"Und du... Livi..?"

"Levi.", korrigiere ich ihn ruhig. Sonst würde ich ausrasten.. aber er ist so ein Sonnenschein.

"...ich bin 15."

"Woooaaaaah so alt!"
Er kichert und hüpfelt weiter neben mir her.
Ich lächele minimal.

Er hält den braunen, schmutzigen Plüschhasen in den Armen.
Man. Wie gerne würde ich den waschen.
Der ist doch total verdreckt.

Der Weg ist nicht weit, sodass wir auch schon gleich vor dem Waisenhaus stehen.
Eren summt dem Teddy etwas vor und kuschelt sich an ihn.
Ich begleite ihn noch bis vor die Tür.

"So, kleiner Eren. Du musst nur hier rein. Dann bekommst du Hilfe, okay?"

Ich wuschele ihm kurz durch das völlig zerzauste Haar, schenke ihm ein kleines Lächeln, gehe dann schon weiter.
Schließlich muss ich noch was zu Essen klauen...

"...w...warte...!", höre ich Erens helle Stimme.
Ich höre das kleine, schnelle Tappen seiner Füße, und schon steht er hinter mir.

"...Livi... warte.."

Ich drehe mich zu ihm um.
"...ich kann nicht. Geh ins Waisenhaus.. da bist du gut aufgehoben. Du kannst nicht bei mir bleiben..."

"...aber...Livi..."
Er kuckt mich mit diesen großen Kulleraugen an.
"...ich möchte bei dir bleiben."

Lost Boys  Levi x ErenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt