Siebzehn

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"Wie geht es dir hier?" 
Er sah mich ruhig an, seine dunklen Augen nahmen mich gefangen, meine Seele. 
"Gut.", murmelte ich leise, sah auf meine Oberschenkel, die ich fest aneinander presste. Ich riss immer wieder kleine Stücke von meinen Fingernägeln ab, sie waren mittlerweile schon brüchig und kaputt. Es lenkte mich ab. Lenkte mich ab, wenn ich nervös war...wenn ich mich verletzten wollte. 
"Wirklich?" Sein Blick war fest, ich wusste, dass er wusste wie schlecht es war. Wie schlecht es mir hier ging. Wie erbärmlich ich war. Nicht einmal eine Therapie brachte ich vernünftig zustande. 
Ich nickte zögernd, spürte aber die Tränen in den Augen. Ich wollte nicht weinen, ich durfte nicht weinen. Ich wusste nicht Mal warum ich es jetzt musste. Es kam einfach. 
Ich spürte seine warme Hand an meiner, die sie umgriff. Mich irgendwie vor dem Ertrinken zu retten versuchte. Er hielt mich. Fest. Er war da. 
"Hey Liam.", seine Stimme wurde leiser, wollte nicht, dass sonst jemand ihn hörte. Er rutschte näher zu mir und legte seinen Arm um mich. Zog mich an sich und ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Ohr. Das Kribbeln, die Gänsehaut. 
"Du bist wunderbar. Du bist der wunderbarste Mensch auf der ganzen Welt und das meine ich so. Wenn ich dich ansehe, geht für mich die Sonne auf. Du bist wie mein Ruhepol, mein Magnet, mein Anker. Du bist der Grund warum ich gerne lebe, warum ich glücklich bin. Du bist so wunderschön und noch viel schöner als das." 
Seine Lippen lagen an meinem Ohr als er mir diese Worte leise zuflüsterte. Leise und ruhig. Sie waren Balsam für meine Seele. Für meine kaputte, tiefschwarze Seele die ohne ihn schon längst verschwunden wäre. 
Ich rutschte noch näher und legte meine Beine über seine, drückte mich an ihn und konzentrierte mich auf die sanften Worte, die zarten Berührungen und sein klopfendes Herz. 
"Du bist es.", flüsterte er und ein wohliger Schauer durchzog mich. Etwas, das ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt hatte. So lange. 

Ich hatte keine Ahnung wie lange wir so dalagen, aber es mussten einige Stunden gewesen sein, denn irgendwann war die Besuchszeit vorbei und er musste gehen. Die Schwester nahm ihn mir weg, sie nahm ihn weg und ich wollte es nicht zulassen.
"Geh nicht.", murmelte ich als er mich ein letztes Mal umarmte, mir kam es so vor als wäre es für immer. Ein Abschied. 
"Sie lassen mich nicht hierbleiben, Li. Bleib stark, ich komme bald wieder." Er lächelte. 
"Nein. Du darfst mich nicht alleine lassen.", schluchzte ich auf sobald er ein paar Meter von mir entfernt war. "Lass mich nicht alleine." Meine Stimme brach und ich sank auf den Boden. Die kalten Fließen brannten durch meine Hose, der Schmerz. 
"Bitte.", jammerte ich und da spürte ich Arme um meine Schultern. Glücklich sah ich auf. Er kam wieder, er war hier. Ich lächelte aber war sofort wieder enttäuscht als ich sah, dass es Finn war. Nicht Zayn. 
"Komm." Er zog mich hoch und brachte mich in mein Zimmer. Ich seufzte, wusste was mich nun erwartete. Eine kalte, einsame Nacht. 
"Leg dich hin Liam." Ich tat es, es war mir egal. Ich hatte mich ergeben, sie hatten gewonnen. Mir war es egal, dass sie mich so wie jede Nacht am Bett fixierten. Ich hatte aufgegeben. 
Wie immer zog ich einmal an den 'Fesseln', und wie immer gaben sie nicht nach. Kein bisschen. 
"Werde ich hier sterben?", murmelte ich in die Stille. Ich wusste nicht ob Finn noch da war. 
"Du wirst nicht sterben Liam, noch lange nicht.", kam es zurück. 
"Was wenn doch?" In meinem Kopf herrschte trotz Leere ein Unwetter, dass mich in die Knie zwang. 
"Darüber darfst du nicht nachdenken, du wirst es nicht. Ich passe auf dich auf." Ich gab ein Schnauben von mir, das ein Lachen simulieren sollte. Ein dankendes Lächeln. 
"Gute Nacht Liam." 
Ich antwortete nicht. 

*

Sollte ich mich jemals wieder normal fühlen? So wie es früher war? 
Werde ich jemals wieder der gleiche Liam sein, der ich war? 
Jeder Tag war ein Kampf. Mal ging es besser, leichter und oft war es anstrengend und zerstörend. Es zerstörte mich. Ich zerstörte mich selber. Meinen Körper, Meine Gesundheit. 
Meine Mom war ab und zu gekommen und als sie mich sah, merkte ich, dass sie zweifelte. An dieser Einrichtung zweifelte. An den Ärzten zweifelte. Ich war froh, dass sie das tat. 
Einmal hatte ich ein Gespräch von ihr und dem Oberarzt belauscht. 

"Wie kann es sein, dass mein Junge jeden Tag den er hier ist mehr abnimmt? Obwohl eigentlich genau das nicht eintreten sollte? Was machen Sie hier mit ihm? Hilfe ist das hier sicherlich nicht. Ich werde nicht mehr lange zusehen, wie sie Liam hier zerstören." Meine Mom war selten so wütend. Und noch seltener schrie sie Ärzte an. 
"Wissen Sie, Frau Payne. Liam gibt sich keine Mühe gesund zu werden, wenn er es nicht will, dann kann ich nichts tun. Einer unserer Psychologen meinte, so lange wie Liam schon hier ist, müsste eine Verbesserung zu sehen sein. Aber vielleicht ist das Leben nicht für jeden gemacht."


"Liam, wir müssen reden.", meinte meine Mutter nach 2 Wochen zu mir. Sie war zu Besuch gekommen und nun saß ich ihr gegenüber, beobachtete sie. 
"Ich weiß, dass es dir hier nicht gut geht, ich merke das." Ich schluckte. War froh. Oft hatte ich ihr gesagt, wie schlecht es mir ging. Wie sehr ich gehen wollte. Ich flehte sie an. 
"Ja."
"Also, ich hab mit den Ärzten geredet, du wirst entlassen, du kommst nach Hause. Und dann werden wir uns etwas neues überlegen, okay?" Sie lächelte mich an. 
Ich stand ruckartig auf und umarmte sie fest. Mit einem leisen 'Huch' drückte sie mich ebenfalls. 
"Danke.", flüsterte ich ihr zu und setzte mich wieder hin. 
"Wir schaffen das, Baby.", lächelte sie und nahm meine Hand. 
Und irgendwie spürte ich so etwas wie Freude. 

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Lange Zeit, aber bitteschön: Neues Kapitel!! *_* 
Hoffe euch gefällts (: 
Das Violinkonzert oben ist es wirklich wert anzuhören. Lasst es Mal ein bisschen Laufen :*


Mental | z.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt