„Das Gepäck bitte unter den Sitz oder in die Ablagen über Ihnen.", sagte die Stewardess in dem typisch gelangweilten Tonfall. Ich saß endlich im Flieger und wenn wir pünktlich abhoben, würde ich in einer halben Stunde in der Luft und in ca. 2 1/2 Stunden in Alicante sein. Alicante liegt an der südöstlichen Küste Spaniens und ein weiterer Vorteil meiner Reise war, dass dort gutes Wetter und ein Meer ist. Ich würde mit meinen langen, dunkelbraunen Haaren und meinen grünen Augen zwischen den Spaniern vermutlich kaum auffallen. Lediglich meine Haut war heller, aber das würde wohl nicht so stark aus der Masse herausstechen. Zum Glück. Ich war kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt stand oder irgendwie besonders auffallend war.
Noch saß niemand neben mir und ich hatte die Hoffnung, dass sich das auch nicht mehr ändern würde. Das schlimmste im Flugzeug war es, neben jemand zu sitzen der stank oder sich extrem breit machte... Als sich ein hochgewachsener, durchtrainierter Junge meinem Platz näherte, verwarf ich meinen Wunsch aber wieder ganz schnell. *Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsche mir den heißen Typen von da drüben herbei!* Okay... Ich bin 16 Jahre alt und verhalte mich wie eine 3-jährige. In solchen Momenten war ich verdammt froh, dass niemand meine Gedanken lesen konnte, denn die waren des Öfteren recht peinlich.
In meine Gedanken versunken merkte ich gar nicht, dass sich der hübsche Junge tatsächlich in die Nähe meines Platzes bewegte. Ich nahm erst wieder Notiz von ihm, als er sich neben mir in den Sitz fallen ließ. Und halleluja, vom Nahen war er noch schöner! *Willst du mich nicht ansprechen?*, dachte ich, während ich meine Kopfhörer wieder aufsetzte und meinen Blick von ihm abwandte. Endlich setzte sich das Flugzeug in Bewegung und 10 Minuten später waren wir auch schon in der Luft. Als der heiße Typ neben mir auch nach einer halben Stunde keine Anstalten machte mich anzusprechen, nahm ich mir ein Herz und sprach ihn an, es könnte ja nicht schaden schonmal jemanden in Alicante zu kennen, falls er auch auf dem Weg dahin war. Sein Display leuchtete auf und ich erhaschte einen Blick auf den Song, den er gerade hörte; ‚21 Guns' war sogar eines meiner Lieblingslieder... Das passte ja schonmal. „Greenday also?" sprach ich ihn an, er hob den Kopf und zog einen seiner Kopfhörer aus dem Ohr. „Was sonst?", antwortete er mit einem leichten Lächeln, was ihn mir direkt sympathisch machte. „Jetzt will ich aber auch wissen, was die ‚Playliststalkerin' hört und vor allem, wie sie heißt." *Warteeeeeee. Er ist nett, hübsch und hört gute Musik? Bin ich in einem verdammten Film oder warum habe ich das Glück, dass er neben wir sitzt?*
„Ich heiße Leah", sagte ich, währen ich meine Playlist öffnete und sie ihm unter die Nase hielt, „und du?" Er schaute auf meine Playlist, „Ich bin Jack", antwortete er mir, „Du hast einen guten Musikgeschmack." Er schaute mir in die Augen und lächelte. Ich spürte wie mir das Blut in die Wangen schoss. „Deiner ist auch nicht schlecht.", gab ich lächelnd zurück. Mir viel gerade auf, dass ich verdammt Glück gehabt hatte, dass er deutsch ist. Er hätte ja auch auf dem Heimflug sein können und das hätte ziemlich peinlich werden können. „Wieso fliegst du eigentlich mitten in der Schulzeit nach Alicante?", riss mich Jacks Stimme aus meinen Gedanken. „Austausch.", antwortete ich knapp. Ich wollte nicht unbedingt über dieses Thema sprechen, mir viel aber gleichzeitig auf, wie unfreundlich das eben auf Jack gewirkt haben musste. „Was machst du da?", sagte ich deshalb umso freundlicher. „Ich habe dieses Jahr mein Abi gemacht und wollte jetzt erstmal weg."
„Alsooo bist du 18 oder 19?"
„18. Ich werde im November 19. Und du?", fragte er mich und guckte interessiert zu mir rüber. „Ich bin 16 und werde im Oktober 17."
Wir unterhielten uns den Rest des Fluges. Die Chemie zwischen uns passte einfach und ich war verdammt froh, dass ich so nicht die ganze Zeit über das vergangene halbe Jahr nachgrübeln musste.
