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Die  Sonne brannte mir auf der Haut, als ich aus dem Pick-up stieg und ich zog mir meinen Hut auf den Kopf. Eigentlich gehörte der Wagen meinem Onkel, Brady O'Connor. Aber ich konnte mich kaum daran erinnern, wann er ihn zu letzt gefahren hatte. Ich war diejenige, die mit der Rostlaube ständig irgendwo hin- und herfuhr, darum betrachtete ich den Pick-up praktisch als meinen. Ich hatte ihm sogar einen Namen gegeben - Hook, nach dem Abschleppfahrzeug aus dem Film "Cars".

Hinter mir sprang Cookie aus dem Fahrerhaus und schüttelte sich. Am liebsten hätte ich es ihr nachgemacht - nach der Fahrt von Willow Creek, Montana, zum Gallatin County Airport, die über eine halbe Stunde gedauert hatte, fühlte sich mein ganzer Körper viel zu steif an. Ich streckte meine Arme über den Kopf aus und dehnte mich ausgiebig. So langes Sitzen war ich gar nicht gewohnt - schon zu Schulzeiten hatte ich es gehasst, wenn ich längere Zeit auf einem Platz still halten musste. Daran hatte sich nichts geändert. Ich brauchte die Bewegung - ob ich jetzt die Ställe mistete, mit den Hunden spielte, die Pferde versorgte oder ausritt. Für mich war eine andere Zukunft, als ein Leben auf der Cadence Creek Ranch einfach nicht vorstellbar. Das war es nie gewesen.

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr, dann sah ich zu Cookie - die Hündin sah mich aus ihren braunen Augen freudig an. "Also, laut meinen Informationen sollte das Flugzeug in ungefähr fünfzehn Minuten landen", sagte ich zu ihr. "Hoffen wir mal, dass die Maschine pünktlich landet und wir nicht allzu lange warten müssen."

Auf meine Worte hin wedelt Cookie leicht mit dem Schwanz, was ich als Vorfreude interpretierte. Vielleicht erwartete sie aber auch nur ein Leckerchen von mir, da war ich mir bei ihr nie sicher. Ich tätschelte ihr den Kopf und schloss den Wagen ab. "Na, komm." Dann gingen wir zu zweit in Richtung Flughafeneingang.

Kaum dass wir drinnen waren, musste ich zurück denken, als ich vor einem Jahr selbst hier gelandet war, kurz nachdem ich das College abgebrochen hatte - oder nachdem ich rausgeschmissen worden war, besser gesagt. Doch ich verdrängte die aufkommenden Erinnerungen schnellst möglich - das letzte, an das ich jetzt denken wollte, war der Schmerz und die Scham, die ich damals verspürt hatte. Als ich aus Billings zurückgekehrt war, war ich nichts weiter als ein Häufchen Elend gewesen. Und es war verdammt hart gewesen dieses Tief zu verlassen und normal zu werden - sowohl für mich, als auch für Onkel Brady.

Die kühle Luft der Klimaanlage war wie Balsam auf meiner erhitzten Haut. Die Montanasonne konnte unbarmherzig sein, vor allem für Leute, die das Klima hier nicht gewohnt waren. Sogar für mich, obwohl ich hier Zuhause war, konnte es manchmal unangenehm werden. Trotzdem würde ich niemals wo anders hinziehen wollen.

Cookie trottete gemächlich neben mir her, während ich den Terminal anstrebte, wo die Reisenden ihr Gepäck abholen konnten. Dabei fühlte ich mich fast heimelig - die warmen Farben, in die der Flughafen gehalten war, wirkten auf mich freundlich und einladend. Ganz anders, als die Flughäfen in Billings oder Chicago, die ich bisher  gesehen hatte, die zwar viel moderner aber eben auch viel unpersönlicher wirkten. Nicht so dieser Flughafen.

Mein Blick viel auf den Dinosaurierschädel, der die Passagiere an einem der Gepäckbände entgegen grinste.  Doch, doch, dachte ich, der GCA hatte eben seinen ganz eigenen Charme.

Cookie und ich machten uns auf die Suche nach ein paar Sitzplätzen nahe des Terminals und warteten dann auf die Ankunft der Maschine aus Los Angeles - die sich, laut Landetabelle, letztendlich doch um fast eine halbe Stunde verspätete. Ich nahm auf einem der Sitze platz und schob mir den Hut in den Nacken. Um mir die Zeit zu vertreiben holte ich mein Smartphone hervor und begann eine Runde Candy Crush zu spielen. Als Cookie sich jedoch zu langweilen anfing, hörte sie nicht auf mich mit ihren Pfoten zu stoßen, bis ich das Handy schließlich weglegte und sie stattdessen zu kraulen begann. Als sie sich auf den Rücken drehte, damit ich ihren Bauch streicheln konnte, musste ich unwillkürlich lächeln. 

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