Letztendlich schleppte Reed seine Sachen selbst. Mir konnte das nur recht sein. Zusammen mit Cookie verließen wir den Flughafen und gingen zum Parkplatz.
Ich hatte erfreulicher Weise einen Parkplatz nahe am Flughafengebäude finden können, weswegen wir nicht weit gehen mussten, bis wir Hook erreichten. Hier lud Reed sein Gepäck auf die Tragfläche des Pick-ups, bevor wir einstiegen. Als ich die Wagentüre öffnete kam mir ein Schwall stickig heißer Luft entgegen. Kein Wunder - die Maihitze ließ die Luft brodeln und in der Nähe gab es keinen einzigen Schatten. Unwillkürlich verzog ich das Gesicht, stieg aber ohne zu zögern ein. Ich hatte mich heute morgen für eine Jeanshose entschieden, statt für Shorts, und darum war ich gerade verdammt froh. Die Sitze glühten regelrecht.
Cookie schien sich an der Hitze nicht zu stören und sprang neben mich auf die Fahrerbank. Neben sie quetschte sich schließlich Reed ins Führerhaus. Er sagte nichts und sein Gesicht war praktisch ausdruckslos. Als er die Wagentüre zuzog, fing ich an mein Seitenfenster nach unten zu kurbeln und gab Reed zu verstehen, dass er es mir gleich tuen sollte.
"Sorry", sagte ich. "Hook's Klimaanlage ist kaputt. Da müssen wir improvisieren."
Über Cookies Kopf hinweg warf Reed mir einen verwirrten Blick zu. "Hook?"
"Das Auto", erklärte ich. Ich ließ den Motor anspringen und fuhr vom Parkplatz.
Wir ließen den Flughafen schnell hinter uns und ich manövrierte Hook durch Belgrade Richtung der Interstate 90. Dann gab ich Tempo.
Als wir die Stadt hinter uns ließen öffnete sich das Land auf beiden Seiten der Straße und rechts und links erstreckten sich scheinbar endlos weite Felder bis in die Ferne. Der Himmel war wolkenlos und von einem klaren, wunderschönen Blau, während die Sonne als grell weiße Kugel über dem Horizont flimmerte und uns geradezu im Wagen kochen ließ. Der Fahrtwind, der durch die geöffneten Fenster in das Wageninnere strömte ließ die losen Strähnen um mein Gesicht tanzen, doch ich genoss das Gefühl zu sehr, um mich daran zu stören. In der Ferne konnte man die Rocky Mountains sehen, sie schienen viel näher, als sie es tatsächlich waren.
Während ich wir über die Interstate brausten herrschte im Wagen absolute Stille. Reed hatte den Blick aus dem Fenster gerichtet und schien an ein Gespräch mit mir nicht interessiert zu sein. Wofür ich teilweise dankbar war - ich verspürte kein Verlangen danach, Small Talk mit ihm zu halten. Zum einen, weil ich eine Niete darin war, zu anderen, weil ich noch immer nicht wusste, was ich von unserem "Gast" halten sollte.
Er wirkte sehr in sich gekehrt und ich fragte mich, ob er von Natur aus einfach nur schweigsam und nachdenklich war, oder ob es einen bestimmten Grund dafür gab.Aber es lag nicht an mir, das herauszufinden, also verdrängte ich die Gedanken an ihn. Als die Stille fast ohrenbetäubend wurde, streckte ich die Hand aus und drehte das Radio auf - obwohl es fast schon archaisch war, spielte das Ding tatsächlich. Nur war der Empfang manchmal miserabel. Als die Stimme von Chris Young das Wageninnere erfüllte, lehnte ich mich zurück und ward Reed einen kurzen Blick zu. "Stört es dich?" Vielleicht hätte ich fragen sollen, bevor ich das Radio eingestellt hatte, aber das war schließlich mein Wagen - okay, eigentlich Onkel Bradys Wagen - und somit hatte ich ja wohl jedes Recht, Musik zu hören, wann immer ich wollte.
Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Reed seinen Kopf in meine Richtung drehte, bevor er wieder nach draußen schaute. Ich fragte mich, ob ihn die offene Weite von Montana genauso faszinierte, wie mich. Nachdem Reed wahrscheinlich sein ganzes Leben in der Großstadt verbracht hatte, dürfte das hier für ihn eine enorme Umstellung bedeuten.
"Nein", antwortete er auf meine Frage und die Anspannung wich ein wenig aus meinen Schultern. Ich wusste selbst nicht, warum mir seine Antwort so wichtig war, aber ich wollte es auch nicht so genau wissen. Es interessiert mich nicht, sagte ich mir innerlich, ein Mantra, dass ich vor geraumer Zeit immer wieder durch meinen Kopf spulen ließ. Es interessiert mich nicht.
Vielleicht belog ich mich selbst, aber so war es besser. Für alle Beteiligten.
"Ist Country Musik für dich okay", wollte ich wissen. Mir war klar, dass das nicht jedermanns Sache war, und auch, wenn ich mir sagte, dass mir Reeds Meinung egal war, wollte ich ihn nicht mit meinem Musikgeschmack schikanieren.
"Klar", hörte ich ihn murmeln, dann verstummte er wieder.
Er gehörte nicht zu der redseligen Sorte - gut, sagte ich mir.
Ich zuckte die Schultern, obwohl Reed das nicht sehen konnte, da er den Blick abgewandt hielt. Cookie neben mir hatte sich während der Fahrt in den Fußraum gequetscht und lächelte mal in meine, mal in Reeds Richtung. Als sie den Kopf auf Reeds Bein legte, sah ich, wie er fast geistesabwesend über ihren Kopf strich.
Das Schweigen wurde wieder lauter und ich griff abermals zum Radio und drehte die Lautstärke hoch. Wenn Reed nicht mit mir reden wollte, gut. Der Song "Trouble Looking" erfüllte die Luft und ich lehnte mich zurück und lauschte der Musik, während wir meinem Zuhause immer näher kamen.
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Runaway Hearts
عاطفيةNach einem Skandal auf dem College flüchtet Shylow "Low" Winslet zurück in ihre Heimatstadt und auf die Ranch ihres Onkels Brady. Dort versucht sie alles zu vergessen und nach vorne zu schauen. Und anfangs scheint es zu funktionieren. Bis Reed Dawso...