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"In der allumfassenden Dunkelheit, die jeden Winkel der weiten Landschaft umgibt, steht ein Junge. Seinen schmalen Körper umgibt ein verschlissener Mantel, bei jeder Bewegung berühren die abgenutzten Enden den pechschwarzen Boden. Die schlanken Hände sind in altlederne Handschuhe eingewickelt, die kurzen Haare in einer kratzigen Kapuze versteckt. Er steht ruhig da, als würde ihm die bedrückende Finsternis nichts ausmachen. Trotz der beklemmenden Atmosphäre sind seine zarten Augenlieder geschlossen und seine Atmung bleibt unveränderlich. Um den Jungen herum entsteht eine lichtlose Masse. Sie zieht wabernd ihre Kreise um ihn, wie ein begieriges Biest, das nun seine Beute gefunden hat.

Er schlägt jäh seine Augen auf. Sie scheinen in dem Meer aus Düsternis eine Spiegelung zweier Sterne zu sein, und ziehen die Schwärze wie Motten an. Die gespenstische Materie kommt mit lautlosen Zügen näher, verschluckt von der Finsternis die hier herrscht. Doch, obgleich er sie nicht sehen kann, so spürt er ihre zerstörerische Macht. Seine rabenschwarzen Pupillen huschen hektisch in der wabernden Schwärze umher, auf der Suche nach etwas scheinbar unsichtbaren. Die, nun hektischen, Atemzüge des Unbekannten ziehen die paranormale Finsternis an. Es scheint, als wäre die düstere Masse ein Mensch, fasziniert von dem steigenden Geruch der Angst. Leise zischelnd erhebt sich eine schrille Stimme aus dem Nichts.

"Du", wispert sie grell. Zitternd zuckt der Junge zusammen, der hohe, grausame Ton lässt sein Trommelfell vibrieren und er versucht stöhnend seine Ohren mit dem straubigen Leder seiner Handschuhe zu schützen. "Du entkommst uns nicht." Ein grässliches Lachen, angestimmt von unzähligen Stimmen erschallt nach den schaurigen Worten.

Ein schmerzvolles Stöhnen entflieht dem Jungen und er wird durch einen unmenschlichen Druck auf die Knie gezwungen. Seine Augen schließen sich vor Schauder und er spürt, wie dickflüssige Tropfen sein Ohr hinabwandern. Das dunkle Blut hinterlässt eine schaudrige Gänsehaut wo es fließt und tropft langsam an seinem Kiefer auf den Boden. "Wer seid ihr", ächzt er, nicht fähig die Augen wieder zu öffnen und dem Grauen entgegen zu sehen. Doch seine dumpfen Worte werden von dem teuflischen Gekicher der Schwärze übertönt. Auf einmal streift die umherwandernde Materie die Brust des Fremden. Er schreit gepeinigt auf und lässt sich nach hinten fallen, beide Hände keuchend auf die brennende Wunde gedrückt. Doch die matte Finsternis verringert schleppend den Abstand zwischen ihnen.

Das Leder der Handschuhe des Unbekannten durchweicht allmählich, sein Obergewand ist nur noch ein Fetzen zerissener Stoff, die zerfetzten Enden kohlrabenschwarz. Der Junge weiß, lange wird er es an diesem Ort nicht überleben. Er sehnt sich schon jetzt nach dem Licht und dem Gefühl der Sonne auf seiner Haut. Seine hellen Augen sind zwar immernoch geschlossen, doch er weiß, dass hinter den Lidern die düstere Dunkelheit darauf wartet ihn zu verschlingen. Das hohe Säuseln der Stimme lässt ihn ein weiteres Mal zusammen zucken. "Öffne deine Augen, Mensch. Schau was aus deinem Zuhause geworden ist." Das unerträgliche Kichern fängt wieder an. "Schau was aus der Menschheit geworden ist."

Der Fremde schüttelt entsetzt den Kopf. In seiner Brust flammt der verhasste Schmerz wieder auf und er stoppt seine Bewegungen aprubt. "Öffne", der gesichtslose Sprecher wird lauter, "deine Augen!"

Geschockt öffnet er sogleich seine Augen und schreit gequält auf. Die düstere Materie wabert nur wenige Zentimeter vor seinem Gesicht, sie wandelt innerhalb Sekunden ihre zerstörerische Form. Er kann ihre schemenhafte Gestalt nur dunkel erkennen, die Finsternis legt sich wie ein Filter über seine zarte Augen. Sie kommt näher, verzehrt sich geradezu danach das Blut des Mannes erneut zu kosten. "Gleich spürst du sie auch." Die diabolische Vorfreude des Schatten lässt dem Fremden das Blut in den Adern gefrieren. "Was spüre ich?", keucht er verzweifelt. Das gellende Lachen der Finsternis scheint jeden Nerv seines Körpers zu durchdringen.

"Die Dunkelheit." Mit aufgerissenen Augen versucht der Unbekannte wegzurücken. Er kann nicht einmal erahnen was es bedeutet, doch selbst dieses dunkle Verständnis reicht um seine Lungen vor Angst kollabieren zu lassen. "Nein, bleib weg von mir!", schreit er, die Kraft in seiner Stimme lässt ihn selbst zusammenzucken. Hysterisch dreht er den Kopf zur Seite, die Lider fest zusammen gekniffen um dem lebenden Tod nicht in die Augen sehen zu müssen. Er wartet auf den entscheidenden Schlag der Masse und sieht schon vor sich, wie die Schwärze mit einer brutalen Leichtigkeit Besitz von ihm ergreift. Doch es kommt nichts. Kein Laut durchbricht die geisterhafte Ruhe, selbst das unterschwellige Lachen war verschwunden.

Die Dunkelheit war dem Licht entwichen. "

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 02, 2018 ⏰

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