Kalte Seite

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Die Stille auf der Station machte mir Angst. Es gab nichts Schlimmeres für mich als mich komplett ungewohnten Situationen zu stellen. Somit konnte ich nicht zu den Patienten - die eilig an mir vorbei huschten, sich aber nach mir umdrehten - hochsehen, als sie mir ein leises "Hallo" zunuschelten.

Ungeduldig wartete ich vor der geschlossenen Tür des Betreuerzimmers, in denen die Leute mit wilden Gestiken kommunizierten.
Am liebsten wäre ich einfach unauffälig wieder hinaus gelaufen. Das allerdings würde mich auch nicht weiter bringen und ich habe nicht unsonst Monate auf diesen Platz gewartet.
Die hellen Wände machten die Situation nicht angenehmer, sie schienen einen unter die Nase zu reiben, dass etwas falsch mit einem ist.
Meine Schultern zuckten hoch, als ich hörte wie die Tür aufging und eine ältere Dame hinausspazierte, mich gezwungen freundlich anlächelte und dann im Flur verschwand.
Die Tür stand nun offen.
Als ich gerade dabei war mich selbst zu überreden anzuklopfen, unterbrach mich die Stimne einer weiteren, jedoch jüngeren Frau. Ihre Schwarzen, langen Haare waren in einen Zopf gebunden, der schwankte, als sie auf mich zu kam.
"Guten Morgen, Jeon Jeongguk".
Mein Blick blieb auf ihren Stressfalten an der Stirn stehen, in die Augen sehen schaffte ich nicht.
"Sie hattest ihr Anmeldegespräch bereits, wenn ich das richtig verstanden habe?"

Schnelles Nicken meinerseits.
Es war ein unangenehmes Gespräch gewesen, aber ich hatte es überlebt.
"Da sie über achtzehn sind, dürfen sie entscheiden ob wir sie siezen sollen, oder nicht. Was wäre ihnen angenehmer?"
Ich hasste Fragen.
"Dutzen".
"Gut, alles klar. Ich schicke dir mal eben Frau Sawyer rüber, sie ist deine zuständige Ärztin".
Sie wartete gar nicht erst auf meine Antwort und ihre Haare wirbelten wieder herum, als sie mir den Rücken zuwand.

Fußschritte kamen von Richtung des Flures. Ein Mann kam herein, vielleicht ein bisschen älter als ich selbst. Ich vermied es ihn anzusehen um ihn nicht auf mich aufmerksam zu machen. Der Plan alledings ging nicht auf.
"Kommst du neu auf die Station? Wie ist dein Name"?
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, ich wollte wirklich nicht unhöflich sein aber ich hasste es mit Fremden Menschen zu sprechen.
"Hoseok, kannst du uns kurz nochmal alleine lassen", ertönte die Stimme meiner Retterin.
Der Junge verschwand schneller als er gekommen war.

"Setzen wir uns doch kurz rein, es wird nicht lange dauern. Ich weiß du bist kein Fan von Gesprächen".

Sie öffnete die Tür neben mir.
Er war nur spärlich beleuchtet, was teilweise auch daran lag, dass es noch sehr früh war. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Holztisch, an dem sie mir einen Platz anbot.
Die Stühle waren hart und unbequem. Meine Beine und meine Arme waren so nah an meinem Oberkörper wie es möglich war, um so wenig Platz wie möglich einzunehmen.

"Nun Jeongguk.. Wir hatten ja bereits die Ehre beim letzten Mal. Dein Zimmer ist das erste hinter der Glastür, dort kannst du dann deinen Koffer ausräumen. Die erste Woche ist recht relaxed, was Therapie angeht. Auch die Ausgangszeit wird vorerst eingeschränkt sein. Das erste Wochenende wirst du, wie bereits gesagt, auf Station verbringen. Deine Mitpatienten werden dich sicherlich nochmal rumführen, wenn du Fragen hast. Du kannst dich natürlich auch immer bei den Betreuern melden.
Wir haben einmal in der Woche ein Gespräch, ich werde es dir in den Wochenplan eintragen.
So.. genug der Worte. Wir haben morgen nochmal ein Gespräch, bis dahin kannst du dich erstmal einleben. So weit es eben geht".

Man merkte ihr an wie oft sie diese Sätze schon gesagt hatte und da es für mich nichts besonderes zu beantworten gab, nickte ich das Gespräch über nur hin und wieder.

Danach war ich wieder frei.
Naja, halbwegs zumindest.
Und auch nicht ziemlich lange, denn vor der Tür erwartete mich der Junge, dem ich vorhin eine Antwort enthielt.
Da mein Koffer genau neben ihm an der Wand stand, konnte ich einer oberflächlichen Unterhaltung wohl nicht aus dem Weg gehen.
Diese These bestätigte sich, als ich nach dem Gepäckstück griff.
"Du bist mit Tae im Zimmer, nicht wahr"?
Ich zuckte die Schultern, da ich bis dahin noch keinerlei Informationen zu meinem Zimmernachbarn hatte.
"Das war eine rhetorische Frage, brauchst also nicht antworten. Du hast Glück. Tae ist ein netter Kerl. Sei froh dass du keinen komplett verrückten Zimmernachbarn bekommen hast, denn hier si-"
"Er kann froh sein nicht mit dir in einem Zimmer zu sein", hörte ich die dunkle Stimme eines Anderen sprechen.
Aus Überraschung und Neugier sah ich ein Stück weit auf. "Jetzt tu mir den Gefallen und halt einmal in deinem Leben den Mund, damit der Kleine hier länger als drei Sekunden bleibt".
Der Mann von dem die Ansage kam war klein, hatte aber eine furchteinflößende Aura die ihn umgab. Außerdem waren seine Augen wie mit einem Pinsel schwarz untermalt. Er sah aus als würde er jede Sekunde colabieren vor Stress und Erschöpfung.
"Ernsthaft? Sei doch nicht gleich wieder so gemein zu mir. So schlimm bin ich nicht, richtig?", wandte er an mich.
Ich war ein wenig überfordert mit der Situation, doch dem Himmel sei dank wurde mir das Reden erneut von dem Kleinen-AugenringenTyp abgenommen.
"Das würde er dir doch niemals ins Gesicht sagen. Jetzt komm, ich bring dich in dein Zimmer".
Er trat voran, in die Richtung der Glastür, die die Station in zwei Hälften aufteilte. "Ich bin Min Yoongi, nebenbei. Zwischen uns wird alles okay sein, solange du mich nicht so sehr reizt, wie der Typ da".
Sein Blick richtete sich auf den Anderen, der an Ort und Stelle stehen geblieben war. Aufgeblasene Wangen wie ein trotziges Kleinkind.

Wir blieben vor der ersten Tür rechts stehen. Sie war weiß wie der Rest der Wand, ein im Licht glänzendes Blumenmuster zierte sie. Mein Name klebte am Nunmernschild neben dem Eingang und noch ein Zettel mit dem Namen "Taehyung".
Taehyung, richtig, das musste mein Zimmernachbar sein.
Gegenüber des Raumes klebten die Namen von Yoongi und Hoseok, was anscheinend der Quasselige war.
Jetzt ahnte ich wieso Yoongi so mit ihm redete.
Der Kleinere wollte sich gerade umdrehen um wieder in seinem eigenen Bereich zurückzuziehen bevor er zögerte, um mir noch etwas zu sagen.
"Ach ja.. Tae, also Taehyung dein Zimmernachbar, er neigt dazu überfürsorglich zu sein, also wunder dich nicht. Aber er ist ein guter Mensch, glaub mir".

Ich betrat das Zimmer vorsichtig und mit einem mulmigen Gefühl im Magen, da ich erwartete gleich auf meinen Mitbewohner zu treffen.
Dieser allerdings schien nicht da zu sein, das Zimmer war leer und das Licht ausgeschaltet, so das nur das Licht im Flur die Umrisse der Möbel beleuchtete.
Die Jalousie war noch immer runter gefahren, was die hintersten Ecken des Raumes in Dunkelheit tauchte.
An der Wand neben mir waren verschiedene Schalter. Da ich mir nicht sicher war welcher davon für die Beleuchtung verantwortlich war ließ ich es sein, aus Angst etwas Falsches zu drücken.
Am Ende geht noch irgendein Notfallalarm an. Das wollte ich den Angestellten dann doch ersparen.
Der Platz war relativ geräumig und hätte Taehyung seine Seite nicht dekoriert könnte man glatt denken in der Mitte des Raumes würde ein großer Spiegel stehen. Alles war symmetrisch, bis auf die Fenster und eine weitere geschlossene Tür, die das Badezimmer abschirmte.
Die Betten standen waagerecht gegenüber voneinander an der Wand.
Es waren normale Krankenhaus Betten, wie man sie kennt.
An der Wand meines Nachbarn hingen unzählige Bilder. Manche von ihnen zeigten einen jungen, blonden Mann. Manche eine ältere Frau und sogar die Jungs von eben hingen an einigen Stellen.
Er musste viele Freunde haben.

Da ich vermeiden wollte komisch zu wirken falls er jeden Augenblick reinkommen kommt, wandt ich mich von seiner Seite ab und widmete mich stattdessen meiner Seite.
Kalt, leer und weiß.

"Hast du dich schon umgesehen"?

✦•Behandlungsweisen•✦   『Vkook, Yoonmin, Namjin』Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt