Kapitel 1

36 1 1
                                    

Dicht drängte sich der graue Rauch an die tanzenden, aufgedrehten Körper, die sich im bunt pulsierenden Licht windeten. Die Musik hüllte sie ein und drang bis zu ihren Knochen durch. Lies sie alles um sie herum vergessen. Oder vielleicht waren das auch nur die bunten Flüssigkeiten, die warnend in ihren Händen leuchteten und ihnen ihren Verstand nahmen. 

Auf jeden Fall war es für Sera lustig anzusehen. Menschen waren so leicht ihrer Sinne zu berauben. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, sich auch einfach so dem Rausch der Sünden hingeben zu können und ihr Leben für ein paar Stunden zu vergessen. 

Sie schwenkte ihr Glas mit der knallig blauen Flüssigkeit hin und her und leerte es in einem Zug. Der Alkohol brannte verführerisch, doch nach ein paar Sekunden, war das Gefühl auch schon wieder verschwunden und ließ sie so nüchtern zurück wie zuvor. Das war das Maximum, was Sera sich an einem Delirium von ihrem Alltag leisten konnte. 

Ein neuer Song ertönte und sie entschied sich, zurück auf die volle Tanzfläche zukehren. Mit einem Grinsen stellte sie das Glas mit den nun überflüssigen Schirmchen und Verzierungen ab und sprang vom Hocker. Das Grinsen wurde noch breiter, als sie die vielen bewundernden und begehrenden Blicke auf sich spürten, während sie sich zwischen den Menschen hindurch zur Mitte bahnte. Hier boomte der Beat der Musik noch intensiver durch die Körper, angestachelt von den vielen Leibern, die sich um einen drängten. Genießerisch schloss Sera die Augen, spürte die Bewegungen um sie herum. Hüpfte im Takt mit. Spürte das pulsierende Leben der Menschen, die ihr so nahe waren. 

„Umpf!" Ein Körper rempelte sie an und Sera fiel gegen den nächsten Feiernden, dessen pinker Drink sich über ihr ganzes Oberteil ergoss. Fassungslos zog sie die Luft ein und betrachtete das klebrige Ungeschick, das sich in ihre Kleidung fraß. 

„Scheiße, pass doch auf!" Ungläubig sah sie zu dem Typen auf. „Wie bitte? Das war ja wohl nicht meine Schuld! Dein Getränk hat hier doch meine Kleidung ruiniert!" „Und es läge an mir das zu verhindern?" „Man könnte wenigstens einsichtiger sein!" „Du solltest dich entschuldigen!" „Was?!" Sera machte einen Schritt zurück und besah sich den jungen Mann, der die Dreistheit besaß, ihr entgegenzutreten. „So langsam glaube ich, dass du dich entschuldigen müsstest!" 

Der Blick ihres Gegenübers verdüsterte sich. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wer ich bin?" Seras Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Wer du bist?" Sie hatte den hageren jungen Mann noch nie gesehen. Es gab auch keine äußerlichen Merkmale, die besonders prägnant wären, um ihn erinnerungswürdig zu machen. „Nein. Und damit dürfte die Relevanz deiner Frage auch hinüber sein." 

Ein zorniges blau flammte in seinen Augen auf, dass Sera überrascht die Gesichtszüge entgleisen lies. Ihr Gegenüber legte das wohl als ihre Schwäche aus, denn jetzt lag es an ihm, ein überhebliches Grinsen aufzusetzen. „Das glaube ich nicht.", meinte er und kam einen Schritt näher, „Ganz im Gegenteil, ich glaube, dass sollte ein Zeichen sein, dass du schleunigst herausfinden solltest, mit wem du dich anlegst." 

Das Mädchen schnaubte unbeeindruckt. Der Dämon vor ihr schien noch dämlicher zu sein, als angenommen. Als Mensch wäre ihm das noch zu verzeihen gewesen, da sie es einfach nicht besser wissen konnte, aber jetzt... „Du solltest lieber deinen eigenen Ratschlag befolgen, bevor du dich-" 

„SERA!" 

Eine junge Frau mit kurzen blonden Haaren war zu ihnen durchgebrochen und riss die Gesuchte außer Atem am Arm herum. „Verdammt ich habe dich schon überall gesucht. Dein Vater ist außer sich, weil du nicht zur Kleideranprobe erschienen bist." Genervt verdrehte Sera die Augen. Die Anprobe hatte sie geflissentlich aus ihrem Aufmerksamkeitsbereich verdrängt. 

Unterdrückte Flüche ließen das Mädchen zu dem aufmüpfigen Dämonenjungen schauen, der mit dem leeren Glas in der einen Hand auf seine Uhr schaute. „Du hast Glück, dass ich zu faul bin, dir eine Lehre zu erteilen." Er blickte auf. „Dieses Mal bin ich noch gnädig und lasse dich davonkommen." Er warf Sera und ihrer hinzugekommenen Freundin einen abschätzigen Blick zu, ehe er sich eilig seinen Weg durch die Menschenmenge bahnte. 

Interessiert folgte das Mädchen ihm mit den Augen. Schien so, als hab er einen wichtigen Termin vergessen. Denn er knallt das Glas unachtsam auf das nächste Tablett einer Bedienung, hastete zu einer Sitzecke und sammelte seine Jacke auf. Dort unterbrach er auch einen Jungen in seiner Tätigkeit, der völlig darin vertieft war, sich an einer menschlichen Frau zu vergehen. 

„Wer ist das?" Seras Freundin beobachtete die zwei nun ebenso aufmerksam. Der Dämon, der das Mädchen angerempelt hatte, warf Sera einen unsicheren Blick zu, fing sich jedoch schnell wieder und zog seinen Freund bestimmt mit sich, der der Frau noch einen letzten Kuss abluchste. „Unterhaltung.", antwortete Sera genügsam. Aber wenn sie Recht behalten würde, mit ihrerVermutung, dann würde ihre Freundin dass schon bald selbst herausfinden. 

Mit großen Schritten verließ Sera das bebende Gebäude und überquerte die neonbeschienene Straße. „Ganz ehrlich, ich verstehe ja, dass du mir nicht immer alles erzählst, aber am Ende bin ich es immer die den Zorn deines Vaters ausbaden muss, weil du Mal wieder abgetaucht bist." Faith stolperte schnaufend hinter ihrer Freundin her. „Ich habe es heute einfach nicht mehr ausgehalten." Sera bog in eine dunkle Seitengasse ab und lief zielstrebig zwischen überfüllten Müllcontainern und liegengebliebenem Sperrholz hindurch, zum zugemauerten Ende der Straße. Dort bliebt sie stehen und drehte sich zu ihrer Verfolgerin um, die ihr mit verschränkten Armen entgegenblickte. „Das ist keine Ausrede mehr. Das sagst du jedes Mal." „Und es ist wahr."

Seufzend ließ die Blonde ihre Arme fallen. „Ich dachte, du wolltest anfangen Verantwortung zu übernehmen." Verletzt wandte sich Sera ab und trat an die rostige Metalltür, die im Schatten des Mauerwinkels eingebettet war. „Ich übernehme ja Verantwortung.", murmelte sie. „Sonst hätte ich dem ganzen Theater doch niemals zugestimmt."

Sie streckte die Hand nach dem alten Portal aus, zögerte jedoch, die Trennwand aufzustoßen. Faith trat dicht hinter sie. Ihre Nähe schenkte Sera die nötigen Nerven, die sie für ihren Auftritt jetzt brauchen würde.

„Du weißt, ich bin immer für dich da.", stellte die junge Frau klar. „Und es ist ja nicht so, als ob du es nicht einzig und alleine zu deinem Vergnügen machen würdest." Diese Aussage ließ Seras selbstsicheres Lächeln zurückkehren.

„Dann lass die Spiele beginnen."

Selection || BTSWhere stories live. Discover now