Im Krankenhaus

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Insgesamt verbrachte ich anderthalb Wochen in dem Krankenhaus. Es wurden verschiedene Tests mit mir durchgeführt, die alle das gleiche ergaben:  Mein episodisches Gedächtnis war stark beschädigt. Dies bedeutet ich konnte mich an all meine persönlichen Ereignisse nicht erinnern, Allgemeinwissen besaß ich jedoch weiterhin unbeschädigt.

Mir wurde von verschiedenen Ärzten des Öfteren mitgeteilt, dass meine Erinnerungen durch einen Auslöser wieder vorgebracht werden können. Dies muss jedoch nicht geschehen und kann eventuell auch nur bestimmte Ereignisse in mein Gedächtnis  zurückrufen. 

Als Maria , meine Mutter,  und Kyle dies erfuhren brachten sie bei jedem Besuch etwas mit, dies reichte von normalen Bildern aus meiner Kindheit bis zu geheimen Liebesbriefen. Jedes mal zeigten sie mir jede Kleinigkeit und um so größer ihre Anstrengung war, um so größer war auch ihre Enttäuschung als sie schließlich gingen ohne etwas bewirkt zu haben.

Maria besuchte mich jeden Tag früh bevor sie auf Arbeit musste und Abends auf ihrem nach Hause weg. Sie erzählte mir allerhand peinliche Familienereignisse, die uns jedes Mal zum lachen brachten.

Mir wurde schnell klar, dass wir kein normal Mutter-Kind-Verhältnis hatten, sondern eher wie unter guten Freundinnen. Jedoch schätzte ich dies sehr, denn es verschleierte den Fakt, dass mich keiner meiner Freunde besuchen kam. 

Oder hatte ich keine?

Der einzige weitere Besucher war Kyle. Er war ein netter Junge, mit viel Humor und gutaussehen war er auch. Wahrscheinlich waren wir das Traumpaar unserer Schule gewesen, ich wollte ihn danach aber nicht ansprechen.

Insgesamt umgingen wir beide den Fakt, dass wir eigentlich ein Paar waren. Ich brauchte Zeit um mir dessen bewusst zu werden und er akzeptierte es, ohne dass wir hätten darüber sprechen müssen. 

Auch er besuchte mich jeden Tag, im Gegensatz zu Maria erzählte er mir jedoch von mir. Er wusste alles, was ich je erlebt hatte, so kam es mir jedenfalls vor. Er erzählte mir, dass wir zusammen dass letzte Schuljahr besuchten und ich danach den Beruf als Maklerin verfolgen wollte.

Ich fragte ihn viel, jede Frage die mir in den Sinn kam sprach ich aus und er beantwortete mir jede einzelne von ihnen ausführlich. Kyle versuchte mir nicht zu zeigen was er für mich empfand und dass er sich wünschte es wäre wie zuvor, doch ich sah es. Ab und zu wenn er dachte ich würde es nicht bemerken, versank er in meinen Augen und immer in diesen Moment konnte ich dies beobachten.

Nur eine Antwort verschwieg er: Weshalb ich im Krankenhaus lag.

Er und auch Maria antworteten mir Beide mit den Worten: "Es war ein schlichter Unfall gewesen." und lenkten sofort vom Thema ab. Ich wusste, dass da mehr dahinter war als ' Ein schlichter Unfall', doch ich konnte sie schließlich nicht dazu zwingen es mir zu sagen.

Und der gutaussehende Doktor?- Er hatte mich an einen anderen Arzt abgegeben. Ich wusste nicht warum, und jedes Mal wenn ich ihm im Gang begegnete ignorierte er mich. Um ehrlich zu sein, machte ich mir nicht weiter großartig Gedanken um ihn, bis zu einem ruhigen Abend an dem Maria eine extra lange Schicht hatte und mich deshalb nicht besuchen kommen konnte.

Um so überraschter war ich, als es trotzdem an meiner Zimmertür klopfte. "Ja?" sagte ich gut hörbar und die Tür öffnete sich. "Ich bin es nur." sagte er und trat vorsichtig in das Zimmer, leise schloss er die Tür hinter sich. 

" Sind Sie jetzt wieder mein behandelnder Arzt?" fragte ich überrascht. "Nein," sagte er ,".. und das ist auch besser so.". Letzteren Teil sagte er sehr leise und wohl eher an sich selbst gewandt. 

Ich setzte mich in meinem Bett aufrecht hin und machte ihm ein wenig Platz, er lächelte leicht und setzte sich. 

"Warum sind Sie dann hier Dr. .." ich schaute auf sein Namensschild, ".. Riff?".  Er schaute erst mich an dann zur Tür, er machte den Anschein jeden Moment aufzuspringen und zu gehen. 

Doch stattdessen schaute er mich wieder mit seinen strahlenden Augen an und ich tat es ihm gleich. 

"Es war kein.. ' schlichter Unfall'." sagte er leise, als wollte er nicht dass ich es hörte. Meine Augen weiteten sich und ich begann irgendwelches unsinniges Gerede von mir zu geben woraufhin er nur lächelte.

Er schüttelte den Kopf, stand auf und ging zum Fenster. Er wollte Abstand von mir und ich war mir sicher er spürte genau wie ich, dass etwas zwischen uns lag.

Zwischen mir und diesem fremden Arzt.

"Ihr wart feiern." begann er sich zu erinnern wie als wäre es schon eine Ewigkeit her, "Habt getrunken, so wie es nun einmal jeder in unserem Alter macht.

Erneut schüttelte er den Kopf.

"Und dann hatten wir einen Autounfall?" fragte ich. "Es wird geredet du säßest am Steuer." gab er mir als Antwort. 

Ich begann auf meiner Unterlippe zu kauen, wie ich in den letzten Tagen schon gemerkt hatte war dies wohl eine dumme Angewohnheit von mir. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, ich wollte die Frage nicht stellen und doch musste ich es.

Ich konnte nicht weiter leben, wenn ich nicht alles über den Vorfall erfuhr.

"Die Anderen?" fragte ich vorsichtig und merkte wie mir Tränen in den Augen aufstiegen."Es ist nicht sicher ob du .. Sie wirklich am Steuer saßen." versuchte er der Frage aufzuweichen. 

"Die Anderen?" schrie ich ihn an.

 Ich war es satt.. Ich war es satt, dass mir niemand die Wahrheit erzählte. Es war mein Leben, sie wollten, dass ich mich erinnerte. Doch wie sollte ich das, wenn sie mir meine Vergangenheit verschwiegen? 

"Die Anderen?" schrie ich erneut.

"Tot"



Auf den Spuren meiner selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt