1. Scheiß Kühlschrank

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Okay, ich bin ganz ehrlich. Ich hasse mein Leben (im Moment) und das ist ist wirklich nicht meine Schuld. Wie würdet ihr euch denn fühlen, wenn ihr von morgens bis abends irgendwelche unnützen Benimmregeln lernen müsstet, sodass ihr beim Frühstück einfach weiterschlaft, den Kopf halb in der Müslischüssel? (Nicht dass das sonderlich viel helfen würde, etwa drei Millisekunden später wurde ich sowieso wieder von meinem Privatlehrer aufgeweckt und in den stickigen Klassenraum geschleppt.)

Also saß ich in dem viel zu groß geratenen, düsteren Raum und musste mir gefühlte zehn Stunden die "Beste Verwandlungsregeln und Tricks für Anfänger - Edwart Entle" durchlesen. Mr. Ente (passt besser) beschrieb also, mit anderen Worten, wie man sich die Klamotten aus- und wieder anzog und wie genau man sich verhalten musste, um als Wolf das Gleichgewicht zu halten.
Ich kam mir wirklich wie ein Kleinkind vor, weil ich dieses Buch lesen musste, das Mr. Hother (Mother genannt, mein Privatlehrer) für "lehrreich" und "wissenswert" hielt. (Also für 4-jährige vielleicht...)
Wenn man sowas den ganzen lieben langen Tag machen muss (und das jetzt schon 3 Jahre lang...) erfinden die meisten eine Menge Techniken, um sich anderweitig zu beschäftigen.
Tja, diese Fähigkeit hatte ich mir schon nach dem ersten halben Jahr angeeignet und ich muss sagen: Es klappt schon ganz gut. Ich versteckte also mein Handy unter einigen hundert Seiten und immer wenn Mother den Raum verließ holte ich es hervor und schaute Videos, was ich sofort wieder beendete, wenn er zurück kam.

So ging es also Tag ein Tag aus und eeendlich durfte ich raus, um die Praxis zu üben. Mother führte mich durch den endlos langen Korridor, der mit unzähligen, bunten Wandteppichen verziert war. Die Decke wurde von kunstvoll gemeißelten Marmorsäulen gehalten und fahles Dämmerlicht fiel durch die schmalen Fenster und wurde durch das farbenfrohe Glas bunt gefärbt.
Ich persönlich konnte dieses halbdunkle Klima inzwischen wirklich nicht mehr ab, auch wenn die meisten Besucher wohl immer mit begeisterten "Aaahs" und "Ohhhs" in Zeitlupe hier entlang schritten und fasziniert Fotos von den Wasserspeiern und Steinstatuen machten, die in den Wänden eingelassen waren. Ich hatte sie übrigens schon alle abgeklopft, um einen möglichen Geheimgang zu finden, der mich endlich hier raus brachte... Nichts. Vielleicht würde ich ja heute im Garten etwas brauchbares finden... "Mr. William, Konzentration, bitte!",riss Mother mich mit einer strengen und leicht genervten Stimme aus den Gedanken, die verpufften, wie kleine Seifenblasen. "Ja, ja...",murmelte ich genervt und versuchte, wieder möglichst aufrecht zu laufen, bevor Mother mich wieder darauf ansprach (solche Ansprachen dauern bei ihm in der Regel eine halbe Stunde oder mehr, hängt von der Länge der Beschwerde ab und das wollte ich dringend verhindern!)
Nach einer halben Ewigkeit kamen wieder endlich bei einem breiten, weißen Türbogen an und ich blinzelte in das Sonnenlicht, welches diesen Teil des Korridors erhellte. Aufgeregt überholte ich Mother und sprang in den Garten, wo ich mich, nachdem meine Augen sich an das helle Licht gewöhnt hatten, interessiert umschaute.
Falls ihr jetzt fragt: Aber William, du wirst doch schon Mal draußen gewesen sein, oder?!
Dann ist die Antwort: Ja, aber jedentlich auf dem Balkon und in dem winzigen Vorgarten. Und richtig, das heißt, ich war 17 Jahre lang in dem gigantischen Anwesen unserer Familie gefangen, das ich inzwischen wirklich satt hatte.
Umso mehr freute ich mich, endlich Mal vor die Tür zu kommen, also rannte ich fröhlich durch den Garten und betrachtete die Rosenbeete, die den Größteil dieses Gartenabschnitts ausmachten.

Mother räusperte sich vernehmlich. "Mr. William, wenn ich bitten darf: Wir sind nicht zum Spielen sondern zum Lernen hergekommen."
Ich stöhnte genervt, machte auf dem Absatz kehrt und schlurfte zu ihm zurück. "Wir verfahren folgendermaßen, als erstes werden sie..." Ich winkte schnell ab, bevor er mit seinem etlich langen Vortrag beginnen konnte und entgegnete schnell: "Ist gut, ich weiß, wie es läuft! Dreh dich einfach weg!"
Mother tat, wie ihm geheißen und schaute weg, zurück zum Türbogen.
Eilig zog ich meine Kleidung aus und spürte schon das aufgeregte Kribbeln auf meiner Haut, was ich so sehr vermisst hatte. In Sekundenschnelle wuchs ich locker um das Doppelte heran und schüttelte mein silbernes Wolfsfell zufrieden.
Mother drehte sich wieder zu mir und neigte anerkennend den Kopf, wobei er anfing, meine Kleidung wieder einzusammeln. "Sehr löblich, dass sie es direkt am Anfang geschafft haben, ein großer Fortschritt!"
Ich schnaubte gelangweilt und warf Mother einen kalten Blick aus meinen weißen Augen zu. Das Verwandeln lag uns Werwölfen schließlich im Blut und es fiel mir, so wie allen in meiner Familie, sogar noch einfacher als anderen.
Unsere Familie ist sehr angesehen und beherbergt eines der drei größten Rudeln in der ganzen Umgebung: Das Phönixrudel.
William Jacob Sylen II ist übrigens mein voller Name, ich bin eines der stolzen (oder auch nicht) Mitglieder der Familie Sylen. Diese liegt übrigens schon seit Generationen im Streit mit der Familie Lowth und deren Drachenrudel, welches in etwa genauso groß ist wie unseres.
Erst seit mein Vater (den ich übrigens schon seit genau 2 Jahren, 5 Tagen, 9 Stunden und 17 Minuten nicht mehr gesehen habe) das neue Familienoberhaupt und somit der Alpha wurde, kehrte wieder Frieden ein und beide Familien einigten sich auf ein Fest, das schon morgen stattfinden würde.
Das hieß für mich Freude pur, denn dadurch werde ich für einen Abend mehr Freiraum und Möglichkeiten bekommen und würde mich endlich Mal mit Leuten unterhalten können, die ich nicht schon seit meiner Geburt kannte. Und deshalb wollte Mother mir nun irgendwie ein einigermaßen höfliches Verhalten beibringen, woran er aber kläglich scheiterte. Als ich dann den Vorschlag machte, meine Fähigkeiten als Wolf zu trainieren, damit ich diese auch vorzeigen konnte hatte er (zu meiner großen Verwunderung) zugestimmt.

Fröhlich sprang ich durch den Garten, sprintete durch die Blumenbeete und schlug wilde Haken, was selbst Mother nicht mehr stoppen konnte. Am Ende des Tages hatte ich mich genug ausgetobt und war völlig dreckig, weshalb Mother mich kurzerhand ins Bad steckte, wo ich duschte und dann ins Bett ging, um dort die halbe Nacht dazuliegen und mich von der Aufregung wach halten zu lassen.

Als mein Wecker mich schließlich aus meinem traumlosen Schlaf riss, war ich kurz davor, ihn in dem Wasserglas auf meinem Nachttisch zu ertränken, wovon mich der Gedanke an eine endlose Predigt von Mother hinderte. Also drückte ich nur energisch auf 'Off' und kullerte nach einigen missmutigen Flüchen aus dem Bett, ehe ich genervt ins Bad schlappte.
Danach huschte ich heimlich durch die Gänge in die Küche und versuchte mir möglichst lautlos (versucht das Mal, noch halb schlafend etwas zu essen zu machen und dabei kein Geräusch zu machen, würde mich echt wundern, wenn das jemand hinbekommt!) etwas zu essen zusammen zu suchen.
Schließlich bestand mein Frühstück aus einem halben, trockenen Donut, einem winzigen Apfel, sauren Trauben und einem abgestandenen Smoothie.
Der Kühlschrank schien mich heute wohl zu hassen (und das beruht jetzt auch auf Gegenseitigkeit...), wenn er mir nichts besseres anbieten konnte.
Ein Gutes hatte die ganze Sache: Ich war so angewidert von dem Geschmack, dass ich meine Müdigkeit vorläufig vergaß.
Generell schlief ich bis ungefähr 6:30 Uhr, bevor ich von Mother aus dem Bett geschmissen wurde, aber heute war ja der Ball und somit war ich mir ziemlich sicher, dass die halbe Dienerschaft in mein Zimmer kommen, mich aufwecken und anschließend in irgendeinen Anzug stecken würde, worauf ich wirklich verzichten konnte.
Kurzerhand beschloss ich also, mich bis zum Abend des Balls von sämtlichen Mitgliedern und Angestellten meiner Familie fernzuhalten, um nicht irgendwie 'heraus geputzt' werden zu müssen.
Wegen Mother hatte ich zwar ein wenig Sorge (er kann mich irgendwie überall und immerzu finden, ein weiterer Grund, warum meine Eltern ihn eingestellt haben...), aber ansonsten kannte ich eine Menge guter Verstecke, in denen ich mich verkriechen konnte, bis wir zum Familienhaus der Lowth und des Drachenrudels aufbrachen.

Gesagt, getan. Das Versteckspiel ging, bis auf einige wenige Patzer gut (nur einmal war ich auf der Flucht vor einem Dienstmädchen und wäre fast in Mother hinein gelaufen, konnte aber noch rechtzeitig umdrehen und über einige Springbrunnen auf das Dach des Geräteschuppens ausweichen) und ich wurde nicht gefunden, bis die schwarze Limousine (für meinen Geschmack viel zu kitschig!) vor dem Eingang stoppte und ich aus dem Busch kam, in dem ich mich seit der letzten halben Stunde versteckt hatte.
Mother war natürlich total in Panik und versuchte mich noch irgendwie einigermaßen 'vorzeigungsfähig' zu stilen, was darauf hinauslief, dass ich einen bequemen, hellgrauen Pullover und eine weite, schwarze Jeans tragen konnte, da der maßgeschneiderte Anzug nicht auffindbar war (wer dafür wohl verantwortlich war...)

Entspannt saß ich letztendlich auf einem der vielen dunklen Ledersitzen und hörte zufrieden Musik, während Mother abwechselnd mich und meine Kopfhörer unzufrieden musterte und irgendwas unverständliches vor sich hin murmelte (vielleicht, wie toll ich in dem Pullover aussah?)

Naja, und so weit war noch alles gut, aber wenn ich gewusst hätte, was meine Eltern und das Drachenrudel geplant hatten, hätte ich mich sicherlich noch vieeel länger im Busch verschanzt!

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Sooo, wieder eine neue Geschichte! xD
Da es schon extrem viele Alpha x Omega Geschichten auf Wattpad gibt, dachte ich mir: Hey, was wäre, wenn es zwei Alphas wären? Und was, wenn die beiden sich zutiefst hassen würden?
Naja, ich freue mich auf jeden Fall über Rückmeldungen!
Bis zum nächsten Teil ;))
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